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Mexiko-Stadt: Ikonografie des öffentlichen Verkehrs

Mexiko-Stadt: Ikonografie des öffentlichen Verkehrs

Das öffentliche Nahverkehrssystem von Mexiko-Stadt ist ein symbolträchtiges Verkehrsmittel, das über 50 Jahre alt ist. Es wurde im September 1969 gebaut. Derzeit verfügt es über 195 Stationen, die auf 12 Linien verteilt sind und befördert täglich 5,5 Millionen Menschen. Anhand der Ikonografie des öffentlichen Verkehrs von Mexiko-Stadt zeigt unsere Autorin Sofia Villareal die Bedeutung von Design für die Barrierefreiheit. Folgender Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen.

Eine Ikonografie des öffentlichen Verkehrs von Mexiko-Stadt

Ikonografie öffentliche Verkehrsmittel Mexiko-Stadt Design Beschilderung Symbole U-Bahn Linien und Bedeutung: Heuschrecke, Säule, Aquädukt, Äpfel, Kanone, Ente, Fontäne, Kopfschmuck
Visuelle Erklärung zur Logo-Gestaltung der verschiedenen U-Bahn Linien von Mexiko-Stadt (Urbanauth / SVI / Mexiko-Stadt / 2021)

Die öffentlichen Verkehrsmittel von Mexiko-Stadt bestehen aus einem Verkehrsnetz von 226 Kilometer Gleisen, welche sich in alle Himmelsrichtungen der Metropole erstrecken. Ein einfaches und leicht verständliches Navigationssystem ist daher eine wesentliche Voraussetzung für eine barrierefreie Nutzung der Verkehrsmittel. Der Designer, der mit der Gestaltung des gesamten grafischen Erscheinungsbildes der U-Bahn beauftragt wurde, war der Nordamerikaner Lance Wyman. Bekannt ist Wyman auch für das Logo der Olympischenn Spiele 1968, welches er entworf.

Ziel der Ikonografie von Mexiko-Stadt war es, die Nutzer innerhalb des öffentlichen Personennahverkehrssystems zu führen. Wyman entwarf die gesamte Beschilderung, einschließlich der Typografien, Hinweise und Symbole für jede Station, wobei die Namen geografische, kulturelle oder historische Bezüge zu den jeweiligen Orten aufweisen. Das Ergebnis ist eine grafische Identität, die bis heute Bestand hat und zu einem Schlüsselelement der Ikonografie von Mexiko-Stadt geworden ist.

Wie man sich in der U-Bahn von Mexiko-Stadt zurechtfindet

Unter der Prämisse, das U-Bahn-Signalsystem zu erkunden, bin ich durch 16 Stationen auf 5 verschiedenen Linien gefahren. Die Hypothese war, dass das System genügend Informationen liefert, um sich darin zu bewegen, die Linie zu wechseln und die richtige Richtung einzuschlagen. Meine Expedition basierte auf einigen Fragen, auf die ich die folgenden Antworten fand:

Sind die U-Bahn-Stationen von der Straße aus leicht zu erkennen?

ikonografie öffentliche Verkehrsmittel Mexiko Stadt Metrostation Freiluft wartende Menschen Sommer Stadtlandschaft Hochhäuser
U-Bahn Beschilderung Eingang von der Straße (Urbanauth / SVI / Mexiko-Stadt / 2021)

Die Beschilderung außerhalb der U-Bahn-Stationen von Mexiko-Stadt ist gut sichtbar. Es besteht aus einem Schild, auf welchem das Metro-Logo zu sehen ist und auf die Art des Verkehrsmittels hinweist. Dann erscheint das Logo der Station mit der Farbe der Linie. Jede der 12 Linien hat eine andere Farbe. Drittens zeigt ein Pfeil an, wo sich die Station befindet. Wenn man sich dem Eingang nähert, zeigt ein weiteres Schild die Nummer der Linie und den Namen der Station an.

Das Anzeigesystem basiert dabei auf drei Arten von Sprache: Schrift, Farben und Symbole (Logo, Zahlen und Pfeile). Auf diese Weise können auch Menschen, die nicht lesen können, Möglichkeiten finden, die Stationen zu erkennen. Bis hier ist also der Wegverlauf klar verständlich!

Was zeigen Karten über die nahe Umgebung des Bahnhofs?

Für das Umfeld außerhalb des Bahnhofs werden zwei Arten von Informationen durch Karten auf Stadtteilebene bereitgestellt: Sehenswürdigkeiten und weitere Verkehrsmittel.

Die Plätze von öffentlichem Interesse, werden durch grundlegende Symbole dargestellt, wie z. B. Banken, Krankenhäuser und Schulen. Diese werden durch das Logo des Bahnhofs ergänzt, sodass sie im Allgemeinen leicht verständlich sind.

Bei den Verkehrsmitteln wird ein Diagramm verwendet, das alle Stationen der Linie mit ihrem Logo zeigt. Über jedem Logo befinden sich Symbole anderer Verkehrssysteme sowie eine Zahl, die angibt, um welche Linie es sich handelt (und welche Farbe sie hat). Dies ist ein großer Vorteil, da es den Menschen ermöglicht, ihre Reisen anhand der leicht verständlichen Informationen zu planen.

Ikonografie der U-Bahnbeschilderung von Mexiko-Stadt

Ikonografie der U-Bahn von Mexiko-Stadt – eine Wegbeschilderung zur Linie 7 (Urbanauth / SVI / Mexiko-Stadt)

Ist die Fortbewegung innerhalb der U-Bahn-Stationen einfach?

Innerhalb eines Bahnhofs gibt es drei Arten von Schildern:

  • Beschilderung der Verkehrswege: Signalisieren die Ein- und Ausgänge sowie die Richtungen auf den Bahnsteigen.
  • Kontext-Schilder: Dabei kann es sich um Lagepläne (im Maßstab der Nachbarschaft), Karten des gesamten Netzes oder eine Liste der Bahnhöfe auf der Strecke handeln.
  • Dienstleistungen: Sie verweisen auf den Ticketschalter, die Geschäfte und Internet-Center.

Die Kontext- und Servicebeschilderung in der U-Bahn ist eindeutig. Sie basieren auf erkennbaren Symbolen, wie z. B. Menschen, die Treppen steigen, Pfeile oder Verbotsschilder. Diese basieren auf universell-verständlichen Symbolen. Außerdem werden der Stationsname und das Logo an mehreren Wänden wiederholt, sodass man immer weiß, wo man sich befindet.

Allerdings gibt es ein Problem mit der Ikonografie an den Bahnsteigen. Zwar ist auf jedem Bahnsteig der Name des Zielbahnhofs (mit seiner Farbe) angegeben, aber das Logo ist nicht enthalten. Dies ist ein Nachteil für Menschen, die die Sprache nicht lesen oder sprechen können, da es schwierig ist, zu verstehen, in welche Richtung die Züge am Bahnsteig fahren.

Sind die Übergänge zwischen den Gleisen leicht verständlich?

Bahnsteig-Wegweiser. Die Schilder weisen auf den Namen des Zielbahnhofs hin, doch enthalten keine Symbole der Metro-Linien. (Urbanauth / SVI / Mexiko-Stadt)

Die aushängenden Liniennetzpläne in den Bahnhöfen bieten viele Informationen. In den Bahnhöfen gibt es mehrere Karten sowie Auflistungen der nächsten und vorherigen Bahnhöfe. Auf diese Weise können die Fahrgäste die Übergänge zwischen den Linien erkennen.

Wie bei den Wegweisern auf den Bahnsteigen wird jedoch bei den Bahnübergängen auf die Verwendung von Logos und Symbolen verzichtet. Die Schilder an den Bahnübergängen haben ein klares Design: Es handelt sich um gelbe, rechteckige Schilder, die von einem weißen C (Korrespondenz) begleitet werden. Sie enthalten eine farbliche Linie in der Farbe der Verbindung, an die der Bahnhof angeschlossen ist, und einen Pfeil, der die Richtung angibt. Sie sind offensichtlich, einfach zu verstehen und an jedem Punkt der Strecke sichtbar.

Das Fehlen der Symbole wiederum erschwert das Verständnis für Personen, die die Sprache nicht lesen oder sprechen können. Diese Personen müssten sich von den Pfeilen leiten lassen, den Bahnsteig erreichen und auf das dort angebrachte Erkennungszeichen achten. Diese enthalten zwar das Symbol der U-Bahn-Linie, aber wenn die Person einen Fehler macht, ist sie gezwungen umzukehren und zum gegenüberliegenden Bahnsteig zu gehen.

Kann sich eine blinde Person innerhalb des U-Bahn-Systems von Mexiko-Stadt barrierefrei bewegen?

Die Effizienz von öffentlichen Verkehrsmitteln wird wirklich auf die Probe gestellt, wenn diese den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen gerecht werden sollen. Wenn es für sie funktioniert, ist das Verkehrssystem ein inklusives Mobilitätssystem.

Im Fall der U-Bahn von Mexiko-Stadt gibt es einige bewährte Lösungen, die im Laufe der Zeit bei der Renovierung von Bahnhöfen umgesetzt wurden.

Derzeit gibt es Metalltafeln mit Braille-Schrift, die Bahnhofssymbole und Richtungspfeile enthalten. Diese Tafeln sind über tastbare Leitlinien mit dem Bahnhofseingang verbunden. Die Wegweiser führen auch zu den Aufzügen und Sicherheitslinien auf den Bahnsteigen. Diese Elemente stellen einen großen Schritt in Richtung eines integrativen öffentlichen Verkehrs dar, aber es gibt immer noch viele Bahnhöfe, die nicht barrierefrei zugänglich sind.

Lehren und Schlussfolgerungen über die Ikonografie von Mexiko-Stadt

Auf meiner Reise durch die U-Bahn von Mexiko-Stadt habe ich eine Reihe von Überlegungen angestellt. Ich habe sie zu den folgenden Gestaltungsprinzipien zusammengefasst:

  • Verwende eine universelle Sprache, die auf Formen, Farben oder Symbolen basiert und somit für alle Menschen leicht verständlich ist.
  • Verwende einfache Typografien mit einfachen Geometrien, in kontrastreichen Farben und sichtbarer Größe
  • Zeige Informationen in allen Räumen und Korridoren, da diese eine schnelle Navigation in den Bahnhöfen und zu den Zielorten ermöglicht.
  • Liefere Informationen über seinen Kontext, damit es kein isoliertes Element ist.
  • Verwende auffällige Schilder in verschiedenen Höhen, da auch kleinere Menschen, wie Kinder die Verkehrsmittel nutzen.
  • Bedenke alle Nutzer des Transportsystems, unabhängig von der Sprache, die sie sprechen, oder den Fähigkeiten, die sie haben.
  • Schütze Menschen und schaffe sichere Wege für alle, unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder körperlicher Verfassung.
  • Und schlussendlich; Räume, in denen sich die Menschen frei und unabhängig fühlen.

Probiere es aus. Nimm ein öffentliches Verkehrsmittel und versuche herauszufinden, ob du damit frei fahren kannst. Ich habe es in Mexiko-Stadt getan, aber es ist überall möglich. Denken wir an diejenigen, für die das nicht so einfach ist… Und helfen mit, das Recht auf die Stadt Stück für Stück zu verwirklichen.

van-Life in einer mexikanischen risikozone

van-Life in einer mexikanischen risikozone

Im Sommer tauschen Sie die Wohnung gegen das Leben in Wohnwägen und Vans und den Alltag des Schreibtisches für Nähe zur Natur. So auch Nancy. Die Kanadierin lebt einen Teil des Jahres in einem Wohnmobil im mexikanischen Bundesstaat Baja California Sur. Dort fertigt sie Schmuck aus Muscheln an, die sie an verschiedenen Stellen entlang ihrer Route durch Baja gesammelt hat. Sie hat sich in einer Gemeinschaft von Ausländern im Bachbett von San Bartolo niedergelassen, wo sie die Monate mit gutem Wetter von November bis April verbringt. Danach wird sie für eine Weile nach Kanada fliegen, aber ihre Sachen, einschließlich ihres Lastwagens, bleiben in einem Hochwasserrisikogebiet. Wir erzählen, was es mit dem Van-Life in dieser mexikanischen Risikozone auf sich hat.

Dieser Artikel von Sofia Villarreal erschien im Original auf Urbanauth.eu in Englisch. Die Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche wurde von Vincent Göhlich erstellt.

Van-Life am „San Bartolo“-Bucht, neben einem offiziellen Wohnmobilstellplatz. (Urbanauth / SV / 2023)

Van-Life Communities in Baja, Mexiko

Wie Nancy leben etwa 40 weitere Ausländer in Wohnmobilen am San Bartolo Creek. Es befindet sich in der Nähe von Los Barriles, einem beliebten Strandziel für ausländische Rentner und „digitale Nomaden“.

Die Wohnmobile und Vans, welche durch Baja reisen, sind mit guter, technischer Ausrüstung ausgestattet. Vom lokalen Internetzugang bis hin zu Wasserfiltern, Solarzellen und Starlink-Antennen sind einige der Optionen, die es Reisenden ermöglichen, die Halbinsel ohne Hotel zu bereisen.

Van Life in Baja Mexiko in einer Hochwassser-Risikozone. Ehemaliger Schulbus umgebaut in einen Wohnwagen mit Solarzellen auf dem Dach.
Alles drin. Alles dabei! Dieser umgebaute Bus wird zum zweiten Zuhause. (Urbanauth / SV / 2023)

Darüber hinaus ist diese Form des Tourismus auch deshalb so beliebt, weil es so einfach ist, Fahrzeuge aus den USA nach Mexiko zu bringen. Die Halbinsel Baja California Sur ist Teil der „freien Zone“ Mexikos, einem Grenzstreifen, in dem man für die Einreise mit dem Fahrzeug keine Genehmigung benötigt. Dies wurde zur Förderung vom Tourismus eingeführt. Der Bundesstaat Baja California Sur gehört zu den am wenigsten besiedelten Teilen von Mexiko. Am südlichen Teil der Halbinsel gelegen, liegt der Bundesstaat zwischen dem Golf von Kalifornien, einem Nebenmeer vom Pazifik, umgeben von Wasser und reichlich Sonne.

van-life und Die Mexikanische Gesetzgebung

Abgesehen von dem Abenteuer des Reisens mit dem Wohnmobil und Van-Life, hat diese Art des Tourismus Auswirkungen auf die Umwelt. In Mexiko sind die Gesetze, die dies regeln, die Bebauungs- / Stadtentwicklungspläne. Gemäß dem Plan von Los Barriles ist die San Bartolo-Bucht als Risikozone eingestuft, da diese als Hochwassergebiet eingestuft wird.

Gleichzeitig erklärt der Plan dieses Gebiet als geeignet für Erholungszwecke. Das heißt, solche, die der Erhaltung von Bachbetten dienen, ohne dauerhafte Bauten zuzulassen. Auch wenn die Wohnmobile keine dauerhaften Bauten sind, tragen sie nicht zur Erhaltung der Umwelt bei, in der sie sich befinden.

Van-Life in einer Hochwasser Risikozone in San Bartolo, Baja California Sur, Mexiko. Auf dem Sand steht ein Wohnmobil mit Terrasse, Container und improvisierten Parkplatz.
Dauerhafte Niederlassung? Ein Wohnmobil mit Container, Parkplatz und „Terrasse“ in San Bartolo. (Urbanauth / SV /2023)

die Umweltauswirkungen in der Risikozone von San Bartolo

Der Plan von Los Barriles weist auch auf einige ökologische Merkmale des San Bartolo Creek hin. In ihm gibt es „Galerie“-Vegetation, die entlang der Ufer von Flüssen oder Bächen wächst. Diese Art von Vegetation erfüllt mehrere Funktionen im Ökosystem:

  • Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Pflanzenarten und Wasserorganismen.
  • Erleichterung der Infiltration von Wasser in die Grundwasserleiter.
  • Eindämmung der Wasserströme, die die Wasserläufe hinunterfließen.

In dieser Hinsicht sollten die Wohnmobile in San Bartolo einer besonderen Aufsicht unterworfen werden, um das Ökosystem zu erhalten. Außerdem hat San Bartolo den Bodentyp „Fluvisol„, der in der Regel feucht ist, weil er mit Gewässern in Verbindung steht, und sich für das Wachstum der Vegetation eignet. Dies macht es zu einem Boden, auf dem es nicht so einfach ist, tiefe Fundamente zu bauen, und der vor der Verunreinigung durch Abwässer von Wohnmobilen geschützt werden muss.

Die Wohnmobile befinden sich direkt am Flussbett, inmitten der Vegetation der Fluss-Galerie. (Urbanauth / SV / 2023)

Soziale Auswirkungen des van-life auf lokale Gemeinschaften

In Baja gibt es ein sehr deutliches Phänomen, nämlich den Boom ausländischer Touristen. Aufgrund des Immobilien- und Tourismusmarktes kaufen Ausländer Ferienhäuser oder lassen sich für längere Zeit nieder. Dies hat zwei berüchtigte Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften, welche seit mehreren Generationen dort wohnen: Anstieg der Kosten für Dienstleistungen und die Verdrängung von Einheimischen.

Touristen aus dem Ausland besitzen eine höhere Kaufkraft, während die Menschen in Baja etwa 444 Dollar im Monat verdienen. Der Mindestlohn in Mexiko beträgt 10,6 Dollar pro Tag. Zum Vergleich: Ein Platz auf einem Wohnmobil-Campingplatz kostet 200 Dollar pro Woche.

Die Diskrepanz zwischen den Lebenshaltungskosten und dem Einkommen der Menschen vor Ort zwingt sie dazu, in Gebiete zu ziehen, in denen sowohl Dienstleistungen als auch Wohnraum in Reichweite bleiben. Und auch die touristischen Aktivitäten haben Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Dazu kommen noch die Kosten für die Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur, des Trinkwassers oder der Abwasserentsorgung. Ausländische Touristen zahlen keine Steuern, nutzen aber einige dieser Infrastrukturen, die die Gemeinden nur mit dem Geld der mexikanischen Steuerzahler unterhalten.

Es ist klar, dass der nomadische Lebensstil mit der Technologie immer mehr möglich wird. Das Fehlen klarer Vorschriften für die Landnutzung kann jedoch in Zukunft zu schwerwiegenderen Folgen führen. Das bedeutet kein Tourismus-Verbot, sondern vielmehr, dass man über Möglichkeiten der Zusammenarbeit nachdenkt und Strategien entwickelt, die für beide Seiten von Vorteil sind.

Design, Mobilität und das Recht auf Stadt

Design, Mobilität und das Recht auf Stadt

Das Recht auf Stadt ist ein sich beständig entwickelndes Konzept. Gegenwärtig bezieht es sich auf Zugänglichkeit, Inklusion, Nachhaltigkeit und Sicherheit in Städten. Design ist dabei das Werkzeug, welches hilft, diese Ziele umzusetzen. Dieser Artikel zeigt, wie Design im Rahmen von Mobilität und dem Recht auf Stadt, barrierefreie Räume schaffen kann, die für alle Menschen zugänglich sind, unabhängig von Sprache, Alter oder körperlicher Verfassung.

Wir teilen das Ideal einer Stadt für alle, das sich auf die Gleichheit bei der Nutzung von Städten und menschlichen Siedlungen bezieht und darauf abzielt, Inklusion zu fördern und sicherzustellen, dass alle Einwohner, sowohl die gegenwärtigen als auch die künftigen Generationen, ohne jegliche Diskriminierung gerechte, sichere, gesunde, zugängliche, erschwingliche, widerstandsfähige und nachhaltige Städte und menschliche Siedlungen schaffen und in ihnen leben können (…)

Neue Urbane Agenda von UN Habitat, 2016, 11th principle

Der stadtsoziologische Ursprung vom Recht auf Stadt

Das Recht auf Stadt als Philosophie ist mehr als 50 Jahre alt. Entwickelt wurde es von Henri Lefebvre, einem französischen Intellektuellen, Anhänger von Marx, Hegel und Nietzsche, dessen Arbeit sich auf die Kritik der Gesellschaft und die Suche nach neuen Formen der politischen und sozialen Organisation konzentrierte (Purcell, 2014).

Die hängenden Gärten der Seine in Paris. Archipel von Nikki de Saint phale Kultur, Urbanität, Biodiveristät, Design Recht auf Stadt Placemaking Initiativen Metropole, Öffentlicher Raum, Gewässer,
Das kleine Archipel an schwimmenden Gärten der Schweizer Künstlerin Nikki de Saint Phale in Paris. Ein Ort der Entspannung am Rande der Seine. (Urbanauth / VGO / Paris / 2021)

In seinem Buch „Le droit à la ville“ stellte Lefebvre eine Idee vor, die sich gegen die industriellen und kapitalistischen Städte richtete, die in den 1960er Jahren rasch wuchsen. Er schlug eine soziale Neuordnung vor, in welcher der städtische Raum von allen Menschen, die in der Stadt leben, besetzt werden könnte, da sie als Bewohner auch Eigentümer dieses Raums seien.

Für Lefebvre bestand das „Recht auf Stadt“ also im Wesentlichen darin, das „Recht auf städtisches Leben“ zu garantieren, den Raum, in dem man lebt, mit Aktivitäten, Beziehungen und Erfahrungen zu füllen. Kurz gesagt, das Recht, sich die Stadt anzueignen und sie kollektiv aus dem Alltagsleben und den sozialen und kulturellen Praktiken aufzubauen.

Das Recht auf Stadt als Menschenrecht und die Verantwortung von Design

Lefebvres Philosophie hat eine soziale Auffassung von der Stadt. Übertragen auf den physischen Raum kann sie als Kampf gegen das Privateigentum und für die Schaffung von öffentlichem Raum verstanden werden: Plätze, Parks und Orte für die Menschen. Unter diesem Ansatz und in Verbindung mit den Menschenrechten ist ein neues Konzept des Rechts auf Stadt entstanden, das von der UN gefördert wird.

Das Recht auf Stadt wurde 2016 in der „Neuen urbanen Agenda“ der UN reformuliert und zielt darauf ab, die Gemeinschaften, in denen wir leben, gerechter, sicherer und zugänglicher für alle Menschen zu machen. Es steht im Einklang mit den von der UN formulierten Zielen für nachhaltige Entwicklung und insbesondere dem 11. Ziel („Nachhaltige Städte und Gemeinden„), und besagt Folgendes über gerechte, sichere und zugängliche Städte:

  • Ist ein Ort ohne Diskriminierung.
  • Basiert auf der Gleichstellung der Geschlechter.
  • Integriert Einheimische, Fremde, indigene Gruppen und Minderheiten und schafft so eine integrative Gemeinschaft.
  • Fördert die politische Teilhabe an der Entscheidungsfindung, sowohl seitens der Regierung als auch der Zivilgesellschaft.
  • Erfüllt soziale Funktionen, d. h. bietet der gesamten Bevölkerung Zugang zu Wohnraum, Waren und Dienstleistungen.
  • Verfügt über öffentliche Räume und staatliche Dienstleistungen von guter Qualität.
  • Die Schaffung einer vielfältigen und integrativen Wirtschaft anregt.
  • Eine gesunde Verbindung zwischen Stadt und Land schafft, in der die Umwelt und die natürlichen Ressourcen respektiert werden.

Über die Bedeutung von Mobilität im Rahmen vom Recht auf Stadt

Ein großer Teil des Konzepts des Rechts auf Stadt hat mit dem Zugang der Menschen zu staatlichen Dienstleistungen und öffentlichen Räumen zu tun. Die Art und Weise, wie wir uns durch Städte bewegen und diese Orte erreichen, ist dabei ein Schlüsselfaktor für die Ausgestaltung des Rechts auf Stadt.

Unter den verschiedenen Verkehrsmitteln ist der öffentliche Verkehr eine demokratische und gerechte Wahl. Die Vereinten Nationen haben als Ziel für 2030 festgelegt, „den Zugang zu sicheren, erschwinglichen, zugänglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle zu ermöglichen und die Verkehrssicherheit zu verbessern, auch durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs„.

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Ein doppelstöckiger Zug fährt auf der Gleisstrecke in Richtung Bahnhof Saint-Lazare. (Urbanauth / VGO / Paris / 2021)

Öffentliche Verkehrsmittel haben gegenüber dem Auto den Vorteil, dass sie eine größere Anzahl von Personen auf einer einzigen Fahrt befördern können und somit die Umweltverschmutzung und Überlastung sowie Abnutzung der Straßen gering halten.

Laut dem Deloitte City Mobility Index von 2019 nutzen 25 % der Pariser die öffentlichen Verkehrsmittel für ihren täglichen Arbeitsweg. Auch in den Vereinigten Staaten ist die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zwischen 1995 und 2018 um 28 % gestiegen. In Ländern wie Mexiko nutzen 50,9 % der Bevölkerung den ÖPNV (INEGI, 2017), da er eine günstigere Option als das Auto ist.

Design und Zugänglichkeit im Kontext von Mobilität und Recht auf Stadt

Ein Verkehrsmittel, das in Städten so vielen Nutzern zugänglich wie möglich gemacht wird, muss vielen Anforderungen entsprechen. Einige Indikatoren zur Messung der Qualität sind die vom ITDP (Institute for Transportation and Development Policy, 2017) in seinem Standard für verkehrsorientierte Entwicklung (TOD) vorgeschlagenen:

  • Öffentliche Verkehrsmittel müssen über zugängliche, barrierefreie und sichere Haltestellen für die gesamte Bevölkerung verfügen.
  • Es wird eine maximale Entfernung von 1,0 km zwischen den Haltestellen und von Gebäuden wie Schulen, Krankenhäusern oder Wohnungen empfohlen.
  • Busse und Bahnen sollten mindestens alle 5 Minuten verkehren, einen Fahrplan von 7:00 bis 22:00 Uhr haben und eine Abdeckung aller Stadtteile gewährleisten.
  • Und schließlich ist es wünschenswert, dass sie mit anderen Verkehrsträgern wie Fahrrädern, Fußgängerzonen oder öffentlichen Verkehrsmitteln verschiedener Art verbunden sind.

Diese Merkmale beziehen sich auf die äußeren Aspekte eines effiziente Transport-Systems. Die Navigation innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittel oder seiner zugehörigen Infrastruktur ist jedoch ein ebenso wichtiger Bestandteil, um von einem Ort zum anderen zu gelangen, und hier spielt das Design eine Schlüsselrolle. Stelle Dir vor, Du bist ein Kind, ein Fremder oder eine Person, die nicht lesen kann, und musst mit der U-Bahn irgendwohin gelangen. Ein effizientes öffentliches Verkehrsnetz würde es Dir ermöglichen, dies intuitiv zu tun. Und Design hat die Macht, dies zu schaffen.

Weitere Informationsquellen:

Dieser Artikel ist eine verkürzte Übersetzung von Vincent Göhlich. Das Original von Sofia Villarreal erschien 2021 auf Englisch

Stadtklima: Was sind urbane Hitzeinseln?

Stadtklima: Was sind urbane Hitzeinseln?

Urbane Hitzeinseln sind auf dem Vormarsch. Im Sommer 2003 erlebte Europa eine Hitzewelle, die historische Temperaturen erreichte. Von Juni bis Mitte August stiegen die Temperaturen von Nordspanien bis zur Tschechischen Republik und von Deutschland bis Italien um 20 bis 30% über den Durchschnitt dieser Jahreszeit und erreichten bis zu 40°C.

Auch bekannt unter dem Namen städtische Wärmeinseln, wirft dieses urbane Phänom die Frage klima-resilienter Städte und dessen Stadtklima auf.

Laut Britannica verursachte diese Hitzewelle, die durch ein Antizyklon (ein Phänomen, das Regen verhinderte) ausgelöst wurde, den Tod von 30.000 Menschen auf dem ganzen Kontinent: mehr als 14.000 in Frankreich.

Im Jahr 2007 wurde jedoch ein signifikanter Unterschied zur Zahl von 2003 festgestellt; in Frankreich wurden 19.490 Todesfälle mit hitzebedingten Ursachen gemeldet. Dies entspricht einem Anstieg der Todesfälle von fast 30% innerhalb von vier Jahren.

Dieses Phänomen lenkte die Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen der hohen Temperaturen für die Bevölkerung in den Städten. Es alarmierte über die Hitzekonzentration in städtischen Gebieten und machte die Unzulänglichkeiten sichtbar, die im Umgang mit Hitzeinseln bestehen.

Was sind urbane Hitzeinseln?

Eine urbane Hitzeinsel (UHI) ist ein städtisches Gebiet, in der die Temperaturen höher sind als in den umliegenden ländlichen Flächen. Sie wird hauptsächlich in großen und dicht besiedelten Städten erzeugt, in denen es an Grünflächen mangelt. Die Konzentration menschlicher Aktivitäten, des Verkehrs und der in Gebäuden und Häusern genutzten elektrischen Energie erzeugt Wärme, die von Oberflächen wie Beton abprallt und den Wärmeinseleffekt verursacht. Er kann auf verschiedenen Skalen auftreten. Von kleinen Ebenen in Form von Stadtvierteln bis hin zu Ballungsgebieten.

Warum gibt es urbane Hitzeinseln?

Endlos zieht sich die Stadt. Die starke Urbanisierung von Paris hat Einfluss auf das Stadtklima. (Urbanauth / 2020)

Die wichtigsten Faktoren, die zu urbanen Hitzeinseln führen, sind die folgenden:

  • Unzureichende Grün- oder Naturflächen in den Städten, wie z.B. Bäume, Vegetation, Flüsse oder Gewässer. Diese absorbieren die durch Transport oder elektrische Energie verbreiteten Wärme und tragen zusätzlich zur Reinigung der Luft bei.
  • Übermäßige Verwendung von Baumaterialien, ohne Berücksichtigung ihrer Eigenschaften haben Auswirkungen auf das Stadtklima. Zum einen betrifft dies reflektierende Materialien wie Glas und Stahl, welche Wärme abprallen lassen und die Außenumgebung sättigen. Zum an deren Asphalt und Beton, welche die Wärme vorübergehend speichern und dann wieder an ihre Umgebung wiedergeben. Dies steht im Gegensatz zu Grünflächen und Gewässern, welche Wärme absorbieren.
  • Die Gestalt der Stadt:
    Die Verbindung zwischen Stadtplanung und Klimawandel ist neueren Datums. Doch die Auswirkungen, die die Urbanisierung auf die natürliche Umwelt haben kann, sind beeindruckend. So wird zum Beispiel eine Stadt mit wenigen offenen Flächen oder mit hohen, nahe beieinander liegenden Gebäuden, die ohne menschliches Maßstabsdenken entworfen wurden, wird den Durchgang des Windes kanalisieren und die Wärme konzentrieren.
  • Menschliche Aktivitäten, die den Gebrauch von Kraftfahrzeugen, Klimaanlagen oder elektrischer Energie beinhalten. Die Industrie ist eine der Aktivitäten, die den höchsten Prozentsatz an umweltschädlichen Gasen und Temperaturerhöhungen erzeugt.

Was sind die Auswirkungen von urbanen Hitzeinseln?

  • Erhöhter Energieverbrauch, der ebenfalls eine Ursache ist. Bei höheren Temperaturen, einem stärkeren Einsatz von Klimaanlagen oder Reisen in geschlossenen Fahrzeugen, erzeugen wiederum mehr Wärme.
  • Gesundheitsschäden: Hohe Temperaturen während des Tages können Atemwegserkrankungen, Krämpfe, Müdigkeit und sogar Herzinfarkte verursachen. Nachts beeinträchtigt die Hitze die Ruhe der Menschen und erzeugt Stress (Panamerikanische Gesundheitsorganisation). So wurden beispielsweise in der mexikanischen Stadt Mexicali in den ersten 15 Tagen des Monats Juni 2019 81 temperaturbedingte Todesfälle registriert. Diese Stadt erreicht im Sommer bis zu 50 °C, wobei ältere Menschen, Kinder und Menschen in Armut am stärksten gefährdet sind.
  • Schädigung der Wasserqualität, die wiederum die Stoffwechsel-, Fortpflanzungs- und Ernährungsprozesse der in Warmwasserkörpern lebenden Wasserlebewesen verändert
  • Veränderungen der Tierwelt: ihre Nahrung kann reduziert werden, ihre Zufluchtsorte können zerstört oder verbrannt werden, was sie dazu veranlasst, neue Gebiete zu suchen. Die Veränderung der Ökosysteme hat dabei tief greifende, langfristige Auswirkungen auf unsere Umwelt.
Wasser hilft den städtischen Raum abzukühlen. (Foto: Urbanauth / VGO / Paris / 2020)

Urbanen Hitzeinseln entgegenwirken: So machen es verschiedene Großstädte!

Nach den durch die Hitzewelle 2003 verursachten Todesfällen setzte sich Paris das Ziel, bis 2020 20.000 neue Bäume zu pflanzen. Bis 2015 wurden etwa 62 Hektar Naturgebiete und 4,7 Hektar begrünte Dächer gebaut. Bis 2020 sollen weitere 100 Hektar begrünte Dächer geschaffen werden, die auch als Stadtgärten dienen sollen.

Darüber hinaus verfügt die Stadt über einen Klimaaktionsplan, in dem sie Ziele und Maßnahmen zur Senkung der Temperaturen und zur Erhöhung ihrer Widerstandsfähigkeit festlegt. Der Plan enthält Anreize für die Bürger, mehr Bäume in den Straßen und im öffentlichen Raum zu pflanzen und so grünere Gemeinden zu schaffen.

In Stuttgart, Deutschland, wurde 2008 ein Klimaatlas für 179 Dörfer in der Region erstellt. In diesem Planungsinstrument wurden Maßnahmen vorgeschlagen, um den Risiken, die sich aus den Auswirkungen des Klimawandels ergeben, entgegenzuwirken.

Das Gebiet, welches in einem Tal mit erheblicher Automobilaktivität liegt, leidet unter der Konzentration von Treibhausgasen, Feinstaubpartikeln und hohe Temperaturen. In diesem Atlas ist auch eine Klimabroschüre für die Stadtentwicklung enthalten, die Richtlinien diktiert, um sicherzustellen, dass die Städte grüne Korridore haben, die von Vegetation umgeben sind und in denen die Gebiets-spezifischen Eigenschaften ausgenutzt werden, um die vorherrschenden Winde zu nutzen.

In New York wurde eine einfachere Maßnahme angewandt. Im Jahr 2010 arbeiteten rund 1.600 Freiwillige auf fast 1 Million Quadratmetern Dachfläche im Rahmen einer Initiative namens New York Cool Roofs. Die von der Stadt geförderte Initiative besteht darin, die Dächer weiß zu streichen, um die Hitze zu reflektieren und sie in den Innenräumen zu vermeiden und den Einsatz von Klimaanlagen zu reduzieren. So soll diese Maßnahme spart ungefähr 2.282 Tonnen CO2 pro Jahr ein.

Ecodistrict in Paris: mixed-use development, which integrates vegetation and energy efficiency and sustainability practices. (Symbolic photo / Urbanauth / 2020)

Mit grüner Infrastruktur gegen urbane Hitzeinseln

Andere in Städten anwendbare Maßnahmen werden als grüne Infrastruktur bezeichnet. Begrünte Dächer und Vegetation sind ein Teil davon. Dabei handelt es sich um eine Art von Infrastruktur, die natürliche Systeme zur Verbesserung der Umweltqualität nutzt, was auch dem kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Sektor zugute kommt.

Die folgende Tabelle zeigt eine Liste von Elementen, die in Städten zur Verringerung des Wärmeinseleffekts und zur Wiederherstellung der Umwelt einbezogen, verstärkt oder interveniert werden können:

Based on the „Green Infrastructure Design Guide for Mexican Municipalities“ by the Municipal Planning Institute of Hermosillo (2017)

Ein Gedanke zum Abschluss

Der Klimawandel ist eine der Krisen, mit denen wir konfrontiert sind. Seine Auswirkungen akzentuieren oder lassen uns falsch entwickelte Praktiken erkennen, und die integrale Planung von Städten gewinnt noch mehr an Bedeutung, um das Leben der Menschen zu schützen. Bürgerbeteiligung und multidisziplinäre Visionen sind Komponenten, die in der Stadtplanung Priorität haben müssen, um den Kontext und die tatsächlichen Bedürfnisse einer Landschaft zu verstehen. Städte müssen aufhören, in Serie, ohne Planung und ohne Natur zu existieren, da sie ansonsten zu tödlichen Risikogebieten werden.

Urbanismus als Lebensweise

Urbanismus als Lebensweise

Es ist unmöglich Städte aus einer einzelnen Perspektive zu untersuchen. Das Einbringen verschiedener Disziplinen ist notwendig um alle Aspekte der urbanen Realität verstehen zu können (Lamy, 2019).

Der Ursprung von Zivilisation lässt sich auf eine Zeit zurück datieren in der Menschen sich dazu entschieden haben sich niederzulassen und als Gruppe zusammen zu leben. Diese Gemeinschaften waren Orte des Austausches, in denen sie Stabilität gefunden haben. Ihre Entwicklung folgte den Prinzipien der Natur und dem Zyklus des Lebens, sowie ihren Glaubensvorstellungen.

Diese Arten des Lebens sind heute Vergangenheit. Laut der UN werden bis zum Jahr 2050 66% der Weltbevölkerung in Städten leben. Die Glaubensvorstellungen und Handlungen der Menschen haben sich verändert und damit auch die Art der Gemeinschaftsbildung. Besonders auffällig auf dem afrikanischen und asiatischen Kontinent, wo Städte rasant wachsen. Diese sogenannten Mega-Städte sind mit vielen Problemen und Aufgaben konfrontiert: Öffentlichen Verkehrsnetze, bezahlbare Wohnräume und Klimawandel. Zukunftsorientierte Planungsprozesse sind notwendig, um diese Aufgaben angehen zu können.

Die Aufgabe des Urbanismus ist es Städte zu untersuchen, zu studieren und mögliche Verbesserungen zu entwickeln. Das Ziel ist es die Lebensqualität der Menschen durch bessere Infrastruktur und Ausrüstung zu erhöhen. Damit dies gelingen kann, bedarf es einer ganzheitlichen Vision. Urbanismus kann soziologische, ökonomische, politische, rechtliche und technologische Entwicklungen kombinieren, um eine nachhaltige Stadt zu planen.

Die Zone um „Le Confluence“ in Lyon in der Nähe des Bahnhofes Perraches wird revitalisiert. (Urbanauth / 2018)

Urbanismus und Urbanisierung

Es ist wichtig die Unterschiede zwischen Urbanismus und Urbanisierung zu definieren, da sie oft miteinander verwechselt werden. Ersteres bezieht sich auf die analytische Untersuchung, Erforschung und den Planungsprozess von Städten, während Zweiteres sich mit Städteentwicklung auseinandersetzt.

Urbanismus ohne Urbanisierung ist zwar möglich, jedoch würde Urbanisierung ohne Urbanismus Chaos verursachen. Ein Beispiel dafür sind die unregelmäßigen Siedlungen in lateinamerikanischen Städten. Diese leiden seit den 1950er Jahren unter steigendem Wachstum durch Landflucht. Jedoch haben hohe Wohnkosten dazu geführt, dass sich die Bevölkerung weit entfernt von urbanen Zentren niedergelassen haben, ohne Ordnung oder Planung.

Eine solcher Siedlungen ist Ecatepec in Mexiko. Zurzeit leben dort 1,6 Millionen Einwohner in prekären Lebensumständen und leiden unter starker Überbevölkerung, fehlender Infrastruktur (wie Straßenlampen oder Gehwege) und fehlenden Grünflächen. Diese Umstände haben Escatepec zu einer der – gefühlt – unsichersten Städte des Landes gemacht.

Wegen der Nähe zu Mexico City und den Straßen die seit den 1940er Jahren gebaut wurden, haben sich viele Menschen Mexikos in Ecatepec niedergelassen. Das Wachstum wurde weiterhin durch die fehlenden Regulierungen zum Landerwerb gefördert. Jedoch führte dies zur Urbanisierung ohne Planung.

Heute ist Ecatepec die am dichtesten bevölkerte Gemeinde des Landes. Es herrschen Armut und Arbeitslosigkeit. Die Bewohner arbeiten hauptsächlich in industriellen Sektoren die von hoher Unsicherheit und vielen Überstunden begleitet werden. Es ist ein Ort der von Gewalt, Übergriffen, Entführung und Frauenmorden heimgesucht wird.

Ein weiteres Beispiel für ungeplante Urbanisierung sind die favelas in Brasilien. Diese begannen als Wohnort in den Bergen rund um Rio de Janeiro. Die Bewohner errichteten improvisierte Häuser aus billigen Materialien aufgrund von Wohnungsmangel in der Stadt. Heute sind sie ein Symbol der südamerikanischen Staaten. Jedoch sind sie auch bekannt für Drogenschmuggel und Kriminalität.

Urbanismus und urbane Gestaltung

Urbane Gestaltung geht stark mit urbaner Planung einher, doch beinhaltet sie greifbarere und spezifischere Handlungen. Urbane Gestaltung befasst sich mit dem der Stadtbevölkerung zur Verfügung stehenden Platz. Es integriert Disziplinen wie Architektur und Landgestaltung, die sich auf die Ausgestaltung von öffentlichen Plätzen, Grünflächen und Bushaltestellen konzentrieren. Es zielt darauf ab den Bewohnern ein angenehmes Umfeld im öffentlichen Raum zu schaffen.

Heutzutage beschäftigt sich urbane Gestaltung mit Aspekten wie universellem Zugang zu öffentlichen Orten, beispielsweise durch Rampenbau für Menschen mit Gehbehinderung oder sprechenden Ampeln für Menschen mit Sehbehinderung. Zusätzlich wird der Fokus auf einen inklusiven, erkennbaren Raum für Fußgänger gelegt.

Ein weiterer Ansatz von Designern bei der urbanen Gestaltung ist die Geschlechter-Frage. Öffentliche Räume, die solche Kriterien integrieren enthalten Elemente die Sicherheit und Komfort für Frauen steigern sollen. Darunter fallen:

  • Fußgänger-Beleuchtung
  • Gekennzeichnete Gehwege
  • Bodenbeläge ohne Einschränkung auf Schuhwerk
  • Öffentliche Toiletten
  • Ablageplätze an Bushaltestellen für Schubkarren oder schwere Lasten
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Das Viertel Saussure-Cardinet im 17. Bezirk von Paris wurde vor Kurzem fertiggestellt. Die Straßen sind verkehrsberuhigte Zonen. (Urbanauth / 2020)

Urbanismus und soziologisch-urbane Studien

Das Ziel von Urbanismus geht über das Verstehen einer Stadt hinaus und befasst sich mit der Umsetzung von Richtlinien und der Verbesserung des Umfelds. Jedoch ist für die Formulierung von konkreten Maßnahmen ein tieferes Verständnis für urbane Dynamiken notwendig. Beispielsweise:

  • Die Relevanz des öffentlichen Raums für die Interaktion zwischen Menschen
  • Die Art und Weise wie die Gestaltung des Raums das Verhalten der Menschen steuert. Sprich die Definition von Raum als künstlich geschaffen, sowie natürlich entstanden, sowie ergänzend der Raum, der durch Kommunikation kreiert wird.

Urbane Studien in der Soziologie wurden mit Architektur und urbaner Planung gekoppelt. In den letzten 10 bis 20 Jahren wurde der Fokus aber auf folgende Aspekte gelegt:

  • Die Arten von öffentlichem Raum und Städten
  • Der Informationsfluss in und zwischen diesen
  • Die Auswirkungen von Migrations-Flüsse
  • Die Entwicklung von kleinen Gemeinschaften und deren Verbindung mit großen Städten
  • Schichtung und Infrastruktur zwischen Städten
  • Mobilitätsmuster und Nutzung von öffentlichem Raum.

Diese Themen sind wichtig für Städteplaner, denn der Erfolg ihrer Strategien hängt von ihrem Verständnis ab.

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Neuer Urbanismus

Städteplaner haben neue Herangehensweisen zur Städteentwicklung adaptiert. Der neue Urbanismus stellt sich gegen die Idee einer horizontalen Expansion und Teilung von Städten in Zonen sowie den Bedarf an Autos. Er ist für die Bevölkerung und sollte so gestaltet werden, dass er auf die Menschen angepasst wird. Dabei werden folgende Prinzipien berücksichtigt:

  • Begehbarkeit: Die Straßen sind fußgängerfreundlich und die notwendige Infrastruktur für reibungslose Mobilität wird gewährleistet. Hinzu kommen Orte wie Schulen, Läden, Krankenhäuser, sowie die Idee, dass Restaurants in 10 Minuten von zu Hause oder dem Arbeitsplatz erreichbar sind.
  • Konnektivität: Die Struktur der Straßen, Wege und Boulevards in den Städten werden so gestaltet, dass der Verkehr fließend bleibt. Zudem soll jeder Bereich der Stadt so einfach und schnell wie möglich zu erreichen sein.
  • Diversifizierung: Nachbarschaften sollen verschiedene Typen von Gebäuden und Geschäften beherbergen, einhergehend mit Wohngebäuden, die von verschiedenen Altersgruppen, Geschlechtern und sozioökonomischen Schichten bewohnt werden.
  • „Mixed housing“: Wohnung in verschiedenen Größen, Typen und Preisen in derselben Gegend
  • Architektur und urbane Gestaltung: Auf Bewohner zugeschnittene Gestaltung des öffentlichen Raums um eine angenehme Umgebung zu schaffen. Dabei wird besonders viel Wert auf Ästhetik und Grünflächen gelegt.
  • Hohe Dichte: Vertikale Bauten werden gegenüber horizontalem Wachstum bevorzugt, da es kürzere Wege in den Städten ermöglicht und gleichzeitig die Kosten für Infrastruktur senkt
  • „Grüner“ öffentlicher Personenverkehr: Subventionierung von nicht-motorisierten oder öffentlichen Verkehrsmitteln, darunter fallen Züge, Busse und Fahrräder
  • Nachhaltigkeit: Umweltschonendes Wirtschaften, beispielsweise Wasser- und Energieeinsparung, Konsum von lokalen Produkten und das Reduzieren von motorisiertem Verkehr.

Urbanismus und Smart Growth

Die Prinzipien des neuen Urbanismus wurden vom Konzept des „Smart Growth“ abgeleitet. Eine Stadt, die klug und überlegt wächst, hat verschiedene Vorteile für die Bewohner, wie eine höhere Lebensqualität, eine höhere Anzahl an Geschäften und mehr Möglichkeiten für Investoren und Immobilien. Im „Smart Growth“ Konzept sind viele Modelle des Communitybildens enthalten. Eines davon sind die TOD’s (Transit Oriented Developments, zu deutsch: Transit orientierte Entwicklungen). Diese versuchen für die Bewohner Möglichkeiten zum Nahverkehr durch verschiedene, leicht zugängliche und günstige Arten zu ermöglichen, die zugleich einen niedrigen CO-Abdruck hinterlassen.

Um dieses Ziel zu erreichen, folgen TOD’s den Prinzipien von:

  • Fußwege: Sichere und zugängliche Umgebung für Fußgänger
  • Rad fahren: Sicheres Verkehrsnetz für Fahrradfahrer
  • Verbindung: kurze und direkte Fußgänger- und Fahrradwege
  • Transport: Qualitativ hochwertiges öffentliches Verkehrsnetz mit Erreichbarkeit zu Fuß
  • Mischung: Dienstleistungen, die sich in kurzer Entfernung von Heim und Arbeit befinden. Zudem ist der öffentliche Raum zu jeder Zeit erreichbar
  • Verdichtung: Plätze mit einer hohen Konzentration von Wohnungen und Arbeit haben die wichtigsten Dienstleistungen im direkten Umfeld
  • Kompaktisierung: Neue Entwicklungen werden im Stadtraum umgesetzt und nicht in die Vororte verlegt
  • Verlagerung: wenig Platz wird für Privatverkehr zur Verfügung gestellt (TOD Standard, ITDP 2017)

Angelehnt an die Transit orientierten Entwicklungen gibt es das sogenannte Walk-Up Modell. Nach diesem sollen Nachbarschaften so konstruiert werden, dass alle wichtigen Dienstleistungen und Geschäfte des Alltags zu Fuß erreichbar sind.

Urbanismus und Klimawandel

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Eine illegale Müllhalde in La Courneuve, einer nördlichen Banlieue von Paris. (Urbanauth / 2020)

Städte spielen eine Schlüsselrolle zur Bekämpfung der Erderwärmung. Sie verbrauchen mehr als 60% der Energie und produzieren 70% der Treibhausgase, sowie 70% der Feststoffabfälle weltweit. Alle Auswirkungen des Klimawandels wie Unwetter, Fluten, Feuer, Dürren und der Senkung der Biodiversität sind alarmierend. Die Kommunalverwaltungen müssen beginnen urbane Projekte und Regulierungen an diese tiefgreifenden Veränderungen anzupassen.

Der Kampf gegen den Klimawandel kann auf zwei Arten passieren: Abschwächung und Anpassung. Ersteres konzentriert sich auf die Reduzierung von Treibhausgasen, Energie- und Wasserverbrauch, so wie der Müllproduktion. Anpassungsmaßnahmen zielen darauf ab die Auswirkungen von Klimakatastrophen auf Städte zu verringern. Ergo Maßnahmen gegen Fluten, Erdrutsche und hohe Temperaturen einzuleiten.

Eine Abschwächungsmaßnahme, die sich als potenziell erfolgreich erwies, ist die Bildung von sogenannten Umweltzonen. In diesen wird der Verkehr an den Ausstoß von Emissionen gekoppelt. Eine gängige Regelung ist beispielsweise das Verbot von älteren Fahrzeugen und Lastwagen in diesen Zonen.

Um sich an die Veränderungen des Klimawandels anzupassen werden zum Beispiel neue Grünflächen geschaffen, sowie Bäume im Stadtzentrum gepflanzt. Maßnahmen reduzieren die Temperaturen und erleichtern die Aufnahme von Regenwasser, was gleichzeitig das Risiko für Fluten verringert.

Um den Erfolg von Abschwächungs- und Anpassungsmaßnahmen zu gewährleisten, muss die Nachhaltigkeit der jeweiligen Maßnahme mit in Betracht gezogen werden. Dazu gehört eine ökonomische, sozial- und umweltfreundliche Befriedigung der Bedürfnisse einer Gemeinschaft, ohne dabei die Möglichkeiten der folgenden Generationen zu verringern ihre Bedürfnisse gleichermaßen zu erfüllen.

Zum Abschluss

Urbanismus als eigene Disziplin versucht die Lebensbedingungen der Menschen in einer Gemeinschaft zu verbessern. Es ist also mehr als das Analysieren und Untersuchen von Städten. Es ist eine Auseinandersetzung mit verschiedenen rasanten Entwicklungen des Zusammenlebens und muss daher mit anderen Disziplinen eng zusammenarbeiten, um eine effiziente Neugestaltung unseres Miteinanders zu schaffen. Menschen formen Städte, aber auch Städte können unser Leben formen. Zum Guten und zum Schlechten.

Anmerkung: Dies ist eine Übersetzung des englischen Originals.

Dieser Artikel wurde am 29/08/2020 von Vincent Göhlich leicht bearbeitet.
– Es wurden sachliche Beispiele verlinkt
– Bilder wurden dem Artikel beigefügt
– Veränderungen am Layout

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