In Paris ist der Urbanismus in seiner historischen sowie zeitgenössischen Handhabung auf das Wirken einer Person zurückzuführen. In Frankreich unternahm der Baron Georges-Eugiène Haussmann (1809-1891) das ambitionierte Infrastrukturprojekt Paris zu restrukturieren. Der von 1853 und 1870 als Präfekt der Stadt regierende Baron unternahm dabei die Herkulesaufgabe, die französische Hauptstadt zu einer einheitlichen Metropole zu formen. Er verkörpert dabei die Wendezeit einer Stadt zwischen Mittelalter, Renaissance und dem sich entwickelnden Industriezeitalter… und setzte einen Grundstein für die Stadtplanung “à la francaise”. Ihm sind unter anderem die ikonischen Straßenzüge, Boulevards und Hausfassaden von Paris zu verdanken. Doch was prägte die stadtplanerischen Bedenken dieser Zeit und welchen Einfluss übten diese auf die Architektur aus?
In Paris: der französische Urbanismus „à la francaise„
Die Schwerpunkte zur Zeit von Hausmann lagen dabei auf Sicherheit, Verkehr und Hygiene. Zum einen verschwanden die engen Straßen und machten Platz für Transportachsen. Damit sollten Aufstände und Unruhen innerhalb des Stadtgebietes erschwert werden. Zum anderen sollte dieser Eingriff die hygienischen Lebensbedingungen in Paris verbessern und durch die Erweiterung der Kanalisation und Schaffung von Grünflächen die Ausbreitung von Krankheiten verhindert werden. Die grünen Lungen von Paris, welche das Bois de Boulogne und der Parc de Vincennes sind, wurden zu dieser Zeit in den Stadtraum integriert.
Der französische Urbanismus: Haussmanns Einfluss auf die Baukultur von Paris
Als räumliche Unterscheidung dient die Unterteilung von rechts und links der Seine, dem Fluss der Paris durchfließt. Die Straßenzüge und Boulevards wurden zu einer netzartigen Struktur umgeordnet. Diese fungieren seitdem als Verbindungspunkte zwischen den wichtigen Orten, wie öffentlichen Plätzen, Parks und Monumenten. Die breiten Boulevards ermöglichten dabei auch den unterirdischen Bau der Katakomben und Kanalisationsanlagen. Später vereinfachten sie den Bau der Metrotunnel. Zwischen 1852 und 1868 wurden dabei bis zu 18.000 Gebäude zerstört und 60 Prozent der Stadtfläche wurde umgestaltet.
Die Architekturstile, die in der Haussmann-Ära entstanden sind, werden dabei in drei wesentliche Epochen unterteilt. Zwischen 1850 und 1870 entstanden die klassichen Haussmann’schen Gebäude. Sie waren vier bis fünf Stockwerke hoch und wurden im Laufe der Epoche auf sechs erweitert. Ab diesem Zeitpunkt begannen die Architekten ihre Bauwerke zu signieren. Der Post-Haussman’sche Stil von 1870 bis 1895 wurde von urbanen Unruhen begleitet. Die Fassadengestaltung blieb funktionell und nur nützliche Strukturen wurden erhalten. Ab dem Beginn der 90er zeichnet sich der Architekturstil wieder zunehmend durch seinen Detailreichtum aus. Schlussendlich leitete sich mit der Wende ins 20. Jahrhundert (1895-1914) auch das Ende der Haussmann’schen Ära ein.
Die großflächige und orchestrierte Entwicklung von großen Flächen ist zu einer französischen Spezialität geworden. Urbanauth hatte in seinem Artikel über das frisch fertiggestellte ökologische Stadtviertel Clichy-Batignolles im Norden von Paris bereits darauf hingewiesen. Aber auch der Bau der Ringautobahn, dem Péripherique in den 60er, 70er und 80er-Jahren verlangte eine großflächige Auseinandersetzung, um den steigenden Bedarf an Mobilität nachzukommen.
Anekdote: Vom Höhenflug in die Imobilienblase
1873 trat die Ernüchterung mit einer Immobilienblase ein. Die gestiegenen Wohnkosten führten zum Fortzug der Arbeiter aus dem Zentrum. Und auch der niedergeschlagene Aufstand der Pariser Kommune von 1871, hatte seine Wunden hinterlassen. In Folge der Blutwoche „la semaine sanglante“ wurde die Stadt mithilfe der Preußen zurückerobert. Die Geschehnisse um die Pariser Kommune entstand dabei infolge einer sich verändernden Umgebung, aber auch den sozialen Ungerechtigkeiten und Hungersnöten dieser Zeit. Bleibende Errungenschaften war die Teilnahme der Frauen im politischen Diskurs und Bünden. Revolutionärinnen, wie die Lehrerin Louise Blanc und andere Mitstreiterinnen, legten dabei wichtige Grundsätze für die Frauenrechte und ihrer Emanzipation von der industriell -patriarchen Gesellschaft.
Im aktuellen Zeitgeschehen traten die steigenden Mieten und sozialen Ungleichheiten der französischen Gesellschaft mit der Sozialbewegung der „Gilets-Jaunes“ wieder in den Vordergrund. Zugleich befindet sich die Hauptstadt Frankreichs vor der Schwelle zum großen Paris, dem „Grand-Paris„. Die olympischen Spiele 2024 wirken dabei als Katalysator mit der Fertigstellung von neuen Bahnhöfen, Wohngebäuden und Sporteinrichtungen. Im Fokus der stadtplanerischen Bedenken: Mobilität, Dichte und Lebensstandards. Die Entwicklungen sind im vollen Gange und das Stadtbild im raschen Wandel.
Haussmanns Plan, die Stadt nach innen sicherer zu machen, ist umstritten. Dennoch leistet er einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der Metropole und dessen einsetzende Urbanisierung. Ohne den Baron Haussmann würde Paris nicht so aussehen, wie es dies heute tut! Doch wie sieht die Hauptstadt Frankreichs morgen aus?
Literaturquellen: Grundbegriffe der Ästhetik (Urbanismus), Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Band 6. Herausgegeben im Verlag J.B. Metzler unter der Leitung von Dieter Kliche. 978-3-476-02359-9