Im Süd-Westen Berlins, da, wo die Stadt an Brandenburg grenzt, die Häuser sich wie Perlen auf einer Kette den alten Mauerstreifen entlang ziehen. Wo viele Häuser einen kleinen Garten haben, die Kinderspielplätze groß sind. Auch dort verändert das Corona-Virus das Leben.
Entschleunigung des Alltags
Sind die Straßen wochentags leer, parken nun auch tagsüber Autos in Reih‘ und Glied. Busse fahren nicht mehr im 5-10-Minuten-Takt, sondern in größeren Abständen. Nur wenige Fahrgäste sitzen in den sonst immer vollen Bussen. Schon seit drei Wochen trennt ein rot-weißes Band Fahrer und Fahrgäste. Einstieg bitte nur in der Mitte oder durch die hintere Tür, mahnt ein Schild. Wer eine Fahrkarte lösen möchte, wird gebeten, sie per App zu lösen oder bei der Weiterfahrt an der nächsten S- oder U-Bahn-Station.
Sonntagsstimmung
Auch sonst wird das schon ruhige Viertel noch stiller. Schulen und Kindergärten liegen ruhig in der Sonne, kein Lärm ist zu vernehmen. Jeden Tag herrscht Sonntagsstimmung. Die Auslagen des Buchladens, des Wäschegeschäfts und des Fotoladens lassen sich betrachten, die Türen verschlossen und der Laden dunkel. Wer kann, hängt ein Schild an die Tür und bietet seine Dienste online an. Wer aber eine neue Frisur braucht oder sich die Schuhe neu besohlen lassen will, muss sich gedulden bis die Krise vorbei ist. Die Geschäfte, die offen haben dürfen, regulieren den Einlass. Die kleine Bäckerei um die Ecke bittet am Eingang mit einem großen Schild, in der Warteschlange vor der Tür Abstand halten und nur einzeln einzutreten. Ein Café wirbt mit Kaffee und Kuchen to go, der durch ein zur Ausgabetheke umfunktioniertes Fenster bestellt und mitgenommen werden kann. Die Restaurants in der Gegend, werben damit, Mahlzeiten vor die Tür zu liefern.
Distanz als neue Norm
Das Meiden von größerer Nähe und jeglichem Körperkontakt gehört inzwischen zum guten Ton. Man geht auf Distanz. Jogger laufen Kurven auf dem Bürgersteig, um den entgegenkommenden Spaziergänger nicht zu nahe zu kommen. Kinder werden angehalten, stehen zu bleiben, um die ältere Frau aus sicherem Abstand vorbei gehen zu lassen. Spaziergehen kommt wieder in Mode. Auch in der Woche bevölkern Alt und Jung Parks und Spazierwege. Werden in diesem Jahr besonders viele Neujahrsvorsätze (mehr Sport, 2mal die Woche joggen gehen, mehr Zeit für die Kinder und die Familie) eingehalten?
Zum Zentrum des öffentlichen Lebens auf Distanz werden die Lebensmittelmärkte. Hier treffen sich Nachbarn, Freundinnen und Bekannte. Gehörte der Edeka morgens den Rentner alleine, drängeln sich nun auch schon Arbeitnehmerinnen im Home-Office in den Gängen auf der Suche nach Obst und Gemüse, Getränken und Toilettenartikeln. An der Kasse sitzt ein schwarz behandschuhter Kassierer und bemüht sich zu lächeln. Das Leben geht seinen Gang.