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Frankreich / Paris. Während der Gilets-Jaunes Bewegung kamen immer wieder Journalisten ins Kreuzfeuer der Gewalt und wurden an ihrer Arbeit gehindert. Nicht nur durch Demonstranten, aber ebenso durch Polizeibeamte. Der Fall von Gaspard Glanz 2019.

Die andauernden Proteste der Gilets Jaunes setzen die französische Regierung zunehmend unter Druck. Nach der Ankündigung eines ersten Ultimatums (Akt 18 / 16.März) an den Präsidenten Macron, waren gewaltsame Ausschreitungen bereits Wochen zuvor absehbar. Doch ein weiterer vorläufiger Höhepunkt der Eskalation in Frankreichs hitzigem politischen Klima wurde am 20.April (Akt 23) erreicht. Die französische Führung unter Macron, welche seit Dezember Teilnehmer an den Gilets Jaunes-Protesten nicht nur am Einreisen in die Landeshauptstadt Paris hindert, sondern diese auch – mit zum Teil grotesken Begründungen – verhaftet.

Auch Journalisten geraten vermehrt in das Visier des Staates. Auffällig dabei ist, dass immer wieder Übergriffe der Polizei auf unabhängige Journalisten stattfinden.

Eine besonders kritische Etappe wurde dabei während dem 23. Akt der Gelben Westen erreicht, als sieben Journalisten in Toulouse, sowie ungefähr zwölf Weitere in Paris an ihrer Arbeit gehindert wurden. Während Wasserwerfer oder Flashballwerfer gezielt auf Presseleute gerichtet wurden, trafen auch Splitter von Dispersionsgranaten und Schlagstockhiebe die unabhängigen Berichterstatter. Am aufsehenerregendsten waren jedoch die temporären Inhaftierungen zweier Journalisten: Alexis Kraland und Gaspard Glanz.

Wenn die Polizei dich beim Vornamen kennt

„Hallo Gaspard“, grüßte der Kommissar den Journalisten Gaspard Glanz an diesem Samstag auf dem Platz der République im Norden von Paris.

Kurze Zeit später bekommt der Gründer von Taranis News eine Granate ans Bein geworfen, welche sein Hosenbein anbrennt.

Wütend läuft dieser auf die Gruppe von Polizisten zu und fordert den Kommissar zu sprechen. Im folgenden Szenario wird ein Polizist ihm gegenüber handgreiflich und schubst ihn nach hinten. Daraufhin zeigt er diesem den Stinkefinger und wird kurz darauf von vier Polizisten gewaltsam in Gewahrsam genommen. Die Festnahme welche von Hors Zone Press gefilmt wurde, endet damit, dass die Polizisten mit ihren Schlagstöcken um sich schlagend, die restliche Versammlung der Journalisten um das Geschehen herum auflösen.


Der Fall Gaspard Glanz bedarf dabei besondere Aufmerksamkeit. In der Branche anerkannt als Video-Journalist dokumentiert er seit längerem Sozialbewegungen in Frankreich und ist regelmäßig auf verschiedenen Demonstrationen anwesend. Mit seiner Produktionsfirma Taranis News wurde er durch seine Berichterstattung während den Arbeitsgesetzten, Notre Dames des Landes und einer Reportage über den „Jungel von Calais“ bekannt. Seine Reportage handelten ihm diverse Einträge in erkennungsdienstliche Karteien, wie dem „Fiche S“ (Staatssicherheit) und „Fiche J“ (Staatliche gesucht) ein. Jedoch ist er nicht staatlich gesucht, sondern fungiert nach wie vor in dieser Kartei, trotz einem Antrag zur Aufhebung dieser Kennzeichnung.

Ein Geburtstag in der Zelle für… ?

Eine Bekanntheit welche ihm eine Freiheitsberaubung von über 48 Stunden und einen Geburtstag in der Gefängniszelle einhandelte. Am Montag den 22.04.2019 demonstrierten deswegen eine Handvoll von Journalisten, sowie Privatpersonen für seine Freilassung vor dem Kommissariat des 12. Arrondissements in Paris. Wir waren vor Ort. Unter Auflage wurde er am Abend freigelassen: Verbot am 1. Mai, sowie an Samstagen in Paris zu erscheinen und zu filmen. Am Montag den 29.04.2019 wurde dieses Verbot jedoch vor Gericht durch seine Anwälte erfolgreich angefochten. Doch allein das Aussprechen eines Bericht-Verbots über Demonstrationen ist in einigen anderen europäischen Ländern undenkbar.

Die Grundlage für seine Festnahme ist dabei der Gesetzesparagraph „Missachtung von Personen, die über öffentliche Autorität verfügen“, sowie „Teilnahme an einer Gruppierung zur Begehung von Straftaten oder Degradierungen“. Während es zu dem Ersten nichts hinzuzufügen gibt, wirft der letzte Vorwurf beträchtliche Fragen auf.

Journalisten im Kreuzfeuer autoritärer Gesetze?

Raphael Kempf, einer der Anwälte von Gaspard Glanz, weist in seinem Interview mit der Revue Ballast darauf hin, dass die Gesetzgebung in Frankreich in den letzten Jahre nicht nur dem Demonstrationsrecht geschadet hat. Auch Journalisten bekommen die Rechtsauslegung gegen ihren ursprünglichen Zweck zu spüren.

Im Jahr 2010 unter Sarkozy wurde der Article 222-14-2 in die Strafprozessordnung aufgenommen. Dieser verbietet die Teilnahme an einer Gruppierung zur Begehung von Straftaten. Ursprünglich im Kontext der Ausschreitungen in den Banlieues erdacht, sollte dieser das Zusammenkommen von Jugendlichen verhindern, welche möglicherweise Krawalle verursachen könnten.
Der Paragraph erinnert dabei stark an den Film „Minority Report“, in welchem anhand einer Vorhersage Menschen verurteilt werden und steht in einem direkten Gegensatz zur Unschuldsvermutung:

„Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig“


(Artikel 48, Charta der Grundrechte der Europäischen Union)

Neun Jahre später ist es dieser Paragraph, welcher Gaspard Glanz in die Gefangenensammelstelle führt. Und nebenbei gegen eine große Anzahl an Demonstranten der Gelb-Westen Bewegung angewendet wird, um zu verhindern, dass diese ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen können. In der Regel passiert dies in der Kombination mit Personenkontrollen und wird verhängt, wenn verdächtige Gegenstände vorgefunden werden. Als diese können bereits Skibrillen, Helme und Atemschutzmasken gelten. Dabei wird normalerweise ein und dem selben Muster gefolgt. Ein verdächtiger Gegenstand wird vorgefunden, welcher den Grund gibt, die Person in Gewahrsam zu nehmen. 24 Stunden später, nachdem die Demonstration zu Ende ist, werden diese dann wieder freigelassen.

Auch das Anti-Krawall Gesetz betrifft die Presse

Das Gesetz gegen Unruhestifter, im Volksmund unter dem Namen „Loi Anti-Casseur“ bekannt, wurde nach den gewaltsamen Ausschreitungen im Kontext der Gelb-Westen-Bewegung vom französischen Staat am 10. April 2019 verabschiedet.

So soll Personen der Zugang zu einem definierten Raum verboten werden, falls diese sich einer Körperkontrolle verweigern oder im Besitz von Gegenständen sind, welche per se als potenzielle Waffen betrachtet werden können. Es wird außerdem eine Kartei angelegt für Personen, welche einem Demonstrationsverbot unterliegen. Dies ist dabei nur auf ein klar definiertes Gebiet eingeschränkt, kann jedoch für die Personen sehr ärgerlich sein. So musste zum Beispiel Gaspard Glanz für den Akt 24 (27. April 2019) auf eigene Kosten Paris verlassen, unter Drohung von weiteren Konsequenzen im Falle eines Nichtbeachtens. Doch auch das Verbot an einer Demonstration teilzunehmen, sowie das Vermummungsverbot ist kritisch zu betrachten. Denn während in anderen EU-Ländern die Benutzung von Gummigeschossen verboten ist, sowie Dispersionsgranaten nur bei äußerst gefährlichen Situationen angewendet werden, so sind sie in Frankreich zum Alltag geworden. Schutzhelme und Atemschutzmasken, welche die Demonstranten vor den schlimmsten Auswirkungen schützen, werden damit kriminalisiert. Ein Sachverhalt der auch Journalisten trifft, welche diese Ausrüstungen zum Schutz ihrer Gesundheit benötigen.

Wenn deine Kamera als Waffe angesehen wird

Alexis Kraland, Journalist aus Paris, folgte den Gelbwesten am selben Samstag in die U-Bahn Station der Gare du Nord, dem Nordbahnhof von Paris. Dort wurde er von Polizisten umringt und dazu aufgefordert seine Kamera auszuhändigen. Als er sich weigerte, pressten sie ihn gegen die Wand und legten ihm Handfesseln an. Auf Nachfrage, warum die Polizei denn seine Kamera haben möchte, antworteten diese, dass sie im Auftrag der Staatsanwaltschaft handeln und die Kamera eine Waffe darstellen könnte. Ein Polizist schlug ihm auf die Hand, mit der er seine Ausrüstung festhielt. Nach Drohung der Polizei auch die Ausrüstung der umstehenden Fotografen zu beschlagnahmen, verließen diese den Ort des Geschehens.

Anschließend wurde seine Tasche durchsucht, wo die Polizei Reste von Cannabis in seinem Grinder fand. Zuerst sagten die Polizisten der Grund für die Verhaftung Alexis Kralands sei die Rebellion gegen das Herausgeben seiner Kamera. Auf dem Revier wurde die Begründung auf „Besitz von Betäubungsmitteln“ geändert. Offenbar wurde keiner der beiden Gründe von der Staatsanwaltschaft akzeptiert, denn auf Nachfrage von CheckNews/Liberation sagte die Pariser Staatsanwaltschaft aus, der Grund sei „Beteiligung an einer Gruppe im Hinblick auf Gewalt oder Erniedrigung“. Nach acht Stunden in Haft wurde Kraland freigelassen, allerdings wurde seine Schutzausrüstung von der Polizei zuvor zerstört.

Ist die Pressefreiheit in Frankreich gefährdet?

Wenn man sich den von der Staatsanwaltschaft verhängten Platzverweis gegen Glanz ansieht, dann ist fraglich was ein Stinkefinger mit dem Dokumentieren öffentlicher Protestbewegungen zu tun hat. Aktuell scheint die französische Regierung keine unabhängige Berichterstattung zu dulden.

Die Bewegung der Gelbwesten, welche zu einer ernst zu nehmenden Gesellschaftsbewegung gewachsen ist, scheint die Folge der Politik der letzten Jahrzehnte in Frankreich zu sein: Eine machtlose Unterschicht, die ausdauernd und mit Wut gegen einen repressiven, die Eliten fördernden Führungsstil kämpft.

Ob sich die Beliebtheit des neoliberalen Macrons steigert, wenn er sich nun auch noch die unabhängige Presse zum Feind macht ? In sozialen Medien werden sogar Vergleiche zu autokratischen Systemen gezogen.

Auf jeden Fall stellt sich langsam die Frage, ob die Pressefreiheit in Frankreich noch seine Gültigkeit besitzt oder ob sie bereits akut gefährdet ist. Die Schutzausrüstungen von Berichterstattern zu zerstören und Journalisten ohne triftigen Grund stundenlang in Gewahrsam zu nehmen, sind jedenfalls Indikatoren für ein Schwinden des Rechts auf freie Berichterstattung.

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