Die Europan 15 feierte 2019 ihren dreißigsten Geburtstag. Und mit Ihr, die zeitgenössische Architektur Europas. Der europäische Wettbewerb für junge Architekten unter vierzig Jahren will die Stadt neu denken und gemeinschaftliche Lösungsansätze fördern. Über ein Netzwerk von 250 Städten und 20 Ländern in Europa werden jedes Jahr Flächen und Gelder für innovative Projekte freigegeben. Das diesjährige Leitthema: Die produktive Stadt 2.0.
Damit wiederholt die Europan die Vorgabe von der 14. Edition (2017) und reiht sich in die Bemühen ein, der Stadtentwicklung in seiner Komplexität und gesellschaftlichen Bedeutung gerecht zu werden.
Die Architektur und Quartiere mit der Stadt als Ganzes in Einklang zu bringen und dabei ressourcenschonend vorzugehen, ist eine Herausforderung, der sich die Architekten stellen. Übergangsprozesse spielen dabei genauso eine Rolle wie der ökologischer Häuserbau.
Die Produktive Stadt – eine Kreislaufwirtschaft
In diesem Zusammenhang sollen sich die Bewerber Gedanken zur Syngerie zwischen der Stadt und produktiven Orten machen. Dies kann mit der Neunutzung von Zwischenräumen zwischen Wohnen und Produktion geschehen und beinhaltet Restflächen oder brachliegende urbane Strukturen.
Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sollen Ressourcen dem Kreislauf durch Recycling oder Aufarbeitung wieder zurückgeführt werden. Vorhandenes Material soll dabei im Sinne der Sharing Economy effektiver genutzt werden. Als konkrete Beispiele kann man Car-Sharing-Angebote sowie Werkzeugverleih-Dienste nennen.
Ganz im Sinne der Open Innovation öffnen sich Unternehmen bei der Produktentwicklung einem breiteren Spektrum und ziehen ihre Nutzer mit ein. Das können diese auf lokal-politischer Ebene mit Open Source basisdemokratischen Bürgerplattformen durchführen, wie z.B. Decidim in Barcelona. Darüber hinaus werden dadurch die Mitbestimmung und der Zusammenhalt in der Gesellschaft gestärkt.
Die Beziehung von Funktion und Nutzung und die Stadt als Ökosystem stellen dabei einen Teil der sozialen Überlegungen dar. Das Zusammenspiel von Alt und Neu, den Bürgern und ihrer Umgebung liegen im Blickpunkt der Europan. Die produktive Stadt möchte sich dabei von der dualistischen Sichtweise losgelöst sehen und betrachtet die Stadt von Morgen als einen Ort der Synergien.
Ressourcen, Mobilität und Fairness
Gemeinschaftliche Lösungsansätze: Die Schwerpunkte sind dabei um drei Hauptthematiken gelegt: Ressourcen, Mobilität und Fairness.
Ressourcen: Im Zusammenhang von Effizienz, Verbrauch und Verschmutzung geht es um die Frage, wie mit diesen umgegangen wird und diese verteilt werden.
Nähe im urbanen Raum schaffen, Distanzen zu verkleinern und barrierefreie Orte der produktiven Stadt, sind dabei die gesetzten Ziele um eine größere Mobilität zu ermöglichen. Die Fairness stellt sich der Problemstellung, wie räumliche Gleichheit zur sozialen Gerechtigkeit beitragen kann und beide verbunden werden können. Die Harmonie zwischen urbanen und ländlichen Gebieten, sowie arm und reich, stehen dabei im Fokus.
Die Europan 2019 reiht sich damit zum 15-mal in die progressiven Recherchen nach nachhaltigen Raumansätzen ein und denkt die Stadt von Morgen.
Raumunterteilungen
Die zu entwickelnden Flächen werden wiederum in drei verschiedene Raumgrößen unterteilt: XL, L, S
Die Größe XL bezeichnet den breitesten Handlungsraum, welcher auch Räume zwischen Städten betreffen kann und das Verhältnis Stadt-Land beinhaltet. Es gilt die Beziehungen verschiedener Kreisläufe auf regionaler Ebene zu untersuchen.
Die Größe L betrifft Stadtteile, wobei sich die Gedanken hauptsächlich um städtische Quartiere drehen. Diese sind Flächen, welche sich natürlich von ihrer Umgebung hervorheben.
Die Mikroebene S befasst sich mit den Eingriffen, welche am schnellsten zu verwirklichen sind und ebenso nur temporär wirken.
Die Teilnehmer der diesmaligen EUROPAN
In Zentral-Europa sind ehemalige Industriestädte bei den Europan-Teilnehmern beliebt.
In Frankreich ist Marseille mit seinen maroden Vierteln vorne mit dabei. Und während mit Romainville und Champigny-sur-Marne zwei Banlieues im Pariser Raum teilnehmen, ist mit Auby eine Kleinstadt von 7600 Einwohnern gewählt worden, die zugleich größter Zinkproduzent im Land ist. Auby liegt im strukturschwachen Norden von Frankreich. Und auch das französischsprachige Charlerois in Belgien reiht sich in die ehemals stark industrialisierten Städte ein, die diese Raumentwicklungen begrüßen.
In Deutschland nehmen neben Selb ( Oberfranken) die Städte aus dem Bergischen Land: Hilden, Ratingen, Solingen und Wülfrath gemeinsam teil, um eine „Bergische Siedlung“ zu entwerfen. Dabei werden sowohl Ackerflächen, als auch alte Industriegelände bebaut. Das Besondere: Alle Größen der Raumunterteilungen sind in diesem Projekt vertreten.
Update (18.02.2020, Oliver): Die Gewinner unter den Teilnehmer für die deutschen Standorte lassen sich auf der offiziellen Website einsehen. Neben der Namen sind dort auch die Tafeln mit detaillierten Bebauungsplänen hinterlegt. Für den Standort Selb finden sich die Ergebnisse hier und für den Standort Bergische Kooperation hier.
Von der Kooperation „Zwischen Rhein und Wupper“ wurden die Städte mit ehemals starker Textil- und Metallindustrie nicht umsonst zur Verfügung gestellt. Im Rahmen eines ihrer Pilotprojekte werden zukunftsweisende Quartiersentwicklungen unterstützt. Und die ausgewählten Bereiche liegen in einer Zone, die für den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht gezogen wird.
Der europäische Wettbewerb für junge Architekten ist nicht ohne Grund ein Vorreiter der neuen Architektur. Die Stadt von Morgen denken. Dies hat die produktive Stadt wie kein anderes Konzept integriert: Wohnen und Arbeiten in einer gesunden Umgebung. Aber auch die Wahl der Standorte ist gut durchdacht. Durch die Revitalisierung alter Industriestandorte wird ein echter Mehrwert geschaffen. Heute die Architektur der Zukunft bauen: Das ist die Europan
Artikel und Symbolfotos aus Saint Ouen: Vincent – Fotos von Solingen bereitgestellt durch die Europan Deutschland
Dieser Artikel wurde am 18.02.2020 von Oliver aktualisiert / Update
Dieser Artikel wurde am 01.04.2020 von Vincent aktualisiert / Layout