Berlins alternatives Museum für Streetart und Graffiti
Die ehemalige Radarstation vom Teufelsberg
In Berlin gibt es ein alternatives Museum für urbane Kunst: die ehemalige Radarstation vom Teufelsberg. Seit mehreren Jahren zieht dieser zuvor Lostplace, Streetart und Graffiti-Künstler an!
Hoch über den Dächern der Stadt kann man die Silhouette des sogenannten Teufelsbergs mit seiner stillgelegten und baufälligen Abhörstation aus dem Kalten Krieg erkennen. Der Berg entstand nicht auf natürliche Weise, sondern durch menschliches Zutun. Bis in die 1940er Jahre befand sich hier die Wehrtechnische Fakultät, eine Einrichtung die im Rahmen des nationalsozialistischen Projektes der Welthauptstadt Germania entstand. Diese wurde nach den Zweiten Weltkrieg gesprengt und das Gelände anschließend als Schutt-Deponie genutzt. Bis 1972 wurde hier eine Schuttmenge von etwa 25. Millionen Kubikmetern abgeladen, was ungefähr einem Drittel der Baumasse aller im Krieg zerbombten Gebäude Berlins entspricht.
Berlin und sein alternatives Museum für urbane Kunst
Ein Lost Place im Wald – Ort wo sich Streetart und Graffiti Künstler austoben
Anschließend wurde die aufgeschüttete Landschaft mit Sand und Mutterboden gestaltet und mit rund einer Million Bäumen bepflanzt. Abgesehen von der Nutzung als Rodelberg dienten die Hügel auch für die Errichtung einer Abhörstation der Amerikaner im Kalten Krieg. Nach der Wiedervereinigung wurde diese leergeräumt und zu einem Lost Place in Berlin. Heute genießt man auf den Höhen des Teufelsbergs einen großartigen Blick über den Grunewald und die angrenzenden Stadtviertel. Neben diesem Ausblick in circa 120 Metern Höhe lohnt sich auch die Begehung der ehemaligen Abhörstation.
Berlin und sein Museum für urbane Kunst
Von einer Ruine zur Kunstkulisse – Europas größte Graffiti Galerie
Heute bietet sich neben der eindrucksvollen Ruinenromantik eine Mischung aus Abenteuerspielplatz, Müllhalde und Kunstkulisse. Ein zwischenzeitlicher Pächter schuf dort in der Zusammenarbeit mit diversen internationalen Künstlern, ohne ein übergreifendes Konzept, die größte Graffiti-Galerie Europas. Auf einer Fläche von 2400 Quadratmetern haben bekannte Streetart- und Graffiti-Künstler ihre Bilder in grellen, bunten Farben an den Wänden hinterlassen.
Im Jahr 2011 kamen einige Künstler auf den Berg und begannen damit, das Gelände zugänglich zu machen. Sie räumten Schutt weg, setzten Fenster ein und gestalteten das Gebäude künstlerisch. Seit 2015 hat Marvin Schütte, der Sohn von einem der vier Eigentümer, das Gelände gepachtet, um eine Künstlerkolonie für eine nachhaltige Gestaltung des Teufelsbergs zu schaffen. Des Weiteren bietet er dort Führungen an und gelegentlich diente der Ort sogar als Filmkulisse. Zwar arbeitet er mit den Künstlern zusammen, jedoch stehen diese ihm zum Teil kritisch gegenüber. Verträge mit dem Pächter gäbe es keine, aus Angst vor einem Rausschmiss. Im Jahr 2018 wurde das Hauptgebäude des Komplexes aufgrund von Sicherheitsbedenken bei Statik und Brandschutz von der Berliner Bauaufsicht gesperrt. Das betrifft neben den Touristen vor allem den Pächter sowie die dort agierenden Künstler.
Finanzierungs- & Behördenprobleme für alternative Kunstorte
Vom ehemaligen Hauptgebäude sind nur noch die drei markanten Antennenkuppel sowie das Betonskelett erhalten. Man braucht Besucher für die Einnahme und ihr Geld um das Gelände instand zu halten. Entsprechend ärgerlich ist ein solcher Rückschlag für den Pächter und die Künstler. Diese zahlen zwar keine Miete, sind aber dennoch auf das Geld für die Instandhaltung angewiesen. Zu den Sicherheitsbedenken meinte Schütte gegenüber der BZ: „Einstürzen wird das Hauptgebäude sicher nicht.“ Man wolle nun weiterhin versuchen mit anderen Ideen, wie z.B. einer Schnitzeljagd oder einer Schatzsuche neue Besucher anzuziehen.“ Außerdem gibt es einen Ausstellungsraum zur Geschichte der Radarstation auf dem Teufelsberg.
Von „Denk mal“ zum Denkmal
Neben der Künstlerkolonie engagiert sich das Aktionsbündnis Teufelsberg aus Naturschützern und Anwohnern für den Teufelsberg, die sich von den lauten Partys auf dem Berg zunehmend gestört fühlen. Des Weiteren wollen sie, dass das Gelände öffentlich zugänglich gemacht wird und außerdem die Aufschüttung des Berges, mitsamt der Radarstation, um so den Berg ganz nach der Vorstellung der damaligen Landschaftsarchitekten zu vollenden. So geben Sie auf ihrer Website an: „Nach Teilabriss der Ruinen der Abhörstation soll auf dem heutigen Plateau die 1950 geplante Hügelform durch Aufschüttung mit Baugrubenaushub vollendet werden.“ Auch der Denkmalschutz wünscht sich einen öffentlichen Zugang zum Gelände, hat darüber jedoch keinerlei Entscheidungsgewalt. Seit Oktober 2018 steht der Teufelsberg mitsamt der Station unter Denkmalschutz, womit zumindest die Pläne der Aufschüttung hinfällig sind. Der Pächter befürchtet durch den Denkmalschutz eine Erschwerung seiner Pläne, die neben einem Restaurant bzw. Cafe auch eine Aussichtsplattform sowie ein Museum beinhalten.
In Berlin ist für das alternative Museum für urbane Kunst die Zukunft noch offen
Die beiden Schüttes wollen zusammen mit den Künstlern das Objekt und die Inhalte darin gemeinsam weiterentwickeln und so auch weiterhin durch Führungen, Veranstaltungen und Vermietungen Eintrittsgelder generieren, die weitestgehend dem Projekt selbst zugutekommen sollen. Gleichzeitig versucht der Eigentümer Manfried Schütte den Künstler Wolfram Liebchen mit einer Räumungsklage aus der alten Kantine zu werfen, um dort ein Restaurant zu eröffnen. Ein Konflikt steht an und weitere werden Folgen. Dies sorgt für Nervosität bei den anderen Künstlern. Des Weitern gibt es von Seiten der Politik erste Bestrebungen, das Gelände zurückzukaufen. Die rot-rot-grüne Landesregierung wolle das Gebäude zu einem „Erinnerungsort“ umgestalten. Die CDU-Fraktion befürwortet dagegen eine neue Nutzung als Sportanlage. Der Pächter und die Künstler haben ihre eigenen Pläne. Wie andernorts in Berlin bahnt sich hier ein Konflikt zwischen Politik, Eigentümern und Nutzern des Gebäudes an. Es ist unklar ob und wie sich das inoffizielle Museum für urbane Kunst weiterentwickelt.