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Strick-Graffiti, auch bekannt unter Urban Knitting ist sowohl eine Form der urbanen Kunst als auch des „weiblichen Taggens“. Nachdem Graffiti vom Untergrund zur Institution wurde, eroberten die taggenden Strickerinnen mit Graffiti-Strickwaren den Asphalt der großen Megastädte und anderer französischer Großstädte. Ein Tag ist ein Graffiti, das nachgezeichnet oder gemalt wird und sich durch eine schriftähnliche Grafik auszeichnet, die ein Zeichen darstellt. Lady Pink ist beispielsweise eine New Yorker Taggerin, die 2010 von der Fondation Cartier pour l’art contemporain in Paris in ihrer Ausstellung „Né dans la rue-Graffiti“ hervorgehoben wurde. Historisch gesehen war das Taggen vor allem Männersache, aber das hat sich mit LizaFrenchPaint, Lady K. sowie Nake geändert. Eine vergleichbare Methode, sich die Gemeinden anzueignen, ist das Strick-Tag, bei dem ein weiblicher Archetyp verwendet wird.

Der ursprüngliche Artikel „Le tricot graffiti, une forme de tag féminin“ ist von Monia Douib und erschien 2021 auf der französischen Seite von Urbanauth.

Beim Graffiti-Knitting werden verschiedene Garne mithilfe von Nadeln zu Strängen und Maschen verknüpft. Außerdem kann Graffiti-Knit mit anderen Techniken wie Häkeln, Wickeln, Weben und Tapezieren ergänzt werden.

Zu Beginn gehörte das Stricken zu den Arbeiten von Damen. Es war der Bereich der familiären privaten Sphäre. Doch bereits in den 1970er Jahren werteten zeitgenössische Künstlerinnen diese Damenhandarbeiten auf, indem sie sie wiederverwendeten und für künstlerische Zwecke zweckentfremdeten. So auch die französische Künstlerin Annette Messager mit dem Werk „Les pensionnaires“ (1971-1972) sowie Rosemarie Trockel mit ihren „Wool works“ Mitte der 1980er Jahre. In ähnlicher Weise ist auch das Strick-Graffiti eine Form der Stadtkunst. Allerdings gehört Strick-Graffiti nicht in die Museen der Metropolen, sondern auf die Straße.

Strick-Graffiti in der Stadt La Rochelle, Frankreich (Urbanauth/ VG / 2020)

Urban Knitting als städtische und internationale Kunstbewegung

Urban Knitting ist aus diesem Grund eine Straßenkunstbewegung, für die sich der Kunstmarkt später sicherlich interessieren könnte. Oft ist es illegal, Mobiliar und Stadtlandschaften ohne Genehmigung der Behörden zu bedecken oder zu beschmieren.

Angeblich wurde diese Kunstbewegung „offiziell“ 2005 in Houston, USA, von Magda Sayeg gegründet, die den Türgriff ihres Wollgeschäfts mit Strickzeug verkleidet hatte.

Auf diese Weise hat sie die Kunst des Strickens demokratisiert. Seitdem kann jeder mit Hilfe von Tutorials, die er im Internet findet, es ihr gleichtun und die Straße schmücken und dekorieren. Dies ist der Höhepunkt des „do it yourself„, also des „Mach es selbst“, das seinen Ursprung in der Punk-Bewegung findet. Urban Knitting ist eine Kunstform, die zwischen Markierungen und Design angesiedelt ist. Strickende Taggerinnen verwenden sowohl Techniken aus dem Design- als auch aus dem Textilbereich mit einer künstlerischen Vision. So drücken sich die taggenden Strickerinnen mit Damenarbeiten aus und erobern die Städte.

Diese menschennahe Kunstbewegung verbreitete sich schnell in Europa und vor allem in London mit der „knit the city„-Bewegung, d. h. „Stricke deine Stadt“. Seitdem wurde dieses neue Konzept im Juni 2015 unter dem Begriff „yarn bombing“ in das English Oxford Dictionary aufgenommen.

Wie sich Urban Knitting auf die Stadtbewohner auswirken

Wenn man einen Pfosten berührt, ist er kaltes Metall und hat nichts Menschliches an sich. Wenn man ihn aber in eine gestrickte Hülle packt, behält das Gestrick die Erinnerung an eine Hand. Es gibt eine Beziehung zum Menschlichen. Es wird eine Beziehung aufgebaut. Man weiß, dass es eine Spur von Menschlichkeit gibt„, so Magda Sayed.

Straßenstrickerinnen kleiden Megastädte ebenso wie überschaubarere Großstädte ein. Auf diese Weise erwärmen sie die Herzen der Einwohner. In sehr großen Gemeinden, in denen der Individualismus vorherrscht, ermöglicht dies den Passanten, sich die menschliche Wärme der Wollknäuel ihrer Großmütter vorzustellen und sich an sie zu erinnern. Es ist eine Geste der Solidarität für alle. In der Tat ist Stahlbeton kalt und diese Städte sind grau. Indem sie die Stadtlandschaft mit Fäden markieren und personalisieren, gestalten sie die Stadt als “ Work in Progress“.

Die Stadtbewohner freuen sich, wenn sie das sehen, und beginnen ganz natürlich zu lächeln. Sie reagieren positiv auf den Anblick dieser Ausdrucksform. Das macht die Stadt attraktiver und die Atmosphäre freundlicher.

Es geht auch darum, mit Farben Freude und gute Laune zu verbreiten und sich die Stadt durch das Verzieren von Stadtmobiliar wieder anzueignen„, so Katheline Santisteban, die Leiterin der Tricothèque de Maurepas.

Jeder bemerkt diese urbanen Kreationen und die Originalität der Künstlerinnen. Es ist bunt, technisch, sonnig und fröhlich. Es ist eine gute Möglichkeit, den Bürgern die Lebensfreude zurückzugeben. Es verleiht unseren Stadtkernen Originalität in einer Geste der Solidarität. Auf diese Weise kann die Stadt Charakter haben. Die Bürger beteiligen sich an diesen punktuellen städtischen Ereignissen.

Attraktive Projekte rund um Urban Knitting und Strick-Graffiti im Herzen der Städte

Strick-Graffiti im City Square von Melbourne, Australien (Jade Craven/Licence istock photo/https://jadecraven.com/)

Deshalb gibt der Staat solche Werke in manchen Fällen bei Künstlern in Auftrag und lässt auch Bürgerin*innen in Nachbarschaftsvereinen an solchen Großprojekten stricken. Ob in den großen Hauptstädten oder in anderen Städten, ob mittelgroß oder klein, alle machen mit.

Beispielsweise hat die Stadtverwaltung des elften Arrondissements von Paris im Jahr 2017 das Sommerfestival „Onze bouge“ ins Leben gerufen. Die teilnehmenden Bewohner des elften Pariser Arrondissements verabredeten sich einmal im Monat und markierten den Place Léon Blum mit Strickwaren. Das Rathaus des elften Arrondissements öffnete diese partizipative Veranstaltung für Strickerinnen oder Stricker, Anfängerinnen und Anfänger sowie Omas. Der Künstler und Blogger Zak koordinierte all diese Teilnehmer. Sie griffen auf gespendete Wolle zurück. Ein Fadenstrich, ein Hauch von guter Laune für die Stadt. Es macht die Städte menschlicher!

Es ist Balsam für die Seele, solche Akte der Solidarität zu sehen. Ich persönlich finde, dass es mehr solcher Projekte geben sollte. Denn ob meine Freunde oder ich, es macht uns glücklicher zur Arbeit zu gehen, wenn man bedenkt, wie viel Stress wir in der Stadt haben. Ehrlich gesagt, wenn ich sehe, wie sich Franzosen zusammenschließen, um Farbe in die Stadt zu bringen, macht mir das Mut„, so Marie Justine.

Es ist schade, dass Urban Knitting nicht weiter verbreitet ist und dass sie kurzlebig bleibt. Dies ist auf die Zerbrechlichkeit der Materialien zurückzuführen. Aber wenn die kulturellen Institutionen solche Werke in ihre Reihen aufnehmen, werden die Restauratoren und Konservatoren über die nötigen Kompetenzen verfügen, um ihren Bestand zu sichern. Die Zukunft dieser urbanen Kunstbewegung wird es zeigen.

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