Entdecke den Grüngürtel und Parkwanderweg der „Coulée verte René-Dumont“ von Paris. Stell dir vor, du begibst dich auf eine Expedition und durchquerst den zwölften Bezirk der französischen Hauptstadt. Eine Reise durch die Stadt.
Der Parkwanderweg der Coulée verte Renée Dumont ist eine einzigartige städtebauliche Schöpfung in Europa. Dieser wurde auf einerehemaligen Eisenbahnlinie gebaut und ist Teil des Eisenbahnerbes der Stadt Paris. (Urbanauth / Douib Monia / 2020)
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Der Grüngürtel René-Dumont von Paris : Ein wiederbelebtes Eisenbahnerbe als Parkwanderweg
In den 1970er Jahren begann der Umbau. Viele Architekten arbeiteten an diesem Projekt zusammen, wie zum Beispiel Philippe Mathieux, Andréas Christo-Foroux, Patrick Berger, Pierre Colloc, Vladimir Mitronoff, sowie dem Landschaftsarchitekt Jacques Vergely.
1983 wurde im Rahmen der Neugestaltung des Pariser Ostens eine bepflanzte Promenade angelegt. Mit der Coulée verte Renée Dumont genießen die Bürger der Stadt einen ganz besonderen Erholungsort. Der Parkwanderweg wurde sieben Meter über dem Boden entworfen. Diese Höhe erlaubt es den Besuchern, die Pariser Architektur zu betrachten, während sie spazieren gehen und einen Panoramablick über Parisgenießen.
Zum Europatag gab der Pariser Stadtrat bei dem Künstler Nicolas Scauri, alias Skio, ein Streetart-Werk in Auftrag. Nach den Malern Paul Veronese, Tizian und Giambattista Tiepolo interpretierte Skio seinerseits den griechischen Mythos der Entführung Europas. Europa ist eine phönizische Prinzessin, der sich Zeus näherte und sie verführte, indem er sich in einen Stier verwandelte. (Urbanauth / Douib Monia / Paris / 2020)
Die Stadt-Mensch Beziehung
Urbanauth als Bildungsprojekt hat zur Aufgabe, die Stadt-Mensch Beziehung zu untersuchen. Die Stadt-Mensch Beziehung ist eine Ontologie des Urbanen. Da diese Beziehung komplex ist und aus mehreren Dimensionen besteht, haben wir diese in drei thematische Hauptkategorien, sowie geografische Komponenten gegliedert. Hier entdeckst du mehr zur Stadt-Mensch Beziehung…
Wo befindet sich der Grüngürtel der Coulée verte René-Dumont in Paris?
Der Parkwanderweg von Paris durchquert den zwölften Bezirk, von der Place de la Bastille bis zur Porte de Vincennes. Diese ehemalige öffentliche Verkehrslinie aus dem Jahr 1859 verband Paris mit Straßburg und endete an Bastille. Im Wettbewerb mit der RER A-Zuglinie brach diese ein Jahrhundert später zusammen.
Die Coulée verte René-Dumont kann über Stege, Treppen oder Aufzüge erreicht werden. Die Besucher können dann unter kleinen Tunneln hindurchgehen und den Weg der Gärten Hector Malot oder Charles Peguy sowie den Reuilly-Rasen überqueren. So ermöglichen der Fußgängerübergang und der Radweg, sowohl ein Publikum als Familie als auch Sportler zu empfangen.
Grüner Rasen und eine Fußgängerbrücke: der Grüngürtel René-Dumont in Paris. (Urbanauth / Douib Monia / Paris / 2020)
Der Grüngürtel René-Dumont in Paris erfindet sich selbst
Streetart und urbane Kunst. Der Grüngürtel liegt inmitten einer hoch urbanisierten Zone. Da darf Kunst natürlich nicht fehlen! Der französische Künstler Stéphane Nedellec, alias Ned, hat ein Fresko „Soleils d’énergie“ (Sonnenernergie) mit Schablonen auf die Wand in der Rue du Sahel 36 gemalt. Zusammen mit Stéphane Carricondo und Jerk45 gründete er das Kollektiv 9e Concept. Sein künstlerisches Universum ist reich, wimmelnd und bewegend. Alltägliche Gegenstände treffen auf eine fantastische, märchenhafte Welt voller imaginärer Figuren „nedelleyens„. Bretonischer Herkunft assoziiert er keltische Symbole mit Stammeszeichen. Er ist ein bildender Künstler, der fotografiert, zeichnet und malt. Seine Figuren bewegen sich zwischen Realismus und Abstraktion. Inspiriert vom Mittelalter baut er Medaillons und malt Ornamente, verschränkt Flammen, Arabesken und Friese und formt neue Wappen. Er verschmilzt Motive mit Bannern, Luftschlangen, Transparenten und magischen Siegeln. (Urbanauth / Douib Monia / Paris / 2020)
Heute erfindet sich der Parkwanderweg neu. Die lokale Biodiversität wird respektiert. Einige Teile des inneren Gürtels sind Reservoirs von Flora und Fauna. Die coulée verte René-Dumont liegt in der Nähe von Wäldern, großen Parks, der Seine und Kanälen. Letztere ist Teil eines ökologischen Netzwerks. Spaziergänger durchstreifen dieses Gebiet, sowohl Eisenbahn- als auch Stadtgebiet, um zu flanieren, zu laufen, sich zu entspannen oder zu erholen. Seit 2017 arbeiten die Pariserinnen und Pariser gemeinsam daran, die Zukunft des Ortes neu zu definieren und sein Potenzial weiterzuentwickeln.
Generell prägt der Grüngürtel René-Dumont, als eine erholsame neue Grünfläche von Paris. In der Tat eröffnet diese Stadtlandschaft neue Perspektiven für die Pariser Bürger, die von einer qualitativ hochwertigeren Fläche träumen. Die Aufwertung des Ortes ermöglicht eine untypische Erfahrung in einer städtischen Umgebung, in der sich Menschen treffen, die leidenschaftlich an Bedeutung interessiert sind. Dieses Konzept eines grünen Stadtpanoramas ist eine Quelle der Inspiration für fremde Länder. In den 1990er Jahren schufen die Amerikaner zum Beispiel den New Yorker High-Line Park nach einem ähnlichen Ansatz wie den Grüngürtel in Paris.
Ein Parkwanderweg und öffentlicher Erholungsort inmitten von Paris
Die Stadt Paris hat einen partizipativen Haushalt geschaffen, der den Pariser Bürgern vorschlägt, über die Verwendung von 5% des Investitionsbudgets zwischen 2014 und 2020, d.h. einer halben Milliarde Eurozuentscheiden. Nach der Phase der Projekteinreichung und -abstimmung werden die Kandidaten zu Co-Konstruktions-Workshops eingeladen, um ihre Ideen in realisierbare Projekte zu verwandeln.
Im Jahr 2017 wurde mit 886 Stimmen und einem Budget von 100.000 Euro ein Projekt zum „René-Dumont Green Casting“ ausgewählt. Das Hauptziel bestand darin, gemeinsam über die Zukunft von Paris nachzudenken, genauer gesagt, in diesem Beispiel des Grüngürtelabschnittes René-Dumont.
Ziel dieses spezifischen Projekts war die Modernisierung der Grünfläche in ihrer Nutzung für Veranstaltungen sowie ihrer landschaftlichen und ökologischen Vorzüge, indem einerseits permanente Hängesysteme geschaffen wurden, die die Nutzung bei Veranstaltungen begleiten, die Tunnelbeleuchtung verbessern und das Mobiliar an den Komfort der Benutzer und den landschaftlichen Aspekt der Grünfläche anpassen.
Der Original-Artikel ist von Monia Douib in Französisch, 2019 erschienen. Die Übersetzung ist von Vincent Göhlich.
Gesellschaftskritik im Streetart in Frankreich. Verschiedene Künstler trafen 2019 zusammen, um gesellschaftskritisches Streetart zum Kontext der Gilets Jaunes zu gestalten. Die Bewegung der französischen Gelbwesten hat 2018 das Land überrumpelt und eine Fraktur in der Gesellschaft zutage gebracht. Ein Jahr später nutzte die Graffiti und Streetart-Szene die Gelegenheit, „der Straße eine Stimme zu verleihen„. Und so war der Andrang groß, als das Black-Lines Kollektiv im Mai des darauffolgenden Jahres zur Jam einlud. Die entstandenen Straßenkunstwerke – inzwischen lange vergangen – gingen auf die Probleme in der französischen Gesellschaft ein. Urbanauth hat für euch in diesem Kontext eine Perle gesellschaftskritischer urbanen Kunst analysiert.
Spätestens ab den urbanen Unruhen vom 1. Dezember 2018, solidarisierte sich ein Teil der französischen Bürger mit der Sozialbewegung. Benzinsteuer, Bürgerreferenden, Überwachung, Polizeigewalt und französische Medienlandschaft: zu kritisieren gab es genug. Raumaneignung und Graswurzel-Protest war die Antwort. Die Raumaneignungsprozesse waren vielfältig. Sei es bei unangemeldeten Demos mit bunten Schildern, Verkleidungen und Schriftzügen auf den gelben Westen – oder Taggs an den Wänden und brennendem Mobiliar auf dem Boulevard.
Paris: Der 1. Dezember 2018 unter den Gilets Jaunes
Der 1. Dezember 2018 der Gilets Jaunes wird Frankreich lange in Erinnerung bleiben. Urbanauth hat an diesem Tag die urbanen Unruhen in Paris dokumentiert. Weiterlesen »
Die Zusammenkunft der Künstler aus der Graffiti- und Streetart-Szene fand im Mai 2019 statt. Auf der 300 Metern langen Graffiti Hall of Fame von Paris an der Rue Ordener wurde ordentlich gemalt! Urbanauth gibt euch eine Interpretation der (bereits vergangenen) Straßenkunstwerke!
Die Graffiti Hall of Fame von Paris
Frankreich. Im Norden der französischen Hauptstadt befindet sich neben einer Bahntrasse die Graffiti Hall of Fame von Paris, Rue Ordener. Black Lines hatte die Wände im Mai 2019 gestaltet. Hier erfährst du alles über den Ort urbaner Kultur. Graffiti und Streetart inklusive! … Weiterlesen »
Gesellschaftskritik im Streetart: „Black Lines“ interpretiert die Gilets Jaunes Bewegung
Eine Frau läuft mit ihren Einkäufen die Graffiti Hall of Fame von Paris an der Rue Ordener entlang. Auf der Mikrowelle ist es 13:12 Uhr. Möhren mit Namen der großen kommerziellen schmoren, während der Schriftzug besagt: „Die Medien leben, wenn die Straße stirbt. Das ist eine Information und kein Gerücht!“ (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
Zu Beginn des Jahres hatte Black Lines bereits eine erste lange Wand mit verschiedenen Künstlern gestaltet. Damals war das Leitthema „Hiver jaune„, welches gelber Winter bedeutet. Jedoch reagierte die Verwaltung des 19. Bezirks der Stadt schnell und ließ die Wand grau überstreichen. Eines der Bilder, welches damals Polemik schürte, war die Freske des Boxers Christophe Dettinger, das von dem Künstler Skalp realisiert wurde. Dettinger hatte auf einer Brücke in Paris die Polizei mit Fausthieben zurückgedrängt.
Raumaneignung
Raumaneignung ist ein Dachbegriff für die verschiedenen Formen des Aneignung von städtischen Lebensräumen. Ob Graffiti, Obdachlosigkeit oder Demonstrationen, sie alle…
Das aussprechen, was Graffiti nicht schreibt: Gesellschaftskritik im Streetart
Wer wird sich hier verbünden? Das Streetart-Werk erinnert von der Komposition an die Öl-Malerei des letzten Abendmahles. (Foto: Urbanauth / VGO / 2021)
Die Handlung von der Stadt wurde von den Kunstschaffenden als Zensur wahrgenommen. Klar, dass sich dies die Künstler nicht gefallen ließen. In der Freske von Monsieur Plume /RC/OTMversammeln sich schwarz verhüllte Gestalten um einen Tisch, auf welchem ein rotes Buch liegt, nach dem eine Person zu greifen scheint. Die Gruppierung schwarz vermummter Gestalten geben den Anschein, als ob eine Verschwörung im Gange ist. Zum linken Rand liegt eine vereinzelte Sprühdose auf dem Tisch, während auf der anderen Seite ein Vermummter mit Schläger neben einer stehenden Person sitzt, die das Wort ergreift. Worüber diese Personen diskutieren ist nicht zu erfahren.
Das Straßenkunstwerk erinnert von der Komposition sehr an das letzte Abendmahl. Konspirativ und mysteriös schweigen diese Gestalten und sind seitdem auch schon vergangen, von unzähligen neuen Graffitis überdeckt. Dafür hebt sich ein leitendes Thema der Black-Lines Edition deutlich ab: Zensur und Meinungsfreiheit. Im folgenden mit dabei: Slyz, Bricedu, Torpe und Vince
Gesellschaftskritik im Streetart: Die Medienkritik
Schnell ein Foto mit diesem übertrieben, großen Kunstwerk. (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
Nicht zu übersehen: die Aussage zur Selbstzensur von Streetart-Künstler VINCE. Bei der Veranstaltung von Black-Lines wurden nur gesellschaftskritische Streetart Werke gestaltet. (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
„Garantiert ohne Barbara Streisand Effekt“ … oder vielleicht doch nicht?
(Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
Eine Frau läuft mit ihren Einkäufen die Graffiti Hall of Fame von Paris an Rue Ordener entlang. Auf der Mikrowelle ist es 13:12 Uhr. Möhren mit Namen der großen kommerziellen schmoren, während der Schriftzug besagt: „Die Medien leben, wenn die Straße stirbt. Das ist eine Information und kein Gerücht!“ (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
„Möge die Macht mit den nächsten Generationen sein“. Ein beunruhigendes Werk von Barth le Sablier. (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
„Im Fernsehen gesehen“, die „Fabrik des Konsens“ ist im vollen Gange. Kunstwerk vom Künstler Vince (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
In dem Meisterwerk des Pariser Sprühers Vince halten auf einer zehn Meter langen Fläche zwei Hände ein rotes Schild, auf dem „Autozensur“ geschrieben steht. Der Satz darunter besagt: „Diesmal wird es die Stadtverwaltung nicht wegmachen…„. Und spielt damit wohl auf die Aktion der Stadtverwaltung an, als die letzte Black Lines Zusammenkunft grau übermalt wurde. Unten rechts liest sich sarkastisch: „Angereichert an sozialer Kontrolle„. In der Bildserie ist die vollständige Größe der Freske zu sehen. Oben steht dabei: „Garantiert ohne Barbara Streisand Effekt„.
Beim Barbara Streisand Effekt handelt es sich um eine unerwünschte Information, deren Vertuschungsversuche nur dazu führen, dass die Information umso bekannter wird. Dieses Effekts bedarf es dabei bei diesem Kunstwerk nicht, denn: die Passanten reagierten alles andere als gleichgültig. Sie nutzten die Gelegenheiten, mit dem Straßenkunstwerk ein Selfie zu machen.
So sieht die Graffiti Hall of Fame von Paris an der Rue Ordener normalerweise aus: viele Blockbuster-Graffiti und Alteingesessene. Denn auch wenn an der Hall of Fame Rue Ordener das Sprühen erlaubt ist, so sind die Flächen in erster Linie den alten Crews (TPK, KO, UV, ABC, CKT) vorbehalten. (Foto: Urbanauth / VGO / 2021)
Das Verhalten der Medien gegenüber der Sozialbewegung wurde mehrmals kritisiert. Zwischen Sensations-Journalismus und kommerziellen Interessen. Der französische Mediewatchblog Acrimed bringt jedes Jahr in Zusammenarbeit mit der Zeitung „Le Monde diplomatique“ eine Karte der Medien heraus. Darin klären sie über die Inhaberschaften und Vernetzungen der Medienhäuser auf.
„Die Medien leben, wenn die Straße stirbt. Das ist eine Info, kein Gerücht!“
„Les Medias vivent quand la rue meurt. C’est une info, pas une rumeur !“ – gesellschaftskritische Streetart-Freske Black-Lines Jam 2019
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Gesellschaftskritik im Streetart: die französische Medienlandschaft
Eine Frau läuft mit ihren Einkäufen die Graffiti Hall of Fame von Paris an Rue Ordener entlang. Auf der Mikrowelle ist es 13:12 Uhr. Möhren mit Namen der großen kommerziellen schmoren, während der Schriftzug besagt: „Die Medien leben, wenn die Straße stirbt. Das ist eine Information und kein Gerücht!“ (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
Gesellschaftskritik im Streetart: Medienkritik.Die Frau auf dem Bild läuft an einem in dünnen schwarzen Linien gesprühten Fernseher vorbei. Ein Timer zeigt die Ziffern 13:12 an, während Drähte an der seitlichen Schale zu Dynamitstangen führen. Im Gerät liegen drei Karotten mit Namensschildern darunter: Eine für TF1, welche der Gruppe Bouygues gehört; eine andere für CNEWS, die in Verbindung zur Gruppe Bolloré steht; und die letzte geht an BFM(-TV). Diese drei Fernsehsender gehören privaten Investoren. Mit darunter versammelt die Crème de la Crème der französischen Wirtschaftselite: Vincent Bolloré, Martin Bouygues…
Gesellschaftskritik im Streetart in Frankreich, Black Lines stellt die Frage: Was wird aus der Meinungs- und Pressefreiheit?
Wurde die Meinungsfreiheit abgeschafft? Das Straßenschild, welches mit Stacheldraht umhüllt und von Kameras umgeben ist, verheißt nichts Gutes. (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)Die Zensur lodert wie ein Damoklesschwert… oder wie in diesem Fall eine Guillotine. Wir sind ja schließlich in Frankreich! (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)Gesellschaftskritisches Streetart in Frankreich: Auch die Meinungsfreiheit steht im Vordergrund der Gilets-Jaunes Bewegung.
Das Straßenschild „Platz der Meinungsfreiheit„, einem aufgeklebten Poster, ist auf dem linken Bild von Stacheldraht umgeben. Zwei Überwachungskameras deuten dabei sinnbildlich auf das Schild. Währenddessen hält ein kleiner, schelmisch lächelnder Bär darunter sitzend eine Granate in der Hand. Wann diese wohl in die Luft geht?
Deine Plattform für Urbanität
Urbanauth.de ist deine digitale Plattform über Urbanität und Urbanismus. Wir setzen uns mit der Stadt-Mensch Beziehung auseinander. Unter dem weit gefassten Begriff verstehen wir unsere Themenschwerpunkte Urbanismus, die politische Stadt und urbane Kultur. Wir schreiben international mit Schwerpunkt auf … Weiterlesen »
Bei der Guillotine, einer Erfindung aus den Zeiten der Französischen Revolution, handelt es sich um ein Fallbeil, mit dem unter anderem der König Ludwig XVI geköpft wurden. Dieses ist im linken Bild auf einen Bleistift gerichtet, auf dem der Name des veranstaltenden Vereins steht. Während die erste Graffiti-Jam unter dem Motto: „Gelber Winter“ von der Stadtverwaltung grau überstrichen wurde, liegt der Fokus dieser Jam auf der Meinungsfreiheit.
Die Künstler wurden in ihrer Ehre angegriffen – doch nicht nur vonseiten der Graffiti-Szene ist die Unzufriedenheit spürbar. In einem offenen Brief Anfang Mai 2019 rief das Kollektiv YellowSubmarine dazu auf, sich mit sozialen Protestbewegungen der Gilets Jaunes zu solidarisieren und nicht vor den Gewalttaten wegzuschauen. Das Kollektiv besteht aus Künstlern verschiedener Disziplinen. Ihre Petition verzeichnete über 27.000 Unterschriften.
Gesellschaftskritik im Streetart: Gilets Jaunes und Polizeigewalt
„Die Sprüher holen die Farbdosen – Der Staat den Kärcher“
„Les graffeurs sortent les bombes – l’état sort le Karcher.“by Slyz, Black-Lines Jam 2019
Schlagstock gegen Farbdose? Könnte weh tun! Kärcher gegen Lack? Na dann, viel Spaß
Der Künstler Slyze (rechts) spricht mit seinem Bild unter der Vorlage von Bsaz, die Polizeigewalt an. Auf diesem Straßenkunstwerk an der Hall of Fame ist ein Polizist zu sehen, welcher mit einem Knüppel auf einen Demonstranten einzuschlagen scheint. „Resistance“ steht auf seinem Rücken geschrieben. Die rote Banderole im Hintergrund, welche sich vor schwarzen Rauchschwaden emporhebt, sagt aus: „Die Sprüher holen die Farbdosen raus“ – Ein Aufruf, die Stadt in Farbe zu tauchen, und zivilen Ungehorsam zu zeigen? Auf dem unteren Schriftzug steht: „Der Staat holt den Kärcher raus„.
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Fakt ist, dass Putzkolonnen in den Stunden nach den Großdemonstrationen den öffentlichen Raum aufräumen. Am nächsten Tag verschwinden dabei bereits die ersten Taggs von den Wänden und Holzabschirmungen der Geschäfte und bilden Flickenmuster. Manche Straßenzüge werden dabei so sauber gehalten, dass binnen einiger Tage bereits alle Spuren ausdruckshafter Raumaneignungen verschwinden. Den Kärcher konnte Urbanauth dabei am Sonntag nach dem 16. März in Aktion sehen, als Arbeiterkolonnen die Schäden an den Champs-Elysees im Eiltempo zu reparieren versuchten.
Gesellschaftskritik im Streetart: Die Debatte über Gewalt
Gesellschaftskritik im Streetart: Eine Frau mit einer Fahne wird von Journalisten belästigt, die wissen wollen, ob sie die Gewalt im Zusammenhang mit der Gelbwestenbewegung kritisiert. Die Frau stellt die Ikone „Marianne“ dar, dem französischen Symbol der Revolution.
Auf dem linken Bild ist das Abbild einer Marianne zu sehen, welches von dem Künstler Torpe gestaltet wurde. Die Marianne ist eine Symbolfigur der Französischen Revolution. Das Gesicht grimmig, in einer Hand die französische Flagge und in der anderen ein Gewehr haltend, findet sie sich von Journalisten umringt.Geradezu verurteilend scheinen sie, wie sie fragen: „Die Gewaltausschreitungen, Verurteilen Sie sie?“ „Also die Gewalten, verurteilen sie die?“ „Verurteilen Sie die Gewalt„.
Dieses gesellschaftskritische Werk kann auch als Interpretation des öffentlichen Druckes auf die Demonstranten verstanden werden. Die freiheitsliebende Marianne gerät in Bedrängnis und hat sich vor den Medien für die Gewalt zu rechtfertigen. So kommt ihrer Meinung nach die schwerste Gewalt vom Staat selbst, in Form von physischer Gewalt: während den Demos oder in den Vororten, aber auch in psychischer Form: Wie etwa bei Kürzungen von Sozialhilfen, der Rente oder der Schließung von öffentlichen Institutionen und privaten Unternehmen. Dies führt zu der Wahrnehmung des „Ungehöhrt-Seins“ vonseiten der Politik.
Szenen von Polizeigewalt kannte man in Frankreich eine Zeit lang jeden Samstag. Gesellschaftskritik im Streetart in einer schwarz-weiß Freske. (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
Gewalt während der Sozialbewegung der Gilets-Jaunes: Eine kleine Fotoserie
Die all samstäglich wiederkehrende Gewalt auf den Demonstrationszügen ist ein großes Thema unter den Anhängern der Gilets-Jaunes-Bewegung. Um im Folgenden einen besseren Einblick in die gesellschaftskritischen Kunstwerke erhalten, eine kleine Fotoserie:
Die Gewalt, welche sich auf beiden Seiten abspielte, zeigt eine tiefe Fraktur in der französischen Gesellschaft.
Der unabhängige Journalist David Dufresne, welcher Zeugenaussagen und Videomaterial zur Polizeigewalt seit dem Beginn der Gilets-Jaunes Bewegung sammelt, kommt Ende Mai 2019 auf nicht weniger als 803 Verstöße. Und seitdem kamen immer wieder neue Fälle hinzu. Ende 2019 wird der französische Staat von 2500 verletzten Demonstranten während den Unruhen der Sozialbewegung sprechen.
Da ist aber jemand wütend: 600 Milliliter Neongelb ins Gesicht.(Urbanauth / 2019)
Und auch der Künstler, bei dem es sich möglicherweise um Koz1 handelt, scheint die Geduld mit dem Staat verloren zu haben. So stopft in Hip-Hop Kleidung sein wütender Affe einem karikaturesken Präsidenten eine 600- Milliliter High Pression-Sprühdose in den Mund. Natürlich in Neongelb. Das fetzige „GJ„-Graffiti im Hintergrund, die Initialen der Bewegung. Auf der vom malträtierten Staatsmann weg-wehenden Krawatte steht: „Kunst ist öffentlich. Marsch zurück.„ Das „En marche arrière“ nimmt dabei Gegenstellung zum Namen der regierenden Partei: „La République en marche“ (/LREM), welches näherungsweise mit „Die Republik in Bewegung“ übersetzt werden kann. Eine Ansage, die möglicherweise in Bezug zu den Kürzungen im Budget von Bildung und Kultur, sowie einer Degradierung der Arbeitsbedingungen in verschiedenen Arbeitssektoren zu tun hat.
Aber…
Jemand hat noch ein Wort mitzusprühen
Graffiti? Gilets Jaunes? – Okay
Aber hier? – Falsche Adresse
TPK, unter anderem bekannt als „The Poor Kids“ oder „The Psychopath Killers“ – eine der berüchtigtsten Graffiti-Crews der französischen Hauptstadt, waren nicht so ganz einverstanden mit Black Lines. Die Crewmitglieder: „Relax, Craze, Eby, Keas, Blod, eyone, Knyze, casos“vzeigten das wenige Tage später nach der Veranstaltung. Die Hall of Fame an der rue Ordener ist dafür bekannt, den alteingesessen Sprüher-crews zu gehören. Greenhorns und Fremde sind unerwünscht. Auch, wenn die Graffiti-Szene der Gilets-Jaunes Bewegung Nahesteht. Und die Stadt für sie samstäglich zum Spielplatz wurde, so sind die Wände an der Rue Ordener von hoher Bedeutung für die eingesessenen Crews. Thematisch passend wird dabei im ersten Bild in Gelb und nachlässigem Buchstabenstil über das Werk gesprüht. Die verschonte Botschaft besagt: „Die Revolution ist die Offenbarung eines Horizonts“.
The Poor Kids or The Rage Kids ?
Da ist wohl jemand nicht damit einverstanden, seinen Platz an der Graffiti Hall of Fame von Paris zu verlieren… Die TPK Graffiti-Crew in Aktion(Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
Eine Warnung vor der Epidemie. Verlassen Sie Ihr Haus nicht ohne Ihre gelbe Weste. Mit kreativen Wortspielen arbeitet der Künstler Adam Yuul. In Rot Wortspiele auf Krankheiten und den damaligen Ministern Castaner, Rugy und Pénicaud. (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
„Im Fernsehen gesehen“, die „Fabrik des Konsens“ ist im vollen Gange. Kunstwerk vom Künstler Vince (Foto: Urbanauth / VGO / 2019)
Auf dem zweiten Bild ist die Aussage des Künstlers Adam Yuul ebenfalls erspart geblieben. In roter Schrift warnt er vor drei Epidemien: Castagnitis, Rugyole und Penicose. Die erste ist auf Christophe Castagner, seines Zeichens Innenminister und Parteivorsitzender der LREM bezogen, während mit Francois de Rugy der Umweltminister und Muriel Pénicaud die Arbeitsministerin bezeichnet werden. Im Zusammenhang mit den Forderungen: Inneres – man denke an die Polizeigewalt und provisorischen Gewahrsame sowie Überwachung. Ökologie – welche Macron in seinem Wahlprogramm bewarb, ohne Erfolge vorzuweisen. Arbeit – eines der Grundmotive für die Entstehung der Gilets Jaunes ist die sinkende Kaufkraft in Verbindung mit den Löhnen und großen strukturellen Unterschieden im Land. Die Freske kann dabei als Kritik an den politischen Entscheidungen mancher Amtsträger verstanden werden, weswegen der Künstler abschließend warnt, nicht ohne die gelbe Weste aus dem Haus zu gehen.
Mit einem tollen Endergebnis hat das Black-Lines Kollektiv Gesellschaftskritik im Streetart bewiesen. Die Sozialbewegung der Gilets-Jaunes (2018-2019) offenbarte eine tiefe Fraktur in der Gesellschaft, welche die verschiedenen Künstler auf schöner Weise interpretiert haben. Black-Lines hat im Anschluss zu der Jam an der Graffiti Hall of Fame von Paris, Rue Ordener weitergemacht. Doch was sie noch zu sagen haben, gibt es wann anders zu erfahren.
Anmerkung: Die Schriftzüge und Zitate auf den Wänden wurden frei übersetzt und an das Deutsche angepasst. Die Bildinterpretation ist nur eine von mehreren möglichen Betrachtungswinkeln.
Frankreich. Der verhüllte Triumphbogen von Paris. Im posthumen Projekt von Christo und Jeanne-Claude, wurde der lebenslange Traum des Verhüllungskünstlers und seiner Frau verwirklicht und der Arc de Triomphe verhüllt. Urbanauth war für euch vor Ort!
Der verhüllte Triumphbogen von Christo: Über das Bauwerk
Gefürchtet von Autofahrern, geliebt von Touristen. In der Mitte eines riesigen, mehrspurigen Kreisverkehrs steht der Arc de Triomphe.
Urbane Kultur
Als Reisende der Städte lieben wir es neue Metropolen zu entdecken. Urbane Kultur leistet einen großen Beitrag zum Lebensgefühl von Urbanität. Hier findest du eine Auswahl unserer Artikel… Weiterlesen »
Der Arc de Triomphe ist ein Monument in Paris. 1806 begann unter Napoleon den 1. die Bauarbeiten. Die Fertigstellung sollte dabei über 30 Jahre dauern. Der Architekt Jean-Francois Chalgrin erdachte dieses Meisterwerk von ungefähr 50 Metern Höhe, 45 Metern Länge und 22 Metern Breite. Doch zu seinem Tode erstreckte es sich erst auf fünf Meter. Zwischenzeitlich musste die Baustelle auf Eis gelegt werden. Schlussendlich wurde der Triumphbogen 1836 fertiggestellt. In den urbanistischen Bedenken von Haussmann wurde der Triumphbogen zu einem zentralen Ort, zu welchem manche der ikonischsten Boulevards der französischen Hauptstadt führen.
Ursprünglich als Siegestor für die gewonnene Schlacht von Austerlitz konzipiert, wird der Arc de Triomphe inzwischen dazu genutzt, den Sieg im 1. Weltkrieg zu kommemorieren. 1920 wurde das „Grab des unbekannten Soldat“ eingeweiht. Ab 1923 wird dort die „Flamme du Souvenir“ („Flamme des Erinnerns“) entzündet. Der Arc de Triomphe ist ein Wahrzeichen des französischen Nationalstolzes. Während den Ausschreitungen in 2018 der Gilets-Jaunes-Bewegung kam es zu Bauschäden am Monument. Nun, 2021 wurde das Monument komplett verhüllt!
Das posthume Projekt von Christo: der verhüllte Triumphbogen
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Christo welcher am 31. Mai 2020 in seiner Wohnung in New York City verstarb, hatte mit seiner Frau Jeanne-Claude einen letzten Traum. Den Arc de Triomphe von Paris zu verhüllen. Diese Idee kam ihnen bereits 1961 und wurde kontinuierlich fortgeführt. 2019 erhielt Christo sogar vom französischen Präsidenten Macron grünes Licht für die Umsetzung. In dem posthumen Projekt wird der Wunsch des Künstlers vom 18. September bis zum 3. Oktober 2021 realisiert. Für Christo und Jeanne-Claude war es immer wichtig, ihre Kunst frei und für alle zugänglich zu machen. Dies ist ihnen mit ihrem posthumen Projekt gelungen.
Der Arc de Triomphe wurde in 25.000 m² recycelbarem blau-silbernem Polypropylengewebe gehüllt. Die Kosten des Projektes wurden dabei ausschließlich durch Eigenfinanzierung und ohne öffentliche Gelder finanziert. Hierzu wurden unter anderem Werke von Christo verkauft. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 14 Millionen Euro und ungefähr 1000 Menschen waren in der Umsetzung involviert. Nichtsdestotrotz bleibt die Aktion dennoch umstritten.
Federführend hinter der Umsetzung des posthumen Projektes ist Vladimir Yavachev. Für ihn ist das Herzstück von Christos und Jeanne-Claude’s Arbeit, eine, die der „reine Ausdruck ihrer Freiheit“ ist. Das Projekt wurde mithilfe der Stadt von Paris und dem Centre Pompidou umgesetzt.
Der verhüllte Triumphbogen von Paris by Christo und Jeanne-Claude (Foto: Urbanauth / VGO / 2021)
Christo’s Vorstellung vom verhüllten Triumphbogen beschrieb er wie folgt: „Es wird wie ein lebendiges Objekt sein, das sich im Wind bewegt und das Licht reflektiert. Die Falten werden sich bewegen und die Oberfläche des Denkmals wird sinnlich werden. Die Menschen werden den Arc de Triomphe anfassen wollen.„
Für die regierende Bürgermeisterin von Paris Anne Hidalgo ist das Werk eine Hommage an den kreativen Prozess und an die künstlerische Freiheit, die die traditionellen Grenzen der Bildhauerei und der Architektur überschreiten, um ein lebendiges Kunstwerk zu schaffen, das für jeden zugänglich ist.
„Das Projekt ist zu Ende!“: Christo’s und Jeanne-Claude’s posthumes Projekt ist zu Ende. Die letzten Installationen wurden entfernt und der Triumphbogen ist wieder gänzlich enthüllt. (Foto: Urbanauth / VGO / 2021)
Wirken und Schaffen von Christo und Jeanne-Claude
Der Künstler Christo ist 1935 in Gabrovo, Bulgarien geboren. Sein Leben ist von Reisen geprägt. So brachte ihn sein Weg unter anderem nach Prag, Wien, Genf, Paris und schlussendlich New York. In Paris lernte er seine Frau Jeanne-Claude Denat de Guillebon kennen. 2009 verstorben, spielte sie eine wichtige Rolle im Leben und Schaffen von Christo.
Die Verhüllung von Objekten, als Form urbaner Kunst.Christos Projekte wollten das Monumentale verdecken. Wenn auch nur zeitlich begrenzt, aber das Große musste sich dem Blick entziehen. Seine erste Installation mit seiner Frau Jeanne-Claude verwirklichte er 1961 in Köln („Dockside Packages“ & „Stacked Oil Barrels„). Eine seiner ersten Arbeiten, welche Aufmerksamkeit erlangte war die „Wall of Oil Barrels – The iron curtain“ in der Rue Visconti in Paris (1961-1962). Nach erfolglosem Versuch eine Genehmigung von den Behörden zu erhalten, wird das Projekt illegal durchgeführt. Mit Öltonnen errichtet Christo eine Barrikade auf einer Straße. Nachfolgend eine Liste der wichtigsten Werke von Christo und Jeanne-Claude:
„Wrapped Coast“ in der Nähe von Sydney (1968-1969)
Berlin. Letzte Woche schien es offiziell: aus der U-Bahn-Haltestelle Mohrenstraße soll die Glinkastraße werden. Das beschlossen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und verkündeten am 3. Juli 2020 auf Twitter die Umbenennung der Haltestelle Mohrenstraße in Glinkastraße.
Die Begründung liefert die BVG in der Pressemitteilung. Dort heißt es: „Als weltoffenes Unternehmen und einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt lehnt die BVG jegliche Form von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung ab.“
— Weil wir dich lieben (@BVG_Kampagne) July 3, 2020
Die GRÜNEN im Berliner Abgeordnetenhaus begrüßten die Einscheidung, da sich die Fraktion schon lange für eine Umbenennung eingesetzte. Schlussendlich liegt die Entscheidungsbefugnis alleine bei der BVG. Allerdings sitzen zwei Grüne Senatorinnen im Aufsichtsrat: Ramona Pop (Wirtschaft) und Regine Günther (Verkehr). Ramona Pop twitterte am 3. Juli nach der Entscheidung:„Mit der Umbennung des U-Bahnhofs Mohrenstraße in Glinkastraße setzt die #BVG ein klares Zeichen gegen Diskriminierung, genau richtig in unserer internationalen und vielfältigen Metropole #Berlin.„
Berlin und die umstrittene Glinkastraße. Wer war Michail Iwanowitsch Glinka?
Namensänderungen von Haltestationen der BVG – da kann man lange warten (Urbanauth / 2019 / Berlin-Wrangelkiez)
Wer sich darauf hin die Augen rieb, dass der russische Komponist Michail Iwanowitsch Glinka das verkörpern soll, für das die Mohrenstraße nicht steht, nämlich bedingungslosen Humanismus, Anerkennung von Differenz und Integration, war auf der richtigen Spur.
Rasch verbreitete sich ein Artikel aus der Jüdischen Allgemeinen, die dem Komponisten Antisemistismus nachweist. Glinka gehörte zum Kreis der russischen Komponisten, die sich für die Erneuerung der Musik als russische Nationalmusik einsetzte. Alle fremden Elemente, wie eben auch jüdische, sollten herausgehalten wurden. Identität und Einheit des russischen Volkes wollten die Komponisten mit reiner russischer Musik stärken.
Hatte die BVG nicht ausreichend recherchiert? War dies die einfachste Lösung, mit der man auch Gegner*innen der Umbenennung zufrieden stellen konnte? Warum wurden alle Initiativen ignoriert, die seit Jahren konkrete Vorschläge zur Umbenennung gemacht haben.
Anton Wilhelm Amo als Namensgeber: der erste Philosoph afrikanischer Herkunft in Deutschland
Was sprach gegen den Vorschlag des Bündnisses Decolonize Berlin e.V., dem eine Vielfalt von Organisationen angehören, u.a. Initiative Schwarze Menschen in Deutschland ISD-Bund e.V., NARUD e.V., AfricAvenir, Berlin Postkolonial e.V. und der Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)? War es lediglich der fehlende direkte örtliche Bezug? Decolonize Berlin e.V. setzt sich seit mehreren Jahren dafür ein, die Mohrenstraße und die gleichnamige Haltestelle nach dem ersten Philosophen afrikanischer Herkunft Anton Wilhelm Amo zu benennen. Amo, der ca. 1703 in Guinea, dem heutigen Ghana geboren wurde, wurde im Alter von vier Jahren Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel als ‚Geschenk‘ an den Hof gebracht. Ob der Herzog ihn selbst förderte ist nicht bekannt. Der erste Nachweis seiner Bildung findet sich im Immatrikulationsregister der Universität Halle. Dort findet man im Register von 1727 seine eigene Eintragung: „Ab Axiom in Guinea Africana“ (Anton Wilhelm Amo aus Axim im afrikanischen Guinea). Nach Studium und Promotion lehrt er in Halle und Jena und verließ Europa 1747/48. Vermutlich kehrte er nach Axim zurück.
In Berlin hat Amo nicht gelehrt und gelebt, der direkte örtliche Bezug ist also nicht vorhanden, so mag mancher argumentieren. Jedoch: Amo steht als Person symbolisch für alles das, was dem ‚Mohren‘ abgesprochen wird: Bildung, Intellekt, Mehrsprachigkeit, Humanismus, Kultur. Decolonize Berlin e.V. schreibt zu der BVG-Entscheidung am 4. Juli 2020: Mit der Umbenennung in Glinkastraße „würde die BVG den kolonialhistorischen Bezug des Ortes auslöschen und ihre Chance für die Ehrung einer Persönlichkeit afrikanischer Herkunft im Berliner Stadtbild bewusst ausschlagen.“
Richtungsänderung? Doch keine Haltestelle Glinkastraße
Inzwischen sind die Stimmen der Kritiker*innen bei der BVG angekommen. Und so postet die BVG am 7. Juli, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei und man offen über andere Namen sprechen könne. Eine Einschränkung gibt es; „Wir müssen uns bei den Stationsnamen an den örtlichen Gegebenheiten orientieren und können uns nicht einfach einen Namen ausdenken.“
— Weil wir dich lieben (@BVG_Kampagne) July 7, 2020
Auch die grüne Wirtschaftssenatorin rudert zurück: eine Umbenennung sei grundsätzlich positiv zu sehen. Auf den Namen wolle sie sich nicht festlegen, wird Ramona Pop in der Berliner Morgenpost zitiert.
Martin Dibobe – ein Kameruner in Berlin
Der Berliner Wedding ist für sein afrikanisches Viertel bekannt. Doch auch dort ist so mancher Straßenname umstritten. Symbolbild (Urbanauth / 2020 / Berlin-Wedding)
Es bleibt ein Dilemma: Wenn die Mohrenstraße bereits in Anton Wilhelm Amo-Straße umbenannt wäre, wäre die Bedingung der ‚örtlichen Gegebenheiten‘ auf die bei der Umbenennung der Haltestelle Bezug genommen werden muss, erfüllt. Hier wäre die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte zuständig. Solange sich deren Abgeordnete nicht für eine Umbenennung entscheiden, bleibt die Umbenennung der Haltestelle Mohrenstraße ein Balanceakt.
Dennoch bleibt zu hoffen, dass die BVG ihre Entscheidung rasch überdenkt, sodass eine Umbenennung nicht wieder jahrelang verschleppt wird. Ein neuer Name für die Haltestelle Mohrenstraße wäre ein wichtiges Signal, dafür, dass es die BVG ernst meint, ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen.
Ein Alternativvorschlag: Haltestelle Martin Dibobe
Einen Vorschlag zur Umbenennung, mit dem ein direkter Bezug zu Berlin hergestellt wird, lieferte die Jüdische Allgemeine in ihrem Artikel gleich mit: „Warum benennt Ihr den Bahnhof nicht nach Martin Dibobe, den von 1902 bis 1919 erste Berliner Zugführer afrikanischer Herkunft?“
Dibobe wurde 1876 in Bonapriso (Kamerun) geboren. Nach Berlin kam er 1896 als ‚Ausstellungsstück‘ zur Berliner Gewerbeausstellung. Im Treptower Park wollte man damals den weißen Berlinern das Leben in den Kolonien näher bringen. Menschen aus den Kolonien wurden wie Tiere im Zoo den Besuchern vorgeführt.
Dibobe blieb in Berlin, wurde Schlosser, heiratete eine Berlinerin und wurde schließlich Zugführer bei der Berliner Hochbahn. Nachdem Deutschland nach dem 1. Weltkrieg seine Kolonien abgeben musste und Kamerun an Frankreich zurückfiel, wollte Dibobe zurück in sein Geburtsland. Die Reise dorthin hat er angetreten, kam aber nie dort an. Man vermutet, er ist in Liberia gestorben. Eine Umbenennung der Haltestelle könnte der kolonialen Geschichte Deutschlands ein Gesicht geben und uns mahnen, ihre Auswirkungen auf das Zusammenleben der Berliner*innen heute nicht zu vergessen.
Am Donnerstag, dem 31. Oktober 2019 gab die französische Regierung in Anwesenheit des Premiers und Innenministers ihren Aktionsplan für das Departement Seine Saint-Denis bekannt. Neben einem Geldumschlag für treue Beamte: verschiedene Ansätze, um den Regierungsbezirk mit der Nummer 93attraktiver zu gestalten.Die 23 Maßnahmen gruppieren sich dabei um fünf Kernthemen: Attraktivität, Sicherheit, Bildung, Gesundheit sowie Justiz. Die Bilder des Artikels wurden in den Vororten Saint-Denis Pleyel sowie Saint-Ouen aufgenommen.
Ein Aktionsplan mit 23 Maßnahmen soll den Gebiets-spezifischen, gesellschaftlichen Ungleichheiten entgegenwirken
Der Vorort Saint Ouen: Zwischen Wohnblocks aus einer anderen Zeit und ambitionierter neuer Architektur. (Urbanauth / 2020 – 2019)
Mit auf zehn Jahre verteilten Subventionen kommt die französische Regierung der Seine Saint-Denis entgegen. Um der Kriminalität entgegenzuwirken, soll dabei das Polizei-Effektiv ab nächsten September um 100 Polizisten aufgestockt werden. Insgesamt 50 weitere Stellen folgen außerdem bis zum Halbjahr 2021. Die Kommunen La Courneuve und Saint Ouen bekommen dasselbe Effektiv für sich zugewiesen. Die Polizeistationen in Aulnay-sous-bois und Epinay-sur-Seine sollen dabe für 30 Millionen Euro wieder instand gesetzt. Doch auch die Kameraüberwachung in der gesamten Seine Saint-Denis wird weiter ausgebaut werden. Verglichen mit einer Bevölkerungszahl von über eineinhalb Millionen Einwohnern und wiederkehrenden urbanen Unruhen, wissen diese Maßnahmen nicht alle zu überzeugen.
In einem Interview mit France3 befürwortet Patrice Bessac, der Bürgermeister von Montreuil, den Aktionsplan zunächst. Jedoch machte er klar, dass der Kern des Problems die territorialen Ungleichheiten sind. So seien ihm zufolge 70 % der angestellten Lehrer frisch diplomiert, während der nationale Durchschnitt bei 20 % läge. Zum Thema Sicherheit merkte er an, dass der Bevölkerung deutlich weniger Polizisten zur Verfügung stünden, als dem direkt anliegendem 18. Arrondissement von Paris. Dieses ist eines der bevölkerungsdichtesten Viertel der Hauptstadt und grenzt an das Departement der Seine Saint-Denis an. Mit einer mehr als doppelt so großen Fläche, ist es zugleich ein Gebiet mit hohen Kriminalitätsraten.
Ansätze um die Seine Saint-Denis attraktiver zu gestalten
Der Turm Pleyel in der Seine Saint Denis. In der angrenzenden Straße findet sich ein wohn-untaugliches Gebäude. (Urbanauth / 2019)
Um die Attraktivität in dem Gebiet zu erhöhen, sind einige Maßnahmen vorgesehen. Treueprämien von bis zu 10.000 Euro für Beamte und ein erleichterter Zugang zu Wohngeldansprüchen. Der Umzug der Unterpräfektur in eine ehemalige Filiale der Banque de France wird dabei mit in die Maßnahmen einbezogen. Ohne jedoch die Kosten zu nennen.
Um den gebietspezifischen Problemen der „Taudis“ entgegenzutreten, sollen fünf Vollzeitstellen geschaffen werden. Als solche werden im Volksmund Wohneinheiten bezeichnet, welche sich in solch mangelhaften Zustand befinden, dass sie nicht vermietet werden dürften. Diese Angestellten der Stadt sollen sich darum kümmern, gemeldete Gebäude auf ihre Konformität zu überprüfen. Ein Problem das nicht nur die nördlichen Banlieues von Paris betrifft, sondern auch Städte wie Marseille oder Perpignan.
Förderung des Bildungs- und Gesundheitssektor, um den strukturellen Ungleichheiten der nördlichen Vororte längerfristig effektiv entgegenzuwirken?
Der Bildungsbereich stellt mit der Schaffung von 500 Anstellungsversprechen einen besonderen Schwerpunkt dar. Dies gilt für Einsteiger in unterbesetzten Berufsgruppen, wie Lehrer und Ärzte. So sollen hierfür jährlich zwei Millionen Euro Unterstützung fließen. Aber auch im Bereich der Gesundheit greift der französische Staat in die Kasse.
Zehn Millionen Euro pro Jahr sind dabei für besonders fragile Bevölkerungsgruppen eingeplant. Diesen soll der Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen erleichtern werden. Die Krankenhäuser in Montreuil, Ville Evrard und Aulnay will man teilweise oder vollständig sanieren bzw. modernisieren. Einrichtungen in Raincy-Montfermeil und Bobigny werden dabei umstrukturiert, um besser auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen zu können. Dem folgen ebenfalls Investitionen in technische Ausstattungen, wie zum Beispiel Tomografiegeräte. Eine Besonderheit die dabei auffällt: die Förderung von angehenden Ärzten. So soll die Anzahl der Praktikumstutoren für allgemeinmedizinische Praktika auf 213 verdoppelt werden. Außerdem erklärt sich der französische Staat bereit, die Kosten für die Ansiedlung neuer Arztpraxen in Teilen bis vollständig zu übernehmen.
Der Artikel wurde am 15.03.2020 überarbeitet. – dies beinhaltet die mobile Optimierung – sowie ersetzte Artikel Bilder
Die Bilder des Artikels wurden von Vincent / Urbanauth 2019 / 2020 aufgenommen.
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