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Stadtsoziologie: Wer war Georg Simmel?

Stadtsoziologie: Wer war Georg Simmel?

Das Forschungsgebiet der Stadtsoziologie wurde mit Georg Simmel (1858-1918) in Berlin zur Jahrhundertwende im 20. Jahrhundert begründet. Seine Schriften und punktierten Beobachtungen übten dabei einen maßgeblichen Einfluss auf die Reflexionen verschiedener Soziologen und Urbanisten des 20. und 21. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika aus.

Georg Simmel: der Begründer der Stadtsoziologie

Georg Simmel gilt als wichtigster Vertreter der Stadtsoziologie und Mitbegründer der Soziologie. 1858 wurde er in eine Berliner Kaufmannsfamilie geboren. Im Laufe seines Lebens war er an verschiedenen Universitäten tätig. Zunächst nur als Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms Universität für Philosophie und Soziologie angestellt, folgte schlussendlich eine unbezahlte Professur an der Berliner Universität (1900), ein Ehrendoktorat an der Universität Freiburg (1911) sowie gegen Ende seines Lebens ein Lehrstuhl an der Kaiser-Wilhelm Universität in Straßburg (1914).

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Wenn man von den Beziehungen zwischen den Raumgestaltungen und sozialen Vorgängen spricht, so pflegt es sich um die Wirkungen zu handeln, die von der Weite oder Enge des Gebietes, der Zerrissenheit oder Arrondierung der Grenzen, dem Flächen- oder Gebirgscharakter des Territoriums auf die Form und das Leben der gesellschaftlichen Gruppe ausgehen. Der Gegenstand der nachfolgenden Untersuchungen ist, umgekehrt, die Einwirkung, die die räumlichen Bestimmtheiten einer Gruppe durch ihre sozialen Gestaltungen und Energien erfahren.

Georg simmel, über räumliche projektionen sozialer formen, 1908

Seine Schriften „Philosophie des Geldes“ (1900), „Die Großstadt und das Geistesleben“ (1903) und „Über räumliche Projektionen sozialer Formen“ (1908) legten den Grundstein für weitreichende Überlegungen zur Beziehung des Menschen zur Stadt und seinem Platz in ebendieser. Ihm zufolge war die Geldwirtschaft, welche sich in großen Metropolen ansiedelte, entscheidend für das rasche Städtewachstum und die früh- bis spätindustrielle Stadtgesellschaft. Aber auch die Bedeutung von Stadtgesellschaft und Stadt als Phänomen gehörten zu seinem Forschungsgebiet. Doch vor allem mit seiner Schrift „Die Großstadt und das Geistesleben“ (1903) schuf er das Fundament für eine soziologische Betrachtungsweise auf Urbanität, welche die erlebte städtische Daseinswelt, den städtischen Raum und die Stadtgesellschaft als Dimension miteinbezog.

Somit wurde er zum Pioneer dieses Forschungsgebiets. 2005 wurde in Berlin zu seinen Ehren das Georg Simmel Zentrum für Metropolenforschung (GSZ) an der Humboldt-Universität gegründet. Er verstarb 1918 in Straßburg.

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Womit befasst sich die Stadtsoziologie?

Die Stadtsoziologie bietet soziologische Betrachtungen auf die Stadt und den Mensch. Als Teilbereich der Soziologie befasst sie sich mit den Handlungen von Akteuren in Form von Individuen, Gruppen, sozialen Schichten und der Stadtgesellschaft. Untersucht werden die Beziehungen zwischen städtischen Formen, Strukturen, Entwicklungen und deren Rahmenbedingungen.

Als ein gesamtheitlicher Ansatz („holistisch„) betrachtet die Stadtsoziologie dabei das Phänomen Stadt aus verschiedenen Perspektiven. Im Vordergrund der Betrachtungen stehen der Mensch (Anthropologie), das Stadtgeschehen, die Gesellschaft, sowie die zusammenhängenden Bereiche Wirtschaft, Politik und Kultur, aber auch die Infrastruktur, Architektur.

Die moderne Stadtforschung und das Zeitalter der urbanen Räume

Neben philosophischen Einflüssen steht die Stadtsoziologie vor allem auch in enger Verbindung zur Raumsoziologie und dem „Zeitalters des Raumes„, wie es der französische Philosoph Michel Foucault in seinem Aufsatz „Andere Räume“ treffend formulierte. Darin definiert er den Raum in seinem Dreisatz aus: der räumlichen Praxis, die Raumrepräsentationen und die Repräsentationsräume.

Der zeitgenössischen Stadtsoziologin Martina Löw zufolge betrifft dies dabei gesellschaftliche Handlungsabläufe der Menschen eines Raumes, die Strukturbildungen durch die gesellschaftliche Strukturierung von Handlungsprozessen und Sinnprojektionen, welche kodiert, ihren Sinn durch die Handlung offenbaren. Gemeinsame Überschneidungen zwischen der Stadt- und Raumtheorie finden sich der Soziologin zufolge in der Identifikation, den räumlichen Anordnungen und den raumbezogenen Unterscheidungen.

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Endlos zieht sich die Stadt. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO)

Die Beziehung des Menschen zur Stadt steht somit in enger Verbindung mit seinem urbanen und geistigen Raum, welcher sich dynamisch aus den Beziehungen der Akteure, der Umgebung und deren Gegenstände ergibt. Die Stadt wird somit zu einem sozialen Interaktionsraum, den es zu erfassen gilt. Georg Simmel’s Überlegungen legten dabei ein wichtiges Fundament zur Auseinandersetzung mit Städten als Gesellschaftsräume und weit darüber hinaus.

Die Großstadterfahrung von Simmel als Fundament der Stadtsoziologie

Zu dieser Zeit stellte er bereits fest, dass das Leben in der Großstadt und die einhergehende Großstadterfahrung aus einem Zwischenspiel aus äußeren und inneren Eindrücken besteht. Die „Steigerung des Nervenlebens“ spiegelt sich dabei nach Simmel in zwei für Großstädter typischen Merkmalen. Zum einen überkommt dem Bürger die „Blasiertheit“, eine Abstumpfung gegenüber den äußeren Sinnes- und Wahrnehmungsreizen der städtischen Umgebung. Diese entsteht durch eine sensorische Reizüberflutung, welche aus dem sich aussetzen von Reizen im öffentlichen Raum besteht.

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Die Großstadt mit ihrem physischen Erscheinungsbild und leuchtenden Lichtern sorgt für eine Reizüberflutung der Sinne. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO)

Stadtsoziologie: Simmels Anonymität von Städten und der Verlust von Identität

Zum anderen besitzt die Großstadt gesellschaftlich betrachtet eine charakteristische Anonymität. Diese steht in Verbindung zu Simmels Begriff der „Reserviertheit“, welche er als eine Sozialisierungsform versteht. Durch die Verdünnung klar einheitlicher Sozialnormen wird eine Unabhängigkeit geschaffen, welche den Großstadtbewohnern eine individuelle Freiheit ermöglicht.

Grüßt man in der Kleinstadt beim Spaziergehen noch entgegenkommende Passanten, so läuft man in der Großsstadt – von Reizen überflutet – mit gesenktem Blick durch die Straßen. Doch erhält man Blicke bezüglich der Kleidungswahl, so gehen sie in den tausenden anderen zuvor gekreuzten Blicken unter.

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Georg Simmel lebte lange Zeit seines Lebens in Berlin. (Foto: Urbanauth / VGO / Berlin)

Simmels Aktualität in der Soziologie und Stadtforschung

Im Kontext der heutigen globalen Städte übersetzt sich dies im Kosmopolitismus. Dieser spiegelt sich dabei im andauernden kosmopolitischen Geltungsdrang der Großstädter wider. Simmel stellt dies dabei in einen diametralen Gegensatz zum Harmoniestreben und Gesellschaftsdruck von Kleinstädten.

Die Industrialisierung und einhergehende Arbeitsteilung führten dabei zu einem Weltschmerz, in welcher der Verlust der Individualität durch die Standardisierung des Alltags in den Fabriken, bei den Stadtbewohnern das Gefühl von Verlorenheit erzeugte. Ein Phänomen, mit welchem sich die deutschen Expressionisten in den Thematiken des Großstadtlebens und der Ich-Dissoziation befassten.

„Die tiefsten Probleme des modernen Lebens quellen aus dem Anspruch des Individuums, die Selbständigkeit und Eigenart seines Daseins gegen die Übermächte der Gesellschaft, des geschichtlich Ererbten, der äußerlichen Kultur und Technik des Lebens zu bewahren. […] in alledem wirkt das gleiche Grundmotiv: der Widerstand des Subjekts, in einem gesellschaftlich-technischem Mechanismus nivelliert und verbraucht zu werden“ –

Georg Simmel, „Die Großstadt und das Geistesleben“, 1903

Ein Denker kommt selten allein! Die Frau an der Seite von Georg Simmel

Philosophin Denkerin Gertrud Simmel Frau von Georg Simmel um 1916 schwarz-weiß Foto, Autorin Stadtsoziologie Künstlerin Feminismus

Hervorzuheben ist dabei auch das Schaffen seiner Ehefrau, Gertrude Simmel (1864-1938). Die gelernte Zeichenlehrerin, die in Paris studierte, widmete sich im späteren Verlauf ihres Lebens der Philosophie. Unter dem Pseudonym „Marie Luise Enckendorff“ veröffentlichte sie ab 1906 ihre Schrift „Vom Sein und vom Haben der Seele“. 1910 folgte „Realität und Gesetzlichkeit im Geschlechtsleben“, welche sich mit der Emanzipation der Frau in der Ehe befasste. Sie forderte, dass Frauen sich selbstbestimmt und ohne Anpassungszwang zu ihrem Ehemann entwickeln dürfen. Im Laufe ihres Lebens wohnte sie dabei in Berlin und anschließend bis zum Tode ihres Mannes Georg Simmel in Straßburg. Danach lebte sie in Gera und Jena im Osten Deutschlands. In Freundschaft mit dem Philosophen Martin Buber veröffentlichte sie auch weiterhin Schriften in seiner Zeitschrift „Kreatur“.


Weitere Literaturquellen:

Georg Simmel, „Die Großstadt und das Geistesleben“, 1903
Georg Simmel, „Die Philosophie des Geldes“, 1900
Georg simmel, „Über räumliche Projektionen sozialer Formen“, 1908
Michel Foucault, „Von anderen Räumen“, 1967
M. Löw / S. Steets / S. Stoetzer, „Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie“, 2008
Georg Simmel Zentrum für Metropolenforschung, Berlin

RIP: diese Streetartist und Graffiti-Künstler sind 2022 verstorben

RIP: diese Streetartist und Graffiti-Künstler sind 2022 verstorben

Rest in Peace. Urbanauth stellt euch in diesem Artikel die Streetartisten und Graffiti-Künstler vor, welche 2022 verstorben sind. Von Streetartkünstlerin Miss Tic zu Graffitikünstler Full1 & Jibeone und Alain Campos (Banlieue Banlieue) – vor allem in Frankreich verstarben im vergangenen Jahr einige Akteure, welche in ihrer jeweiligen Kulturszene eine Leere hinterlassen. Ein Rückblick auf die urbanen Künstler, die von uns gegangen sind.

Urban Art: diese Künstler aus dem Streetart sind 2022 verstorben

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Im August verstarb der Künstler, der hinter einer der ikonischsten Wandgestaltungen an der East-Side Gallery von Berlin stand. Dmitri Wrubel prägte mit seinem historischen Bruderkuss-Bild zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker das Ende einer Epoche und den Beginn der deutschen Wiedervereinigung. Der, 1960 in Moskau geborene, Künstler verstarb am 14. August 2022 im Alter von 62 Jahren an COVID-19.

In Salisbury, USA, sorgte der Tod eines obdachlosen Künstler für eine Welle der Emotionen. Der Maler Jospeh Heilig, der für seine Zeichnungen und seinem warmherzigen Charakter bekannt war, verstarb im Mai mit 65 Jahren im Krankenhaus. Wenig ist über diesen Menschen bekannt, außer dass er in der Queensbridge-Siedlung auf Long Island City in New York groß wurde und dort eine Kunstschule besuchte, bevor er nach Salisbury zog – dem Geburtsort seiner Mutter. Als Streetartist bereicherte er auf seine Weise das Stadtbild über den Zeitraum von zehn Jahren. Eine Crowdfunding-Initiative wurde für die Kosten seines Begräbnisses ins Leben gerufen.

Montmartre verliert eine Streetart-IKOne: MissTic 1956 – 2022

In Frankreich sorgte vor allem der Tod von Streetartkünstlerin Miss Tic für Trauer. Als Streetart-Ikone prägte sie die Kunstszene in Paris ab den 90er Jahren mit ihren Schablonen – auf der Straße und in den Galerien. Ihre Werke, welche in ihrer Komposition aus der Silhouette von MissTic in einem roten Kleid und kurzen Sätzen bestanden, verbanden dabei Poesie mit Sinnlichkeit. Im Laufe ihrer Karriere arbeitete sie dabei auch mit namhaften Marken (Louis Vuitton, Kenzo, ) zusammen. Ihre Biografie ist Beweis einer hochengagierten Künstlerin, welche neben ihrem Streetart jedes Jahr an Ausstellungen teilnahm und sich weltweit einen Namen machte. In Paris prägte sie dabei vor allem das Künstler-Viertel von Montmartre mit ihren ikonischen Arbeiten.

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Streetartist Miss Tic in Paris (Moreaupf / CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons / 2012)

Banlieue Banlieue! Rest in Peace: Alain Campos 1955-2022

Aus derselben Generation wie MissTic und ebenfalls 2022 verstorben, ist der Künstler Alain Campos, der 1955 in Casablanca, Marokko geboren wurde. Besondere Anerkennung erhielt er für sein Wirken in der Gruppe Banlieue-Banlieue, welche ab 1982 für eine ganz eigene Strömung im Streetart sorgte. Das Kollektiv, das zahlreiche Kunstaktionen realisierte, zeichnete sich durch farbenfrohe und ausdrucksstarke Produktionen aus.

Banlieue Banlieue war in den 90er mit bei den Vorreitern der Kunstströmung „Figuration libre“ dabei – eine Kunstform basierend auf dem Figurativen und zugleich frei in seiner Darstellung, stand die Bewegung für eine grenzenlose und kulturübergreifende Szene ein, welche frei von Werthierarchien zwischen Hoch- und Subkultur handelt. Zwischen primitiver Kunst (Art brut), westlichen Einflüssen und Eindrücken aus dem Rest der Welt – die figuration libre von Banlieue-Banlieue in ihren Ausstellungen und Wandgestaltungen machten sie zu Pionieren der beginnenden neuen urbanen Kunst. Die musikalischen Einflüsse durch die Rock-Musik spielte ebenfalls eine Bedeutung für das Kollektiv.

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Kunstwerk von Alain Campos in der Aubergine300, einem alternativen Hausprojekt im Vorort Malakoff von Paris. (Urbanauth / VGO / 2023 / Paris)

Alain Campos, seines Zeichens Autodidakt, suchte früh trotz seiner Aversion zur akademischen Kunstausbildung die Nähe zu Kunststudenten. Urbanauth konnte für den Artikel einen Verwandten kontaktieren. Aus der Freundschaft mit Antonio Gallego, damals Student an der Universität der bildenden Künste in Versailles, entstand das Kollektiv Banlieue-Banlieue, welches sich die nächsten Jahrzehnte, mit seiner eigenen Art sich von den anderen lokalen Akteuren aus dem Streetart und Graffiti abgrenzte. Außerdem erhielt er den hoch angesehen Orden der Künste und der Literatur („Chevalier d’arts et lettres„).

Diese Graffiti-Künstler und Sprüher sind 2022 verstorben

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Hommagen an verstorbene Graffitisprayer gehören zur Szene dazu. So wie in Dijon für den Sprüher Noshy (1995-2017). (Urbanauth / Dijon / 2022)

Graffiti als Subkultur zwischen Anonymität und Illegalität bringt seine Risiken mit: von halsbrecherischen Aktionen, fahrenden Zügen, zu persönlichen Problemen und der Gesundheit – jedes Jahr trifft es dabei Akteure jeden Alters. Im Folgenden stellen wir dir die verstorbenen Graffiti-Künstler und Sprüher vor.

Auf den Gleisen von New York: Full1 & Jibeone

Ein Traum von vielen Graffitisprayern ist es, eine U-Bahn am Geburtsort der zeitgenössischen Graffiti-Subkultur zu bemalen. Dass dies nicht immer gut geht, gehört dabei zum Risiko. Auf besonders tragische Weise verstarben jedoch die Graffiti-Sprüher und Streetartist Full1 & Jibeone in New York, April, 2022. Die nächtliche Exkursion auf den Gleisen der Metro beendete die Reise der beiden französischen Künstler. Die unabhängige Nachrichtenseite TheGothamist interviewte Ceet Fouad, einen befreundeten Streetartkünstler der beiden Verstorbenen. Beide hinterlassen Witwen, davon eine mit drei Kindern.

Trainwriting und Exkursionen auf Zugstrecken können böse enden. So auch keine zwei Wochen später in einer Metro-Station in Manhattan. Ein obdachloses Pärchen, welche sich auf den Gleisen aufhielten, wurden von einem Zug erfasst und starb. Die MTA, verantwortlich für die Metrozüge in New York, erfasst seit 2019 einen Anstieg von 20% bei illegalen Gleisüberschreitungen. In 2021 sorgte dies für 68 Tode.

La Rochelle Graffititag Tag Graffiti "4: Kere & Flair2 RIP" verstorbene Graffitisprüher in Newy York aus Frankreich Honorierung durch Subkultur und Freunde mit Wandfreske
Abschied nehmen: „4: Kere & Flair2 RIP“-Nachruf auf einer Graffiti-Jam. (Urbanauth / La Rochelle / 2022)

Von Nordamerika nach Großbritannien: Pablo Luna & HALO

Ebenfalls aus Nordamerika, doch dafür aus Phoenix: der Graffiti-Künstler Pablo Luna verstarb mit 52 Jahren an einem Herzinfarkt. Seine Werke prägten das Stadtbild und sorgten für ein hohes Ansehen in der lokalen Kulturszene. Im Zeitungsartikel von Azcentral wird er als witziger und fürsorglicher Familienmensch beschrieben. Außerdem gründete er mit zwei weiteren Graffiti-Künstlern die NG-Crew.

Auf der anderen Seite des Atlantiks verstarb der Graffiti-Sprüher Lewis Wayne aka „HALO“ im Mai 2022 mit 25 Jahren. Wie die Seite MyLondon berichtete, wurde ihm in Shoreditch eine Tribut-Wand gemalt. Sein Körper wurde in einem verwesten Zustand aus seiner Wohnung geborgen und sorgte für Schlagzeilen.

Editorial Note: Dieser Artikel übernimmt keine Gewährleistung auf Vollständigkeit. Dir ist ein oder eine Künstler/in bekannt, welche 2022 verstorben ist? Du kannst uns gerne schreiben und weitere Informationen zukommen lassen.

So beeinflusst der Klimawandel den Städtebau

So beeinflusst der Klimawandel den Städtebau

Die Folgen des Klimawandel stellt den modernen Städtebau vor verschiedenen Herausforderungen. Neben den direkten Auswirkungen haben Metropolen außerdem mit selbst-erzeugten Problemen zu kämpfen.

Abseits der gigantischen Infrastruktur-Projekte entstehen heutzutage überall neue urbane Lebensräume. Parallel verläuft die Erweiterung von bestehenden Städten durch tiefgreifende, räumliche Eingriffe im Erscheinungsbild und der Infrastruktur. Geografisch werden dabei zumeist nicht-urbanisierte Räume innerhalb von Jahrzehnten komplett erschlossen und urbanisiert. Im Vordergrund stehen als Herausforderung die Auswirkungen des Klimawandels. Damit einher stellt sich die Frage nach urbaner Resilienz. Aber auch Mobilität, erneuerbare Energien und moderne Konzepte des zeitgenössischen Städtebaus rund um die produktive Stadt und Smart Citys spielen eine wichtige Rolle in der Planung von zukünftigen Städten.

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Moderner Städtebau in Hamburg (Foto: Urbanauth / VGO / Hamburg / 2018)

Konkrete Gefahren vom Klimawandel für den Städtebau

Hauptbedenken des modernen Städtebaus ist der Klimawandel und seine Auswirkungen auf den menschlichen Lebensraum. Ob steigende Meeresspiegel, Flut und Erdbeben oder Dürren und Hitzewellen; die Folgen der globalen Klimaerwärmung werden in die Erwägungen der Stadtplaner miteinbezogen. Neben dem datengesteuertem Ansatz der Smart Citys wird vermehrt Wert auf erneuerbare Energien und nachhaltigen Städtebau gelegt. Urbane Resilienz soll dabei helfen, Städte klimaresistent zu gestalten. Konkrete Herausforderungen für den modernen Städtebau durch den Klimawandel sind:

  • Steigende Meeresspiegel bedrohen weltweit Metropolen vor dem Versinken
  • Erdbeben und Flutgefahren bedrohen die Infrastruktur von Städten
  • Dürren und Hitzewellen haben direkte Folgen auf die Ernährungssicherheit und Gesundheit der Bevölkerung
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Paris ist wegen seiner hohen Asphaltierung anfällig für starke Regenfälle, da das Wasser nicht ordentlich ablaufen kann. (Foto: Urbanauth / VGO / Paris / 2021)

Im Fokus steht der Umweltschutz und ressourcenschonende Umgang mit Materialien und Energie, aber auch die Gesundheit. Hierbei werden ebenfalls Problematiken stark urbanisierter Räume thematisiert. Neben der Steigerung von Lebensqualität und Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit im Sinne einer produktiven Stadt, spielt das Thema der Mobilität eine fortwährende, wichtige Rolle in den neuen Megastädten und Metropolen. Urbane Phänomene sowie weitere Herausforderungen des urbanen Lebensraums und des modernen Städtebaus sind:

  • Die Mobilität steht im Mittelpunkt des modernen Städtebaus. Die Verringerung der Pendelzeiten mit öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln verhilft zu einer Steigerung der Produktivität und Lebensqualität. Außerdem hilft Mobilität territoriale Ungleichheiten zu verringern und einen gleichmäßigen Zugang zu Arbeit, Bildung und Wohnraum zu ermöglichen.
  • Urbane Hitzeinseln bilden sich in Kombination durch übermäßige Nutzung von Stahl und Glas in der Architektur und der Asphaltierung und Bodenversiegelung. Ein spürbarer Effekt tritt nachts ein, wenn die sich die über den Tag angestaute Hitze in Wärme umwandelt und an die Umgebung abgibt.
  • Luftverschmutzung ist ein wiederkehrendes Problem von urbanisierten Räumen. Verantwortlich für eine beträchtliche Zahl an Toten und schädlich für die Gesundheit: die Luftverschmutzung in Städten wird hauptsächlich durch die Industrie und den Automobilverkehr verursacht.
  • Die Hygiene ist eine historische Konstante im Städtebau. Seit den Pandemien aus dem Mittelalter bis in unsere heutige Zeit hat das Thema der Vorbeugung von Krankheiten in Städten eine wichtige Bedeutung.
  • Die Bevölkerungsdichte von Metropolen ist ein Kernelement der Urbanisierung. Durch weitere Verdichtung muss weniger Boden versiegelt werden und ermöglicht zugleich mehr Wohnraum auf weniger Platz zu schaffen.
  • Die Wirtschaft spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in der Planung und Realisierung von Städten. Neben den nötigen Investitionen zum Bau und Erhalt, spielt auch die Bedeutung von Städten als Finanz-Zentren und Wirtschaftsmotoren eine Hauptrolle im modernen Städtebaus.
Stadtentwicklung: 5 utopische Städte von Morgen

Stadtentwicklung: 5 utopische Städte von Morgen

Groß, größer, am Größten? Der moderne Städtebau kennt weltweit eine Renaissance. Abseits der gigantischen Infrastruktur-Projekte entstehen heutzutage überall neue Metropolen. Parallel verläuft die Erweiterung von bestehenden Städten durch tiefgreifende, räumliche Eingriffe im Erscheinungsbild und der Infrastruktur. Im Nahen Osten werden neue Metropolen gebaut, wo zuvor nur Wüste war. Im traurigen Gegenzug sieht sich Indonesien gezwungen, seine Hauptstadt Jakarta wegen des steigenden Meeresspiegels umzuziehen. Von Saudi-Arabien, Ägypten und Nigeria zu Indonesien und Japan – die verschiedenen Akteure verfolgen ihre eigenen urbanen Utopien. Entdecke fünf utopische Städte in der Entstehung – doch Vorsicht, nicht alle sind zum Erfolg verdammt!

Moderner Städtebau: 5 utopische Städte von Morgen

Utopische Städte: die linienförmige Wüstenstadt Neom „The Line“ in Saudi-Arabien

So funktioniert moderner Städtebau im Nahen Osten! Das futuristische Projekt um die linienförmige Wüstenstadt Neom, auch bekannt als „The Line“ setzt neue Maßstäbe. Unter der Initiative von Kronprinzen Mohammed bin Salman und in Kooperation mit Jordanien soll im Nordwesten von Saudi-Arabien in der Tabuk-Provinz diese utopische Stadt entstehen. Neben dem geplanten linienförmigen Aufbau und beachtlichen 170 Kilometern Länge sorgen weitere Innovationen und Ideen für Zukunftsmusik.

Im Vordergrund steht die „Walkability„. So sollen alle wichtigen Einrichtungen, wie Schulen, Kliniken und Grünflächen innerhalb von fünf Minuten fußläufig erreicht werden. Dank neuer Mobilität soll auch die Pendelzeit reduziert werden: Mit einem automatisierten High-Speed Transit-System, welches auf modernsten Technologien beruht, soll keine Fahrt länger als 20 Minuten dauern. Durch den linienförmigen Bau von Hochhäusern entsteht eine dichtbesiedelte Zone, die die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt verringern soll. Erneuerbare Energien werden in die Projektplanung dabei ebenso miteinbezogen, wie technische Fortschritte rund um die Smart-City und künstliche Intelligenz.

Eines der zugleich anspruchsvollsten Städtebauprojekte, als auch teuersten. Mit über 500 Milliarden Dollar schlagen sich die geplanten Kosten bereits zu Buche – mögliche Tendenz steigend. Dank der Unterstützung durch Saudi-Arabien mangelt es nicht an den finanziellen Mitteln. Das Land im Nahen Osten weiß um die Vergänglichkeit seines Rohstoffreichtums. Neom soll neue Impulse setzen und eine Zukunft abseits des Ölmarktes ermöglichen. Das Projekt, welches 2017 enthüllt und dessen erste Bauphase 2019 begann, erlitt durch die Corona-Pandemie erste Verzögerungen im Zeitplan.

Währenddessen kennt die Fantasie und Kreativität der Architekten und Entwickler wenig Grenzen. Im Sinne der Skyline von Dubai wird auch in Neom hoch gebaut. Vorschläge wie der Downtown-Circle einem gigantischen Donut-förmigen Gebäude im Zentrum der Stadt und der Vorschlag einer kilometerlangen Gebäudelinie sorgen mit aufwändigen Renderings für Zukunftsmusik. Von weiteren utopischen Ideen und Ausreißern ganz zu schweigen! Ein Jurassic Park mit Roboter-Dinosauriern, sowie einen künstlichen Mond und leuchtender Sand eingereiht in „Out of the box„- Gebäude-Entwürfen… den Architekten- und Planungsbüros mangelt es nicht an pompösen Einfällen. Welche von den vielversprechenden Vorschlägen und Utopien schlussendlich umgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen.

Dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zugeht, lässt sich aus der Ferne nur vermuten. So berichtete die britische Zeitung The Guardian kürzlich über drei Mitglieder des Huawaitat-Stammes welche zum Tode verurteilte wurden. Der Verdacht, dass dies in Bezug zu ihrem Widerstandes gegen Neom und der Vertreibung von ihren Böden. Doch auch weiteren Mitglieder des Stammes drohen lange Gefängnisstrafen. So kritisierte unter anderem der UN-Menschenrechtsrat die Verurteilungen auf Basis vager Terrorismus-Anschuldigungen.

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So stellten sich Architekten und Stadtplaner in Frankreich die Stadtlandschaft vor – 15. Arrondissement mit seinen Gebäuden aus den 70er Jahren. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

Ägyptens neue Regierungsstadt – die „New Administrative Capital“ soll Kairo ersetzen

Halbmoderner Städtebau mit veralteten Konzepten oder doch die falschen Vorbilder? Auch in Ägypten wird kräftig an gigantischen Urbanisierungs- und Infrastrukturprojekten gebaut. Das Land mit seinem Suezkanal ist für den globalen Schiffs- und Güterverkehr von strategischer Bedeutung. Im Rahmen des chinesischen Infrastrukturprogramms, der One Belt-Initiative und Chinas neuer Seidenstraße, erhält Ägypten dabei bereits massiv Investitionen. Als Teil der „Vision Ägypten 2030„-Agenda wird nun der Bau einer neuen administrativen Hauptstadt vorangetrieben.

Denn vor allem die millionenstarke Metropolregion von Kairo kämpft mit den Problemen einer chaotischen Stadtentwicklung. Dem soll nun mit dem Projekt der „New Administrative Capital“ Abhilfe verschafft werden. Die neue Regierungsstadt unweit Kairos kostet geschätzte 60 Milliarden Euro. Der Journalist Patrick Hoffmann berichtet in seinem Beitrag für den RND ausführlich über das Vorhaben und die aktuelle Umsetzung des Regierungsviertels.

Auch wenn der exakte Name noch fehlt, so existiert 50 Kilometer im Osten von Kairo bereits eine gigantische Baustelle. In Sachen modernem Städtebau wird mit den klassischen Großprojekten geworben. Neben einem riesigen, internationalen Flughafen, werden ebenfalls Gewerbegebiete, Freizeitparks- und Einrichtungen, Krankenhäuser, Schulen, Moscheen und Wohnraum für mehrere Millionen Menschen gebaut. Die neue administrative Hauptstadt soll zum neuen Herzen und Wirtschaftsmotor des Landes werden. Doch wie modern Ägyptens Städtebau-Projekt wirklich ist, bleibt offen.

Plattenbau Architektur Burtalismus ´´´´´´´´´
Moderner Städtebau: Was die grauen Plattenbauten wohl ersetzen wird? (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

In Sachen Mobilität sollen 2000 Kilometer Gleisstrecke gelegt und 60 Stationen gebaut werden. Von Abu Simbel bis Luxor, nach Alexandria über Kairo und der neuen Hauptstadt wird das Schienennetzwerk ausgebaut. Das deutsche Unternehmen Siemens hat den historischen Vertrag 2022 abgeschlossen und ist für den Bau des Transportnetzwerkes verantwortlich.

Gegen den Bau der neuen Regierungshauptstadt regt sich Widerstand – die Planung und der Zweck stehen in der Kritik. So kann das verschuldete Land bereits ohne fremde Investitionen nicht seine Kosten decken. Der Bau eines solchen gigantischen Projektes verschlingt dabei eine unkalkulierbare Anzahl an Ressourcen und riskiert langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft und Umwelt zu haben.

In der Kritik: veraltete, stadtplanerische Konzepte aus den 70er-Jahren, sowie ein diskriminierender, territorialer Ansatz mit einem ungleich ausgebauten Mobilitätsnetz, sowie eine fragwürdige Nutzung der Wasserressourcen. Doch vor allem die veralteten, stadtplanerischen Ansätze mit ihren großen Boulevards und Schnellstraße, sowie die Trennung der Lebensbereiche von Wohnen, Arbeit, Konsum und Freizeit in verschiedenen Vierteln steht dabei im Gegensatz zu den zeitgenössischen, urbanistischen Ansätzen einer produktiven Stadt. Bisher ist nur wenig über den Fortschritt der neuen administrativen Hauptstadt bekannt und es bleibt abzuwarten, ob das Bauvorhaben gelingt.

Ungewisse Umsetzung: Die Eko Atlantic City bei Lagos

Medial wenig beachtet, sowie zurzeit in Stillstand und ebenfalls ein Beispiel von modernem Städtebau auf dem afrikanischen Kontinent: die Eko Atlantic City als Erweiterung von Lagos. Auf ungefähr 25 Quadratkilometern Fläche sollte neuer Wohnraum erschlossen und bis zu 15 Quadratkilometer ins Meer hinein gebaut werden. „Eko“ steht dabei mitnichten für Ökologie, wie es ein anglophoner Leser meinen könnte, aber wohl für den Yoruba-Pedanten von Lagos.

Das Bauvorhaben, welches mit chinesischer finanzieller Unterstützung und Know-How umgesetzt werden sollte, befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt im Stillstand. Abgesehen von Unmengen an aufgeschüttetem Sand und einigen, verhältnismäßig wenigen Gebäuden haben die Folgen der Corona-Pandemie das Bauvorhaben verzögert und stellen eine realistische Fertigstellung infrage.

Der moderne Städtebau in Afrika geriet zuletzt bereits in die Schlagzeilen, als schwere Korruptionsvorwürfe über Kongo in den Congo Hold Up-Leaks aufkamen. Die französischsprachige Nachrichtenseite RFI berichtete ausführlich über die finanziellen Verflechtungen des ehemaligen Präsidenten Jospeh Kabila und deckten auch einige dubiose Immobilienprojekte in Kinshasa auf.

Klimwandelbedingter Umzug in Indonesien: Die neue Hauptstadt Nusantara

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Die wilde Natur der indonesischen Insel Borneo in Ostkalimantan wird wohl dem Bau der neuen Hauptstadt Nusantara weichen müssen. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Natur)

Schlechte Zeiten für den bevölkerungsreichsten Inselstaat. Aus dem unerfreulichen Grund des steigenden Meeresspiegels muss die aktuelle Hauptstadt Indonesiens Jakarta umziehen. Mit über 40 % der städtischen Fläche unter dem Meeresspiegel, winken der Megacity keine schöne Aussichten in der Zukunft. Doch auch die angestauten Probleme der chaotischen Stadtentwicklung von Jakarta – dazu gehören die Zersiedelung der Landschaft, massive Verkehrsstaus, informelle Siedlungen, weit verbreitete Überschwemmungen, das Fehlen von sauberem Wasser und Abfallentsorgung sowie Bodensenkungen – führten zur Umzugsentscheidung.

Der Neuanfang soll dabei helfen, die vorangegangenen Fehler zu vermeiden. Wie sich der Umzug für die zehn Millionen Einwohner der Hauptstadt vollziehen wird, bleibt offen. Ebenso was aus der Metropolregion von Jakarta wird, welche mit seinen 34 Millionen Einwohner, eine der größten urbanen Agglomerationen der Welt ist. Doch der südostasiatische Inselstaat sieht sich unweigerlich mit den Auswirkungen der steigenden Meeresspiegel konfrontiert, weswegen kein Ausweg bleibt als umzuziehen.

Die neue Hauptstadt Nusantara entsteht auf Borneo und soll schon 2024 eingeweiht werden. Der Name nimmt Bezug auf „Wawasan Nusantara„, „die indonesische archipelagische Vision„. Dies entspricht der nationalen Vision Indonesiens in Bezug auf seine Bürger, die Nation und das Gebiet der Republik Indonesien.

Auch wenn das Projekt einer neuen Hauptstadt bereits von Vorgängerregierungen in den Raum gestellt wurde, so nahm es erst ab 2017 Fahrt an. 2019 gewann nach einer internationalen Ausschreibung der Vorschlag „Nagara Rimba Nusa“ („Waldland-Archipelago„) von URBAN+. So soll 80 % der Mobilität durch öffentliche Verkehrsmittel, sowie fußgänger- und fahrradfreundlichen Wegen gedeckt werden.

In der Anfangsphase wird das Bauland erschlossen und die ersten öffentlichen Einrichtungen gebaut. Neben den Lehren aus dem Klimawandel nehmen Erfahrungen aus der Corona-Pandemie ebenfalls einen Platz in der stadtplanerischen Umsetzung von Nusantara ein. Der Nachrichtenseite Blomberg zufolge haben die Arbeiten an dem 34 Milliarden Dollar Bauvorhaben bereits begonnen. Die Finanzierung, welche zu Großteilen aus dem privaten Sektor kommen soll, stellt dabei eine Hürde für das Projekt dar. Aber auch die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Naturreserven von Borneo werfen Fragen über die Nachhaltigkeit auf.

Utopische Städte in Japan: die Smart City von Toyota „Woven City“

Als Letztes auf unserer Liste fünf utopischer Städte darf dieser Vorreiter der Smart-City nicht fehlen: Die Woven City von Toyota ist ein sowohl ambitioniertes als auch hochtechnologisiertes Vorhaben in Japan. Am 23. Februar 2021 wurde offiziell verkündet, dass in der Stadt Susono auf einem ehemaligen Automobilwerk von Toyota ein innovatives Mobilitätszentrum entstehen soll. Im Sinne der japanischen Kultur spielen traditionelle Werte mit moderner Technologie im Gesamtvorhaben eine wichtige Rolle. Mit Mount Fuji im Rücken sowie einer gesicherten Finanzierung – ein vielversprechendes Projekt.

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Moderner Städtebau versus Zukunftsmusik – Was wirklich bleibt, verrät die Zeit. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

Die Arbeiten, welche letztes Jahr begonnen haben, befinden sich noch in der Erschließung des Baulandes. In der zweiten Phase werden anschließend die Architekten einbezogen. Finanziert werden die privaten Projekte hauptsächlich von der Toyota Motor Corporation, einem der größten Automobilhersteller außerhalb Europas. Um eine sichere und effiziente Mobilität zu ermöglichen, wird die Güterlogistik vom persönlichen und öffentlichen Verkehr getrennt und erhält eigene Fahrbahnen. Während auf der Oberfläche eine Fahrtstrecke für automatisierte Fahrsysteme geplant ist, wird der Güterverkehr unterirdisch verlegt. Das originelle Verständnis von Mobilität hat dabei eine tiefergreifende gesellschaftliche Bedeutung in der Unternehmung. So soll Wasserstoff als Energiequelle im Vordergrund stehen. Mit einer „Smart City Plattform“ soll das Internet der Dinge den städtischen Raum und das Leben der Bürger vernetzen. Weitere Angebote rund um Gesundheit, Bildung und Arbeit ergänzen das holistische Konzept.

Und auch wenn die Fläche und der relativ geringe Wohnraum die Woven City zur Kleinsten der Utopien im modernen Städtebau macht, so ist es vielleicht gerade die Durchsetzbarkeit des Projektes, welches ihm den Reiz und die Glaubwürdigkeit gibt. In Sachen Zukunftsmusik hegt das Konzept der hochmobilen Stadt ebenso starke Ambitionen wie die anderen vorgestellten Bauvorhaben. Im Gegensatz zu Googles eingestelltes Smart City Projektes in Toronto, Kanada, bleibt Toyota mit Woven City zurzeit der vielversprechendste Entwickler einer Smart City.

Der Artikel wurde am 04/05/2023 aktualisiert. Neue Informationen zu Neom wurden dem entsprechenden Abschnitt hinzugefügt.
Quelle: The Guardian / AFP in Genevia „UN rights experts denounce planned Saudis execution of megacity opponents“ / 03/05/2023

USA: Flint’s Wasserkrise und das Blei im Trinkwasser

USA: Flint’s Wasserkrise und das Blei im Trinkwasser

USA. In Michigan führte Flint’s Wasserkrise zu einem der größten Umweltskandale der USA. Der fahrlässige Umgang mit dem Wassermanagement, Austeritätsvorgaben und ein ungesunder Fluss, führten zu einer Wasserkrise. Durch den fahrlässigen Umgang mit dem Fluss als Trinkwasserquelle wurde die Bevölkerung der Stadt Flint jahrelang erhöhten Bleiwerten ausgesetzt. Nun erhalten die Betroffenen eine Entschädigung.

Der Skandal wurde von unabhängigen Forschern, Medien und lokalen Vereinigungen sowie Personen aus der Zivilgesellschaft aufgedeckt. Das Medium Frontline veröffentlichte unter anderem eine Dokumentation der Geschehnisse. ProPublica, TheGuardian und CNN berichteten ebenfalls ausführlich über Flint’s-Wasserkrise. Blei ist schwer gesundheitsschädigend. Außerdem wurde ein Anstieg an Fällen von Legionärskrankheit festgestellt. Das langsame Handeln der Behörden hat die Krise dabei nur verschlimmert. Inzwischen ist die Akte Flint nahezu aufgearbeitet, doch die Spaltung in der Gesellschaft bleibt. Urbanauth gibt euch eine Zusammenfassung von Flint’s Wasserkrise.

Flint’s Wasserkrise: Von Stadtflucht zu Krisenmanagement

Flint's Wasserkrise, Aufnahme von Flint River 2010 mit Brücke in der Innenstadt von Flint, Michigan, USA.
Eine Brücke in Flint führt über den Fluss. Sein Wasser hat zur Korrosion der Wasserleitungen und den anschließenden Bleivergiftungen geführt. Zum Zeitpunkt des Fotos in 2010 bahnte sich die Wasserkrise bereits langsam an. (Foto: Andrew Jameson / Wikimedia / 2010)

Der Bundesstaat Michigan liegt im Norden der Vereinigten Staaten von Amerika. Eingeschlossen zwischen den Seen Lake Michigan und Lake Huron grenzt es im Norden an Kanada sowie im Süden an die Bundesstaaten Indiana und Ohio. Knapp 10 Millionen Menschen leben dort. Michigan war der Geburtsort der amerikanischen Automobilindustrie. Heute ist es ein beliebtes Ausflugsziel. Mit einer hauptsächlich weißen Bevölkerung und einem Drittel der Bevölkerung mit einem Bachelor-Abschluss sind nur 13 % der Bevölkerung von Armut betroffen.

Die Stadt Flint liegt am gleichnamigen Fluss des Bundesstaates. Heutzutage wohnen dort ungefähr 90.000 Menschen. Während nahezu 40% der Bewohner in Armut leben, hat über die Hälfte der Bevölkerung dem Zensus der amerikanischen Regierung zufolge afro-amerikanische Wurzeln. Neben der Metropole Detroit war Flint ebenfalls ein wichtiger Standort der amerikanischen Automobilindustrie. Ab den späten 70er Jahren ging es jedoch wirtschaftlich bergab. Als es 1973 zur Ölkrise kam, brach die Industrie ein oder konzentrierte sich auf andere Standorte. Die anschließende Deindustrialisierung führte zu Arbeitslosigkeit, Leerstand und zum Verfall des Stadtbildes.

Das Phänomen des „White Flights“ verschlimmerte die wirtschaftliche Lage von Flint. Eine weiße, wohlhabende Mittelschicht verließ die Innenstadt und ließ sich in den Vororten nieder oder zog in andere Städte. Die Stadtflucht dauert bis heute an.

In Folge kam es zu einer Entwertung der Immobilienwerte von Häusern und Grundstücken. Wegen mangelnden Unternehmen und einer geringen Kaufkraft der Bewohner fielen wichtige Einnahmen durch Gewerbe- und Einkommenssteuer weg. Dies versetzte die bereits verschuldeten Stadt in eine größere, finanzielle Notlage. Im Nachzug der Finanzkrise von 2008 wurde die Stadt drei Jahre später wegen seiner Schulden entvollmachtet und unter die Kontrolle eines Krisenmanagers gestellt. Die daraus resultierenden Entscheidungen bezüglich des Wassermanagements sollten katastrophale Auswirkungen haben.

Die Folgen der Wasserkrise für die Bewohner von Flint

Die fatale Entscheidung in 2011 von der Wasserversorgung aus Detroit, auf die des Flint-Flusses zurückzugreifen, hatte weitreichende Auswirkungen. Während die alte Kläranlage der Stadt wieder in Betrieb genommen wird, fehlen an anderer Stelle die Mittel. Das ungenügend behandelte Wasser führte dabei zu einer Korrosion der Wasserrohre, welche aus Blei und Eisen sind. Die Folgen waren erhöhte Bleiwerte im Trinkwasser.

Die gesundheitlichen Folgen von Blei für Menschen sind immens. Bleiexposition im Kindesalter wird mit psychischen Gesundheitsproblemen und Verhaltensauffälligkeiten sowie einem Anstieg von Kriminalität und Gewalt in Verbindung gebracht. Laut dem Bericht leiden ältere Kinder unter schwerwiegenden Folgen, wie beispielsweise einem höheren Risiko für Nierenschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im späteren Leben. Der Warnwert der Vereinten Nationen liegt bei 5 Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut (µg / dl). Die Richtwerte in Nordamerika sind dabei etwas strenger. Jedoch bleibt jede Aufnahme von Blei in den Körper immer gesundheitsschädlich.

Für Richard Fuller, Präsident von Pure Earth steht fest:Die Menschen können über die Gefahren von Blei aufgeklärt werden, damit sie sich selbst und ihre Kinder schützen können. Die Investitionen zahlen sich aus: eine bessere Gesundheit, höhere Produktivität, höhere Intelligenzquotienten, weniger Gewalt und eine bessere Zukunft für Millionen von Kindern auf der ganzen Welt.

Flint's Wasserkrise, Ein Schild zeigt zu einer Water Pick Up Station, Parkplatz, USA Michigan Flint, Krisenmanagement Wasserstreß
Da das Trinkwasser aus der Leitung gesundheitsgefährdend ist, musste das Wasser in Flaschen an die Bewohner von Flint verteilt werden. Ein Schild zeigt in die Richtung einer „Water Pick-up“-Station. (Foto: US Department of Agriculture / Public Domain / 2016)

US-amerikanische Segregation: Wie die sozialen Ungleichheiten die Wasserkrise verschärften

Der Niedergang von Flint’s Industrie hat die ökonomischen und sozialen Ungleichheiten verschärft. Die erneute Austeritätspolitik unter Krisenmanagern ab 2011, anschließenden Fehlentscheidungen und verzögerte Maßnahmen, führten zur Umweltkatastrophe.

Umweltrassismus beschreibt jede Politik, Praxis oder Richtlinie, die Menschen (Einzelpersonen, Gruppen oder Gemeinschaften) in unterschiedlicher Weise aufgrund ihrer Rasse oder Hautfarbe benachteiligt (ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt). In der Wasserkrise von Flint drückt sich dies dadurch aus, dass einige Städte den Luxus haben, ihre Einwohner mit sauberem Wasser zu versorgen – während andere um eine anständige Versorgung zu kämpfen haben.

Im Kontrast steht der Ort Burton, eine angrenzende Kleinstadt von Flint, welche hauptsächlich weiß und wohlhabend ist. Da sie ihr Trinkwasser über Detroit bezieht, war sie nicht von Flint’s Wasserkrise betroffen. Aber ebenso können die Vororte von Grand Blanc City, Swart Creek City und Flushing City genannt werden. Nahezu alle umliegenden Vorstädte haben dabei eine niedrigere Armutsrate als der Bundesdurchschnitt. Mit Ausnahme von Flint welche die Armut anzuziehen scheint. Mit 38 % nähert sich der Anteil der als arm geltenden Bevölkerung der 50 %-Marke.

Die Michigan Civil Rights Commission ging in ihrem Bericht „The Flint Water Crisis: Systemic Racism Through the Lens of Flint“ aus 2016 auf die sozialen Ungleichheiten und den historischen Rassismus ein. Durch den Prozess räumlicher Segregation: Wohn-subventionen für Weiße und Wohnverbot für Afroamerikaner wurden die Bürger im 20. Jahrhundert nach ihrer Hautfarbe getrennt. Beschlossene Maßnahmen zur Flächennutzungs-, Wohnungs-, Kredit- und Verkehrspolitik zur Segregation von farbigen und armen Menschen schufen soziale Ungleichheiten, welche bis heute andauern. So kritisiert die Kommission eine mangelnde Bereitschaft unter den verschiedenen Kommunen, Probleme gemeinsam anzugehen.

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Zum Höhepunkt von Flint’s Wasserkrise wurde Trinkwasser in Plastikflaschen an die Bevölkerung verteilt. (Foto: US Department of Agriculture / Public Domain / 2016)

Die Chronologie von Flint’s Wasserkrise:

  • 2002-2004: Mit 30 Millionen Dollar Schulden ist die Stadt Flint finanziell schwer überlastet. Der damalige Gouverneur John Engler entzieht der Stadt die Entscheidungsmacht und entsendet einen Krisenmanager. Seine Aufgabe: Die Kosten kürzen und das Budget rekalibrieren. Dieser wird durch verschiedene Austeritätsmaßnahmen die Schulden auf mehr als die Hälfte kürzen.
  • 2011: Eine achtköpfige Kommission befindet, dass sich Flint in einer finanziellen Notlage befindet. Der Bundesstaat Michigan übernimmt wieder die Entscheidungsmacht über die Finanzen und entsendet abermals einen Krisenmanager. Um Kosten zu sparen, wird der Wasserzugang von Detroit und dem „Lake Huron„-See zum Flint-Fluss und seiner veralteten Kläranlage gewechselt. Eine Studie ergibt, dass die Zusammensetzung des Wassers aus dem Fluss eine zersetzende Wirkung auf die Wasserrohre aus Blei ausübt. Die zusätzliche Behandlung würde dem Staat 100$ pro Tag kosten.
  • 2014: Der Wechsel des Wasserzuganges ist beendet. Ab jetzt liefert der Fluss von Flint, das Trink- und Nutzwasser an die Stadt. Zweifel an der Sinnhaftigkeit und den gesundheitlichen Folgen treten auf. Um die Ängste der Bevölkerung zu beruhigen, trinken gewählte Volksvertreter öffentlich ein Glas Wasser aus dem Fluss. Währenddessen beklagen sich im Laufe des Jahres immer mehr Bürger über braunes Wasser aus den Leitungen, welches einen schlechten Geschmack und Geruch besitzt.
  • 2015: Die Umweltministerien, EPA und DEQ, die jeweiligen Instanzen auf nationaler und regionaler Ebene sprechen das erste Mal über erhöhte Bleiwerte im Wasser. Ein unabhängiges Forscherteam wird dies ein halbes Jahr später bestätigen. Währenddessen stellt eine Ärztin erhöhte Bleiwerte im Blut ihrer Patienten fest. Beides wird anschließend von unterschiedlichen Beamten bestritten und die Bedenken in den Wind geschlagen.
  • 2015: Ab Oktober macht die Stadt eine Kehrtwende und erschließt erneut den Wasserzugang über Detroit und den Lake Huron. Doch der Schaden ist bereits da. Das unbehandelte Wasser hat die Wasserleitungen angegriffen. Zudem sind die Hälfte der Rohre aus Blei, welche nun ins Trinkwasser gelangt. Rost in Form von braunem Wasser ist nur eine der Erscheinungen. Der Verantwortliche der DEQ, dem Department of Environnemental Quality gesteht schwerwiegende Fehler im Wassermanagement. Wenige Monate später tritt er von seinem Amt zurück. Zum Ende des Jahres wird eine erste Sammelklage eingereicht.
  • 2016: Zum Beginn des neuen Jahres ist der Ernst der Lage nicht mehr zu verschweigen. Der Gouverneur Rick Snyder schaltet die FEMA (Federal Emergency Management Agency) ein. Wenige Wochen später entschuldigt er sich öffentlich und verspricht Wiedergutmachung. Die Nationalgarde wird zur Verteilung von Trinkwasser eingesetzt. Die Stadt verteilt Wasserfilter und versucht zu beruhigen. Doch das Blei in den Rohren ist nur die Spitze des Eisbergs. Während die Bleiwerte in den Leitungen wieder sinken, treten vermehrte Fälle von Legionärskrankheit auf. Das Flusswasser hatte Eisenrohre zum Rosten gebracht und das Desinfektionsmittel gegen Bakterien neutralisiert.
  • 2016: Auf 216 Millionen Dollar werden die Infrastrukturkosten geschätzt. Darunter 55 Millionen Dollar für die Ersetzung der Bleirohre. Im Laufe des Jahres wird gegen mehrere Beamte Anklage erhoben. Ab November entscheidet ein Richter, dass einige Bewohner von Flint Wasser aus Plastikbehältern erhalten, bis die Stadt gewährleistet, dass die Wasserfilter verteilt sind und funktionieren.
  • 2017: Die Bleiwerte im Wasser der Stadt haben sich wieder normalisiert. Währenddessen werden schwere Vorwürfe laut. Die Civil Rights Commission von Michigan hat einen Bericht veröffentlicht, welcher den Behörden historischen und institutionellen Rassismus vorwirft. Der Beginn der Arbeiten zur Ersetzung der Wasserrohre startet in Eiltempo. Bis zum Ende des Jahres werden 10.000 Leitungen ersetzt.
  • 2018: Die Behörden entnehmen Trinkwasserproben an den Schulen von Flint. Zugleich wird das kostenlose Verteilen von Wasserflaschen eingestellt. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst und im April verschafften sich Demonstranten kurzzeitig Zutritt ins State Capitol. Im Laufe des Jahres kritisiert der Generalinspekteur der EPA die Behörden auf nationaler und regionaler Ebene für ihr Versagen. Schulen greifen inzwischen auf Ultraviolett-Filter für die Behandlung von Trinkwasserbrunnen zurück.
  • 2019: Die Verarbeitung der Geschehnisse, welche zur Wasserkrise von Flint führten, schreitet voran. Endlich werden die ersten Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Elektronische Geräte und Datenträger vom Gouverneur Snyder werden beschlagnahmt und untersucht. Bis zu 65 weitere Beamte und ehemalige Angestellte sind von den Durchsuchungen betroffen. Zum Ende des Jahres wird eine erste Anklage jedoch fallen gelassen und neu aufgesetzt.
  • 2020: Ein Richter beschließt, dass alle Wasserrohre der Stadt untersucht werden müssen. 20.000 weitere Haushalte erhalten so das Recht, den Zustand ihrer Leitungen kostenfrei untersuchen zu lassen. Der eingeforderte Schadenersatz der Sammelklage kommt auf rekordverdächtige 641 Millionen Dollar.

2021 wurde eine der größten Sammelklagen des Bundesstaates Michigan entschieden. Die Opfer der Flint-Wasserkrise erhalten bis zu 626 Millionen Dollar Entschädigung. Das definitive Gerichtsurteil wurde Anfang 2022 abermals bekräftigt, wie nbcnews berichtete. Außerdem laufen weitere Gerichtsverhandlungen gegen den ehemaligen Gouverneur von Michigan Rick Snyder, sowie den Baudezernenten von Flint Howard Croft. Wie berichtet, werden sie in jeweils zwei Fällen der vorsätzlichen Amtspflichtverletzung angeklagt – im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an der Wasserkrise in Flint. Zusätzlich wurden bisher weitere acht Beamte für ihr schweres Fehlverhalten verurteilt.

Besorgniserregend an Flint’s Wasserkrise ist das Ausmaß an umwelt- historischen und institutionellen Rassismus. Dies beeinflusste Entscheidungen zum Nachteil der Bewohner. Ebenso gilt dies, für die eingesetzten Krisenmanager, welche durch eine zweifelhafte Austeritätspolitik an den falschen Stellen sparten. Doch vor allem das verzögerte Eingreifen der nationalen und regionalen Umwelt- und Gesundheitsbehörden wirft Zweifel auf. Dies ging vor allem zulasten der Gesundheit der Bevölkerung. Der Infrastrukturplan, welcher von Präsident Joe Biden verabschiedet wurde, legt dabei einen Fokus auf die Erneuerung der Wasserleitungen und den Kampf gegen Blei- sowie anderen Umweltverschmutzungen. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, wie mit solchen zukünftigen Problemen umgegangen wird. Auch mögen die Opfer von Flint’s Wasserkrise Gerechtigkeit und Entschädigung erhalten haben, doch die gesundheitlichen Schäden in der Bevölkerung bleiben.

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