Die wichtigsten News auf einen Blick – Unsere wöchentliche Presserevue der Kalenderwoche 36. Von Hip-Hop für die Favelas Rio de Janeiros in das Herz Perpignans über Tokyos geplantem höchsten Wolkenkratzer und Londons Urban Design Versuch. Unsere Zusammenfassung der wichtigsten, urbanen Nachrichten.
Stadt und Mensch
Im Herzen von Perpignan – Saint Jacques und Gentrifizierung
Das Herz der französischen Stadt Perpignan ist tief verwurzelt mit der Existenz einer großen Gemeinschaft an Menschen der Reise, dem fahrenden Volk, das im zentral gelegenen historischen Viertel Saint Jacques einen Rückzugsort gefunden hat. Unweit der spanischen Grenze ist sie zugleich eine der Städte mit der größten Armutsrate in Frankreich. Der Artikel der englischsprachigen Zeitung The Guardian, unterlegt mit Fotografien von Jesco Denzel, nimmt den Leser mit in die Welt der französischen „Gypsies“ und betrachtet zugleich die Renovierungsmaßnahmen aus einem kritischen Blickwinkel. Die Beziehung der fahrenden Leute zur Stadt lässt sich dabei auf mehrere hunderte Jahre zurückdatieren, wobei 1940 ein entscheidendes Jahr war. Durch das Verbot von „Nomadismus“ unter dem Vichy-Regime in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, siedelten sich die Menschen der Reise gezwungenermaßen in Perpignan an. Das Viertel Saint Jacques ist mit einer Jugend-Arbeitslosigkeit von 90 % zu drei Vierteln von Menschen besiedelt, welche überall in Europa institutionellen Diskriminierungen ausgesetzt sind.
Seit mehreren Häusereinstürzen von 2014 darunter Perpignan und letztes Jahr in Marseille, wird vonseiten der Behörden das Problem von minderwertigen Gebäuden ernster genommen. In Saint Jacques bringen die Bewohner jedoch ein berechtigtes Misstrauen gegenüber dem korrekten Ablauf der Renovierungsmaßnahmen zur Sprache. Die Modernisierungspläne der historischen Altstadt sind auf 2024 angelegt und führen zu Spannungen. Im Viertel Saint Jacques sollen demnach 483 Gebäude abgerissen werden, um Platz für 240 Neue zu schaffen. Zweifel an der Ehrlichkeit den Neu-Unterbringung-Vorschlägen stehen den Ängsten von Vertreibung und Verlust ihrer Gemeinschaft gegenüber.
Wettrennen der Wolkenkratzer: Bald hat Japan einen neuen Rekordhalter
Landesweit höchstes Gebäude wird in Tokyo gebaut
Mit 330 Metern Höhe übertrumpft der höchste der drei geplanten Türme des Toranomon-Azabudai Projekts den jetzigen Rekordhalter, bei dem es sich um einen Wolkenkratzer von Abeno Harukas in Osaka handelt, um ganze 30 Meter. Bis zum Jahre 2023 soll auf einer Fläche von mehr als 8 Hektaren ein ganzes Quartier saniert und revitalisiert werden, so in einem Artikel der CNN.
Laut dem Projektträger Mori Building Co. handelt es sich konkret um Büros und Wohnungen für 20’000 Mitarbeiter und 3’500 Einwohner sowie Geschäfte, Fitnessstudios, Museen, eine internationale Schule und 2.4 Hektar Grünfläche – ein „modernes städtisches Dorf“ also.
Entworfen wurde das Projekt vom Architekturbüro Pelli Clarke Pelli Architects. Der ursprünglich aus Argentinien stammende Cesar Pelli baute seinen Ruf als Stararchitekt mit innovativen Wolkenkratzern auf, nachdem er die Petronas Towers in Kuala Lumpur und das Paci Center in West Hollywood entworfen hatte. 1926 geboren, verstarb er im Juli dieses Jahres und hinterlässt über vier Jahrzehnte Schaffens. Zusammen mit dem Mitbegründer des Architekturbüros, Fred Clarke, war er maßgeblich an der Gestaltung der Fassaden der drei Türme beteiligt.
Der Singapurer Architekt Soo K. Chan, der am Projekt mitwirkt, sagte in einem Telefoninterview gegenüber CNN aus, dass er großen Wert auf Details und Handwerkskunst lege; beides im Wertesystem der japanischen Kultur verankert. Auch basieren die Innenräume der Residenzen auf Ideen wie derjenigen, dass die Häuser um Servicebereiche wie Küchen herum geplant werden – Traditionelle Ansichten und eine bestimmte Art von Lebensstil in Japan werden dabei berücksichtigt und erhalten bleiben.
Während London über neue Wolkenkratzer-Designs nachdenkt….
Diesen Monat brachte die City of London Corporation, welche die Square Mile mit dem Finanzdistrikt verwaltet, die ersten „Wind-Mikroklima-Richtlinien“ Großbritanniens heraus. Diese zielen darauf ab, das Gehen und Radfahren zu fördern, indem sie die Auswirkungen des Windes auf dem Boden reduzieren – denn Windkanäle und Fallwinde an und um Wolkenkratzern können den Menschen auf Bodenebene durchaus das Leben schwer machen, berichtet wired.com. Das Ingenieurbüro, welches bei der Ausarbeitung der neuen Normen mitgewirkt hat, arbeitet zudem mit den größten Städten Nordamerikas zusammen. Die Richtlinien der City of London legen Windgeschwindigkeiten für das Sitzen und Gehen fest und schreiben Windkanaltests sowie Computersimulationen vor um vorhersagen zu können, wie ein neues Gebäude diese Richtlinien erfüllen und wo Messungen durchgeführt werden sollten. Für Außencafés und Restaurants, wo häufig gesessen wird, sollten acht Km/h nicht überschritten werden. Studien, die von der Windspezialfirma RWDI durchgeführt wurden, haben die bestehende Lawson-Skala modifiziert. Diese besagte, dass Geschwindigkeiten zwischen 29 und 32 Km/h für einen „Business Walk“ in Ordnung seien – die neue Skala befindet mehr als 29 Km/h als unangenehm.
Berlins Nahverkehr und das Lied des Graffiti
Die Lokalzeitung Morgenpost berichtete in einem Artikel über die steigende „Vandalismusrate“ im Nahverkehr von Berlin. Die deutsche Hauptstadt ist für ihre florierende Graffiti-Szene bekannt, inklusive eines stetigen Zustromes an Szenetouristen. Neben den unzähligen Graffiti in den Kiezen, sind die prägend gelben U-Bahnwägen, aber auch der Nahverkehr von den Sprühern begehrte Flächen. Das Internet steuert mit den sozialen Netzwerken wie Instagram der steigenden Beliebtheit bei. Dabei kommt es im Jahr zu einigen „Wholecar„-Aktionen, bei welchem bei Tage die Bahn angehalten wird und ein ganzer Personenwagen binnen Minuten unter dem Lack der Sprühdosen verschwindet. Die Morgenpost meldet, dass die Deutsche Bahn dabei bis zu 3000 Anzeigen pro Jahr wegen Graffiti erstattet. Auf das Jahr im Durchschnitt acht pro Tag. Zwei Drittel der Meldungen fallen auf Züge während das andere Drittel sich auf das zu den Bahnhöfen gehörende Gelände bezieht. Urbanauth hatte bereits dazu in seinem Artikel „BVG und Graffiti“ berichtet. Dem Sprecher der Berliner Verkehrsbetriebe Jannes Schwentu zufolge, fiele ein bemalter Zug zwangsläufig 24-Stunden aus. Vor allem im Falle einer kompletten Neulackierung, wenn die Schutzfolien sich abgenutzt haben, wird es teuer für den Bahnbetrieb.
Hip-Hop für die Jugend aus den Favelas
Das Community Reporting Projekt Rio on watch haben für ihren Artikel Hip Hop in the Baixada den Hip-Hop Tänzer ZULU begleitet. Mit seinem Projekt Cypher na rua, ermöglicht er Kindern und Jugendlichen in der Mesorregião Baixada von Rio de Janeiro, Hip-Hop Tanzen zu lernen. Eine Cypher bezeichnet die Zusammenkunft von Akteuren der Hip-Hop Szene zum Tanzen, musizieren oder sprühen. Der Artikel geht dabei vor allem auf die Gemeinschaft-stiftenden Vorteile für Jugendliche ein.
Diese journalistisch tätige NGO ist dabei der Nachgänger von Rio Olympics Neighboorhood Watch (2010-2016) welche sich im Rahmen der Austragung der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, Brasilien, mit den Auswirkungen auf das Leben der Menschen in den Favelas auseinandersetzen. Ab 2017 mit dem Ende der Spiele adaptierte Rio on watch ihre redaktionelle Leitlinie. Das Leben in den armen Teilen der Megalopolis steht dabei weiterhin im Vordergrund ihrer Berichterstattung.
Dieser Artikel ist in Englisch und Französisch verfügbar.