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Urbanauth: Rückblick auf unsere Arbeit aus 2022 und Vorschau auf das kommende Jahr

Urbanauth: Rückblick auf unsere Arbeit aus 2022 und Vorschau auf das kommende Jahr

Urbanauth. Das Jahr 2022 ist schneller vergangen, als wir gedacht haben. An erster Stelle stand die komplette Überarbeitung der Urbanauth-Webseiten. Unter Urbanauth.eu gibt es unsere Artikel nun auf Englisch und auf Urbanauth.fr in Französisch zu lesen! Vielen Dank an Lukas Müller, welcher als IT-Administrator den Relaunch begleitet hat. Da das Webdesign viel Zeit in Anspruch nahm, konnten erst ab Frühling wieder regelmäßig Artikel veröffentlicht werden. Als Highlight zum Jahresende konnten dabei vor allem drei Seiten live gehen. Ab 2023 wird es somit wieder regelmäßig von uns zu lesen geben. Am besten jetzt in unseren Newsletter eintragen und nichts verpassen (Eine weitere Neuerung von diesem Jahr)!

Das gab es dieses Jahr über die Stadt-Mensch Beziehung zu entdecken! (Urbanauth / Paris )

Im Folgenden ein Überblick über unsere publizierten Artikel in 2022 über Stadtentwicklung, Infrastruktur und urbane Kultur.

Jahresrückblick Urbanismus & Stadtentwicklung: Fokus Infrastruktur, Klimawandel und Gesundheit

2022 veröffentlichten wir insgesamt fünf Artikel zu unserem Themengebiet Urbanismus und Stadtentwicklung. Wie im vergangenen Jahresrückblick bereits angekündigt, lag der Fokus dabei auf Infrastruktur und Stadtentwicklung in Verbindung zum Klimawandel, aber auch Gesundheit. Über diese Themen wird es im kommenden Jahr ebenfalls mehr zu entdecken geben!

Jahresrückblick auf unsere Publikationen über urbane Kultur & Urbanität

Urbanauth – dein urbanes Media. Wir wurden dieses Jahr öfters gefragt, wie man Urbanauth unterstützen könne: Weitersagen oder mitmachen!

Fokus auf Raumaneignung: öffentliche Räume und Graffiti

Im Laufe des Jahres konnten wir sechs Artikel über Urbanität und urbane Kultur veröffentlichen. Der Themenfokus lag dabei auf Graffiti und Kunst im öffentlichen Raum.

So beeinflusst der Klimawandel den Städtebau

So beeinflusst der Klimawandel den Städtebau

Die Folgen des Klimawandel stellt den modernen Städtebau vor verschiedenen Herausforderungen. Neben den direkten Auswirkungen haben Metropolen außerdem mit selbst-erzeugten Problemen zu kämpfen.

Abseits der gigantischen Infrastruktur-Projekte entstehen heutzutage überall neue urbane Lebensräume. Parallel verläuft die Erweiterung von bestehenden Städten durch tiefgreifende, räumliche Eingriffe im Erscheinungsbild und der Infrastruktur. Geografisch werden dabei zumeist nicht-urbanisierte Räume innerhalb von Jahrzehnten komplett erschlossen und urbanisiert. Im Vordergrund stehen als Herausforderung die Auswirkungen des Klimawandels. Damit einher stellt sich die Frage nach urbaner Resilienz. Aber auch Mobilität, erneuerbare Energien und moderne Konzepte des zeitgenössischen Städtebaus rund um die produktive Stadt und Smart Citys spielen eine wichtige Rolle in der Planung von zukünftigen Städten.

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Moderner Städtebau in Hamburg (Foto: Urbanauth / VGO / Hamburg / 2018)

Konkrete Gefahren vom Klimawandel für den Städtebau

Hauptbedenken des modernen Städtebaus ist der Klimawandel und seine Auswirkungen auf den menschlichen Lebensraum. Ob steigende Meeresspiegel, Flut und Erdbeben oder Dürren und Hitzewellen; die Folgen der globalen Klimaerwärmung werden in die Erwägungen der Stadtplaner miteinbezogen. Neben dem datengesteuertem Ansatz der Smart Citys wird vermehrt Wert auf erneuerbare Energien und nachhaltigen Städtebau gelegt. Urbane Resilienz soll dabei helfen, Städte klimaresistent zu gestalten. Konkrete Herausforderungen für den modernen Städtebau durch den Klimawandel sind:

  • Steigende Meeresspiegel bedrohen weltweit Metropolen vor dem Versinken
  • Erdbeben und Flutgefahren bedrohen die Infrastruktur von Städten
  • Dürren und Hitzewellen haben direkte Folgen auf die Ernährungssicherheit und Gesundheit der Bevölkerung
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Paris ist wegen seiner hohen Asphaltierung anfällig für starke Regenfälle, da das Wasser nicht ordentlich ablaufen kann. (Foto: Urbanauth / VGO / Paris / 2021)

Im Fokus steht der Umweltschutz und ressourcenschonende Umgang mit Materialien und Energie, aber auch die Gesundheit. Hierbei werden ebenfalls Problematiken stark urbanisierter Räume thematisiert. Neben der Steigerung von Lebensqualität und Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit im Sinne einer produktiven Stadt, spielt das Thema der Mobilität eine fortwährende, wichtige Rolle in den neuen Megastädten und Metropolen. Urbane Phänomene sowie weitere Herausforderungen des urbanen Lebensraums und des modernen Städtebaus sind:

  • Die Mobilität steht im Mittelpunkt des modernen Städtebaus. Die Verringerung der Pendelzeiten mit öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln verhilft zu einer Steigerung der Produktivität und Lebensqualität. Außerdem hilft Mobilität territoriale Ungleichheiten zu verringern und einen gleichmäßigen Zugang zu Arbeit, Bildung und Wohnraum zu ermöglichen.
  • Urbane Hitzeinseln bilden sich in Kombination durch übermäßige Nutzung von Stahl und Glas in der Architektur und der Asphaltierung und Bodenversiegelung. Ein spürbarer Effekt tritt nachts ein, wenn die sich die über den Tag angestaute Hitze in Wärme umwandelt und an die Umgebung abgibt.
  • Luftverschmutzung ist ein wiederkehrendes Problem von urbanisierten Räumen. Verantwortlich für eine beträchtliche Zahl an Toten und schädlich für die Gesundheit: die Luftverschmutzung in Städten wird hauptsächlich durch die Industrie und den Automobilverkehr verursacht.
  • Die Hygiene ist eine historische Konstante im Städtebau. Seit den Pandemien aus dem Mittelalter bis in unsere heutige Zeit hat das Thema der Vorbeugung von Krankheiten in Städten eine wichtige Bedeutung.
  • Die Bevölkerungsdichte von Metropolen ist ein Kernelement der Urbanisierung. Durch weitere Verdichtung muss weniger Boden versiegelt werden und ermöglicht zugleich mehr Wohnraum auf weniger Platz zu schaffen.
  • Die Wirtschaft spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in der Planung und Realisierung von Städten. Neben den nötigen Investitionen zum Bau und Erhalt, spielt auch die Bedeutung von Städten als Finanz-Zentren und Wirtschaftsmotoren eine Hauptrolle im modernen Städtebaus.
Strick-Graffiti: Was ist Urban Knitting?

Strick-Graffiti: Was ist Urban Knitting?

Strick-Graffiti, auch bekannt unter Urban Knitting ist sowohl eine Form der urbanen Kunst als auch des „weiblichen Taggens“. Nachdem Graffiti vom Untergrund zur Institution wurde, eroberten die taggenden Strickerinnen mit Graffiti-Strickwaren den Asphalt der großen Megastädte und anderer französischer Großstädte. Ein Tag ist ein Graffiti, das nachgezeichnet oder gemalt wird und sich durch eine schriftähnliche Grafik auszeichnet, die ein Zeichen darstellt. Lady Pink ist beispielsweise eine New Yorker Taggerin, die 2010 von der Fondation Cartier pour l’art contemporain in Paris in ihrer Ausstellung „Né dans la rue-Graffiti“ hervorgehoben wurde. Historisch gesehen war das Taggen vor allem Männersache, aber das hat sich mit LizaFrenchPaint, Lady K. sowie Nake geändert. Eine vergleichbare Methode, sich die Gemeinden anzueignen, ist das Strick-Tag, bei dem ein weiblicher Archetyp verwendet wird.

Der ursprüngliche Artikel „Le tricot graffiti, une forme de tag féminin“ ist von Monia Douib und erschien 2021 auf der französischen Seite von Urbanauth.

Beim Graffiti-Knitting werden verschiedene Garne mithilfe von Nadeln zu Strängen und Maschen verknüpft. Außerdem kann Graffiti-Knit mit anderen Techniken wie Häkeln, Wickeln, Weben und Tapezieren ergänzt werden.

Zu Beginn gehörte das Stricken zu den Arbeiten von Damen. Es war der Bereich der familiären privaten Sphäre. Doch bereits in den 1970er Jahren werteten zeitgenössische Künstlerinnen diese Damenhandarbeiten auf, indem sie sie wiederverwendeten und für künstlerische Zwecke zweckentfremdeten. So auch die französische Künstlerin Annette Messager mit dem Werk „Les pensionnaires“ (1971-1972) sowie Rosemarie Trockel mit ihren „Wool works“ Mitte der 1980er Jahre. In ähnlicher Weise ist auch das Strick-Graffiti eine Form der Stadtkunst. Allerdings gehört Strick-Graffiti nicht in die Museen der Metropolen, sondern auf die Straße.

Strick-Graffiti in der Stadt La Rochelle, Frankreich (Urbanauth/ VG / 2020)

Urban Knitting als städtische und internationale Kunstbewegung

Urban Knitting ist aus diesem Grund eine Straßenkunstbewegung, für die sich der Kunstmarkt später sicherlich interessieren könnte. Oft ist es illegal, Mobiliar und Stadtlandschaften ohne Genehmigung der Behörden zu bedecken oder zu beschmieren.

Angeblich wurde diese Kunstbewegung „offiziell“ 2005 in Houston, USA, von Magda Sayeg gegründet, die den Türgriff ihres Wollgeschäfts mit Strickzeug verkleidet hatte.

Auf diese Weise hat sie die Kunst des Strickens demokratisiert. Seitdem kann jeder mit Hilfe von Tutorials, die er im Internet findet, es ihr gleichtun und die Straße schmücken und dekorieren. Dies ist der Höhepunkt des „do it yourself„, also des „Mach es selbst“, das seinen Ursprung in der Punk-Bewegung findet. Urban Knitting ist eine Kunstform, die zwischen Markierungen und Design angesiedelt ist. Strickende Taggerinnen verwenden sowohl Techniken aus dem Design- als auch aus dem Textilbereich mit einer künstlerischen Vision. So drücken sich die taggenden Strickerinnen mit Damenarbeiten aus und erobern die Städte.

Diese menschennahe Kunstbewegung verbreitete sich schnell in Europa und vor allem in London mit der „knit the city„-Bewegung, d. h. „Stricke deine Stadt“. Seitdem wurde dieses neue Konzept im Juni 2015 unter dem Begriff „yarn bombing“ in das English Oxford Dictionary aufgenommen.

Wie sich Urban Knitting auf die Stadtbewohner auswirken

Wenn man einen Pfosten berührt, ist er kaltes Metall und hat nichts Menschliches an sich. Wenn man ihn aber in eine gestrickte Hülle packt, behält das Gestrick die Erinnerung an eine Hand. Es gibt eine Beziehung zum Menschlichen. Es wird eine Beziehung aufgebaut. Man weiß, dass es eine Spur von Menschlichkeit gibt„, so Magda Sayed.

Straßenstrickerinnen kleiden Megastädte ebenso wie überschaubarere Großstädte ein. Auf diese Weise erwärmen sie die Herzen der Einwohner. In sehr großen Gemeinden, in denen der Individualismus vorherrscht, ermöglicht dies den Passanten, sich die menschliche Wärme der Wollknäuel ihrer Großmütter vorzustellen und sich an sie zu erinnern. Es ist eine Geste der Solidarität für alle. In der Tat ist Stahlbeton kalt und diese Städte sind grau. Indem sie die Stadtlandschaft mit Fäden markieren und personalisieren, gestalten sie die Stadt als “ Work in Progress“.

Die Stadtbewohner freuen sich, wenn sie das sehen, und beginnen ganz natürlich zu lächeln. Sie reagieren positiv auf den Anblick dieser Ausdrucksform. Das macht die Stadt attraktiver und die Atmosphäre freundlicher.

Es geht auch darum, mit Farben Freude und gute Laune zu verbreiten und sich die Stadt durch das Verzieren von Stadtmobiliar wieder anzueignen„, so Katheline Santisteban, die Leiterin der Tricothèque de Maurepas.

Jeder bemerkt diese urbanen Kreationen und die Originalität der Künstlerinnen. Es ist bunt, technisch, sonnig und fröhlich. Es ist eine gute Möglichkeit, den Bürgern die Lebensfreude zurückzugeben. Es verleiht unseren Stadtkernen Originalität in einer Geste der Solidarität. Auf diese Weise kann die Stadt Charakter haben. Die Bürger beteiligen sich an diesen punktuellen städtischen Ereignissen.

Attraktive Projekte rund um Urban Knitting und Strick-Graffiti im Herzen der Städte

Strick-Graffiti im City Square von Melbourne, Australien (Jade Craven/Licence istock photo/https://jadecraven.com/)

Deshalb gibt der Staat solche Werke in manchen Fällen bei Künstlern in Auftrag und lässt auch Bürgerin*innen in Nachbarschaftsvereinen an solchen Großprojekten stricken. Ob in den großen Hauptstädten oder in anderen Städten, ob mittelgroß oder klein, alle machen mit.

Beispielsweise hat die Stadtverwaltung des elften Arrondissements von Paris im Jahr 2017 das Sommerfestival „Onze bouge“ ins Leben gerufen. Die teilnehmenden Bewohner des elften Pariser Arrondissements verabredeten sich einmal im Monat und markierten den Place Léon Blum mit Strickwaren. Das Rathaus des elften Arrondissements öffnete diese partizipative Veranstaltung für Strickerinnen oder Stricker, Anfängerinnen und Anfänger sowie Omas. Der Künstler und Blogger Zak koordinierte all diese Teilnehmer. Sie griffen auf gespendete Wolle zurück. Ein Fadenstrich, ein Hauch von guter Laune für die Stadt. Es macht die Städte menschlicher!

Es ist Balsam für die Seele, solche Akte der Solidarität zu sehen. Ich persönlich finde, dass es mehr solcher Projekte geben sollte. Denn ob meine Freunde oder ich, es macht uns glücklicher zur Arbeit zu gehen, wenn man bedenkt, wie viel Stress wir in der Stadt haben. Ehrlich gesagt, wenn ich sehe, wie sich Franzosen zusammenschließen, um Farbe in die Stadt zu bringen, macht mir das Mut„, so Marie Justine.

Es ist schade, dass Urban Knitting nicht weiter verbreitet ist und dass sie kurzlebig bleibt. Dies ist auf die Zerbrechlichkeit der Materialien zurückzuführen. Aber wenn die kulturellen Institutionen solche Werke in ihre Reihen aufnehmen, werden die Restauratoren und Konservatoren über die nötigen Kompetenzen verfügen, um ihren Bestand zu sichern. Die Zukunft dieser urbanen Kunstbewegung wird es zeigen.

Stadtentwicklung: 5 utopische Städte von Morgen

Stadtentwicklung: 5 utopische Städte von Morgen

Groß, größer, am Größten? Der moderne Städtebau kennt weltweit eine Renaissance. Abseits der gigantischen Infrastruktur-Projekte entstehen heutzutage überall neue Metropolen. Parallel verläuft die Erweiterung von bestehenden Städten durch tiefgreifende, räumliche Eingriffe im Erscheinungsbild und der Infrastruktur. Im Nahen Osten werden neue Metropolen gebaut, wo zuvor nur Wüste war. Im traurigen Gegenzug sieht sich Indonesien gezwungen, seine Hauptstadt Jakarta wegen des steigenden Meeresspiegels umzuziehen. Von Saudi-Arabien, Ägypten und Nigeria zu Indonesien und Japan – die verschiedenen Akteure verfolgen ihre eigenen urbanen Utopien. Entdecke fünf utopische Städte in der Entstehung – doch Vorsicht, nicht alle sind zum Erfolg verdammt!

Moderner Städtebau: 5 utopische Städte von Morgen

Utopische Städte: die linienförmige Wüstenstadt Neom „The Line“ in Saudi-Arabien

So funktioniert moderner Städtebau im Nahen Osten! Das futuristische Projekt um die linienförmige Wüstenstadt Neom, auch bekannt als „The Line“ setzt neue Maßstäbe. Unter der Initiative von Kronprinzen Mohammed bin Salman und in Kooperation mit Jordanien soll im Nordwesten von Saudi-Arabien in der Tabuk-Provinz diese utopische Stadt entstehen. Neben dem geplanten linienförmigen Aufbau und beachtlichen 170 Kilometern Länge sorgen weitere Innovationen und Ideen für Zukunftsmusik.

Im Vordergrund steht die „Walkability„. So sollen alle wichtigen Einrichtungen, wie Schulen, Kliniken und Grünflächen innerhalb von fünf Minuten fußläufig erreicht werden. Dank neuer Mobilität soll auch die Pendelzeit reduziert werden: Mit einem automatisierten High-Speed Transit-System, welches auf modernsten Technologien beruht, soll keine Fahrt länger als 20 Minuten dauern. Durch den linienförmigen Bau von Hochhäusern entsteht eine dichtbesiedelte Zone, die die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt verringern soll. Erneuerbare Energien werden in die Projektplanung dabei ebenso miteinbezogen, wie technische Fortschritte rund um die Smart-City und künstliche Intelligenz.

Eines der zugleich anspruchsvollsten Städtebauprojekte, als auch teuersten. Mit über 500 Milliarden Dollar schlagen sich die geplanten Kosten bereits zu Buche – mögliche Tendenz steigend. Dank der Unterstützung durch Saudi-Arabien mangelt es nicht an den finanziellen Mitteln. Das Land im Nahen Osten weiß um die Vergänglichkeit seines Rohstoffreichtums. Neom soll neue Impulse setzen und eine Zukunft abseits des Ölmarktes ermöglichen. Das Projekt, welches 2017 enthüllt und dessen erste Bauphase 2019 begann, erlitt durch die Corona-Pandemie erste Verzögerungen im Zeitplan.

Währenddessen kennt die Fantasie und Kreativität der Architekten und Entwickler wenig Grenzen. Im Sinne der Skyline von Dubai wird auch in Neom hoch gebaut. Vorschläge wie der Downtown-Circle einem gigantischen Donut-förmigen Gebäude im Zentrum der Stadt und der Vorschlag einer kilometerlangen Gebäudelinie sorgen mit aufwändigen Renderings für Zukunftsmusik. Von weiteren utopischen Ideen und Ausreißern ganz zu schweigen! Ein Jurassic Park mit Roboter-Dinosauriern, sowie einen künstlichen Mond und leuchtender Sand eingereiht in „Out of the box„- Gebäude-Entwürfen… den Architekten- und Planungsbüros mangelt es nicht an pompösen Einfällen. Welche von den vielversprechenden Vorschlägen und Utopien schlussendlich umgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen.

Dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zugeht, lässt sich aus der Ferne nur vermuten. So berichtete die britische Zeitung The Guardian kürzlich über drei Mitglieder des Huawaitat-Stammes welche zum Tode verurteilte wurden. Der Verdacht, dass dies in Bezug zu ihrem Widerstandes gegen Neom und der Vertreibung von ihren Böden. Doch auch weiteren Mitglieder des Stammes drohen lange Gefängnisstrafen. So kritisierte unter anderem der UN-Menschenrechtsrat die Verurteilungen auf Basis vager Terrorismus-Anschuldigungen.

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So stellten sich Architekten und Stadtplaner in Frankreich die Stadtlandschaft vor – 15. Arrondissement mit seinen Gebäuden aus den 70er Jahren. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

Ägyptens neue Regierungsstadt – die „New Administrative Capital“ soll Kairo ersetzen

Halbmoderner Städtebau mit veralteten Konzepten oder doch die falschen Vorbilder? Auch in Ägypten wird kräftig an gigantischen Urbanisierungs- und Infrastrukturprojekten gebaut. Das Land mit seinem Suezkanal ist für den globalen Schiffs- und Güterverkehr von strategischer Bedeutung. Im Rahmen des chinesischen Infrastrukturprogramms, der One Belt-Initiative und Chinas neuer Seidenstraße, erhält Ägypten dabei bereits massiv Investitionen. Als Teil der „Vision Ägypten 2030„-Agenda wird nun der Bau einer neuen administrativen Hauptstadt vorangetrieben.

Denn vor allem die millionenstarke Metropolregion von Kairo kämpft mit den Problemen einer chaotischen Stadtentwicklung. Dem soll nun mit dem Projekt der „New Administrative Capital“ Abhilfe verschafft werden. Die neue Regierungsstadt unweit Kairos kostet geschätzte 60 Milliarden Euro. Der Journalist Patrick Hoffmann berichtet in seinem Beitrag für den RND ausführlich über das Vorhaben und die aktuelle Umsetzung des Regierungsviertels.

Auch wenn der exakte Name noch fehlt, so existiert 50 Kilometer im Osten von Kairo bereits eine gigantische Baustelle. In Sachen modernem Städtebau wird mit den klassischen Großprojekten geworben. Neben einem riesigen, internationalen Flughafen, werden ebenfalls Gewerbegebiete, Freizeitparks- und Einrichtungen, Krankenhäuser, Schulen, Moscheen und Wohnraum für mehrere Millionen Menschen gebaut. Die neue administrative Hauptstadt soll zum neuen Herzen und Wirtschaftsmotor des Landes werden. Doch wie modern Ägyptens Städtebau-Projekt wirklich ist, bleibt offen.

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Moderner Städtebau: Was die grauen Plattenbauten wohl ersetzen wird? (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

In Sachen Mobilität sollen 2000 Kilometer Gleisstrecke gelegt und 60 Stationen gebaut werden. Von Abu Simbel bis Luxor, nach Alexandria über Kairo und der neuen Hauptstadt wird das Schienennetzwerk ausgebaut. Das deutsche Unternehmen Siemens hat den historischen Vertrag 2022 abgeschlossen und ist für den Bau des Transportnetzwerkes verantwortlich.

Gegen den Bau der neuen Regierungshauptstadt regt sich Widerstand – die Planung und der Zweck stehen in der Kritik. So kann das verschuldete Land bereits ohne fremde Investitionen nicht seine Kosten decken. Der Bau eines solchen gigantischen Projektes verschlingt dabei eine unkalkulierbare Anzahl an Ressourcen und riskiert langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft und Umwelt zu haben.

In der Kritik: veraltete, stadtplanerische Konzepte aus den 70er-Jahren, sowie ein diskriminierender, territorialer Ansatz mit einem ungleich ausgebauten Mobilitätsnetz, sowie eine fragwürdige Nutzung der Wasserressourcen. Doch vor allem die veralteten, stadtplanerischen Ansätze mit ihren großen Boulevards und Schnellstraße, sowie die Trennung der Lebensbereiche von Wohnen, Arbeit, Konsum und Freizeit in verschiedenen Vierteln steht dabei im Gegensatz zu den zeitgenössischen, urbanistischen Ansätzen einer produktiven Stadt. Bisher ist nur wenig über den Fortschritt der neuen administrativen Hauptstadt bekannt und es bleibt abzuwarten, ob das Bauvorhaben gelingt.

Ungewisse Umsetzung: Die Eko Atlantic City bei Lagos

Medial wenig beachtet, sowie zurzeit in Stillstand und ebenfalls ein Beispiel von modernem Städtebau auf dem afrikanischen Kontinent: die Eko Atlantic City als Erweiterung von Lagos. Auf ungefähr 25 Quadratkilometern Fläche sollte neuer Wohnraum erschlossen und bis zu 15 Quadratkilometer ins Meer hinein gebaut werden. „Eko“ steht dabei mitnichten für Ökologie, wie es ein anglophoner Leser meinen könnte, aber wohl für den Yoruba-Pedanten von Lagos.

Das Bauvorhaben, welches mit chinesischer finanzieller Unterstützung und Know-How umgesetzt werden sollte, befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt im Stillstand. Abgesehen von Unmengen an aufgeschüttetem Sand und einigen, verhältnismäßig wenigen Gebäuden haben die Folgen der Corona-Pandemie das Bauvorhaben verzögert und stellen eine realistische Fertigstellung infrage.

Der moderne Städtebau in Afrika geriet zuletzt bereits in die Schlagzeilen, als schwere Korruptionsvorwürfe über Kongo in den Congo Hold Up-Leaks aufkamen. Die französischsprachige Nachrichtenseite RFI berichtete ausführlich über die finanziellen Verflechtungen des ehemaligen Präsidenten Jospeh Kabila und deckten auch einige dubiose Immobilienprojekte in Kinshasa auf.

Klimwandelbedingter Umzug in Indonesien: Die neue Hauptstadt Nusantara

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Die wilde Natur der indonesischen Insel Borneo in Ostkalimantan wird wohl dem Bau der neuen Hauptstadt Nusantara weichen müssen. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Natur)

Schlechte Zeiten für den bevölkerungsreichsten Inselstaat. Aus dem unerfreulichen Grund des steigenden Meeresspiegels muss die aktuelle Hauptstadt Indonesiens Jakarta umziehen. Mit über 40 % der städtischen Fläche unter dem Meeresspiegel, winken der Megacity keine schöne Aussichten in der Zukunft. Doch auch die angestauten Probleme der chaotischen Stadtentwicklung von Jakarta – dazu gehören die Zersiedelung der Landschaft, massive Verkehrsstaus, informelle Siedlungen, weit verbreitete Überschwemmungen, das Fehlen von sauberem Wasser und Abfallentsorgung sowie Bodensenkungen – führten zur Umzugsentscheidung.

Der Neuanfang soll dabei helfen, die vorangegangenen Fehler zu vermeiden. Wie sich der Umzug für die zehn Millionen Einwohner der Hauptstadt vollziehen wird, bleibt offen. Ebenso was aus der Metropolregion von Jakarta wird, welche mit seinen 34 Millionen Einwohner, eine der größten urbanen Agglomerationen der Welt ist. Doch der südostasiatische Inselstaat sieht sich unweigerlich mit den Auswirkungen der steigenden Meeresspiegel konfrontiert, weswegen kein Ausweg bleibt als umzuziehen.

Die neue Hauptstadt Nusantara entsteht auf Borneo und soll schon 2024 eingeweiht werden. Der Name nimmt Bezug auf „Wawasan Nusantara„, „die indonesische archipelagische Vision„. Dies entspricht der nationalen Vision Indonesiens in Bezug auf seine Bürger, die Nation und das Gebiet der Republik Indonesien.

Auch wenn das Projekt einer neuen Hauptstadt bereits von Vorgängerregierungen in den Raum gestellt wurde, so nahm es erst ab 2017 Fahrt an. 2019 gewann nach einer internationalen Ausschreibung der Vorschlag „Nagara Rimba Nusa“ („Waldland-Archipelago„) von URBAN+. So soll 80 % der Mobilität durch öffentliche Verkehrsmittel, sowie fußgänger- und fahrradfreundlichen Wegen gedeckt werden.

In der Anfangsphase wird das Bauland erschlossen und die ersten öffentlichen Einrichtungen gebaut. Neben den Lehren aus dem Klimawandel nehmen Erfahrungen aus der Corona-Pandemie ebenfalls einen Platz in der stadtplanerischen Umsetzung von Nusantara ein. Der Nachrichtenseite Blomberg zufolge haben die Arbeiten an dem 34 Milliarden Dollar Bauvorhaben bereits begonnen. Die Finanzierung, welche zu Großteilen aus dem privaten Sektor kommen soll, stellt dabei eine Hürde für das Projekt dar. Aber auch die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Naturreserven von Borneo werfen Fragen über die Nachhaltigkeit auf.

Utopische Städte in Japan: die Smart City von Toyota „Woven City“

Als Letztes auf unserer Liste fünf utopischer Städte darf dieser Vorreiter der Smart-City nicht fehlen: Die Woven City von Toyota ist ein sowohl ambitioniertes als auch hochtechnologisiertes Vorhaben in Japan. Am 23. Februar 2021 wurde offiziell verkündet, dass in der Stadt Susono auf einem ehemaligen Automobilwerk von Toyota ein innovatives Mobilitätszentrum entstehen soll. Im Sinne der japanischen Kultur spielen traditionelle Werte mit moderner Technologie im Gesamtvorhaben eine wichtige Rolle. Mit Mount Fuji im Rücken sowie einer gesicherten Finanzierung – ein vielversprechendes Projekt.

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Moderner Städtebau versus Zukunftsmusik – Was wirklich bleibt, verrät die Zeit. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

Die Arbeiten, welche letztes Jahr begonnen haben, befinden sich noch in der Erschließung des Baulandes. In der zweiten Phase werden anschließend die Architekten einbezogen. Finanziert werden die privaten Projekte hauptsächlich von der Toyota Motor Corporation, einem der größten Automobilhersteller außerhalb Europas. Um eine sichere und effiziente Mobilität zu ermöglichen, wird die Güterlogistik vom persönlichen und öffentlichen Verkehr getrennt und erhält eigene Fahrbahnen. Während auf der Oberfläche eine Fahrtstrecke für automatisierte Fahrsysteme geplant ist, wird der Güterverkehr unterirdisch verlegt. Das originelle Verständnis von Mobilität hat dabei eine tiefergreifende gesellschaftliche Bedeutung in der Unternehmung. So soll Wasserstoff als Energiequelle im Vordergrund stehen. Mit einer „Smart City Plattform“ soll das Internet der Dinge den städtischen Raum und das Leben der Bürger vernetzen. Weitere Angebote rund um Gesundheit, Bildung und Arbeit ergänzen das holistische Konzept.

Und auch wenn die Fläche und der relativ geringe Wohnraum die Woven City zur Kleinsten der Utopien im modernen Städtebau macht, so ist es vielleicht gerade die Durchsetzbarkeit des Projektes, welches ihm den Reiz und die Glaubwürdigkeit gibt. In Sachen Zukunftsmusik hegt das Konzept der hochmobilen Stadt ebenso starke Ambitionen wie die anderen vorgestellten Bauvorhaben. Im Gegensatz zu Googles eingestelltes Smart City Projektes in Toronto, Kanada, bleibt Toyota mit Woven City zurzeit der vielversprechendste Entwickler einer Smart City.

Der Artikel wurde am 04/05/2023 aktualisiert. Neue Informationen zu Neom wurden dem entsprechenden Abschnitt hinzugefügt.
Quelle: The Guardian / AFP in Genevia „UN rights experts denounce planned Saudis execution of megacity opponents“ / 03/05/2023

Die Graffiti Hall of Fame von Paris, Rue Ordener

Die Graffiti Hall of Fame von Paris, Rue Ordener

Frankreich. Im Norden der französischen Hauptstadt befindet sich neben der Bahntrasse eine Graffiti Hall of Fame von Paris. Am Ende der Rue Ordener gelegen, ist die Wand seit Jahren ein Begegnungsort der alteingesessenen Graffiti-Kollektive. Auch wenn hier jeder offiziell malen darf, so bleibt diese Fläche hauptsächlich den alten Crews vorbehalten.

Die Qualität und Stile der wechselnden Werke variiert stark. Auf schön ausgearbeitete Porträts kann schnell ein Throw-Up landen, einfache Schriftzüge. Schablonenarbeiten findet man hier keine. Dennoch brodelt dieser Straßenabschnitt an künstlerischem Ausdruck und… Reibungen!

Die „Graffiti Hall of Fame“ Rue Ordener und die „Styles“ von Paris

Die Graffiti Hall of Fame von Paris an der Rue Ordener befindet sich am Rand der „Goutte d’or“, dem Aushängeviertel vom 18. Bezirk. Am besten ist sie tagsüber über die U-Bahn Linie 12 („Marcadet-Poissonier„) oder dem Bus („Pont Marcadet„) zu erreichen. Ein Abstecher in die anliegenden afrikanischen Restaurants empfiehlt sich. Außerdem befindet sich eine Brücke weiter (Rue Aubervilliers / Jardin d’Éole), die Wandflächen von „Harvey R Style“ mit wechselnden, wirklich eindrucksvollen Kunstwerken. Von ausgearbeiteten Streetart-Portraits zu expressionistischen Arbeiten von PBOY, die Hall of Fame von Paris hat einiges zu bieten.

Die Fläche ist geschätzte 300 Meter lang. Mit einer Höhe von 2,5-3,5 Metern perfekt für Graffiti. Hinter der Wand der Hall of Fame liegt eine Brachfläche der SNCF mit alten Hangars. Zurzeit werden diese abgerissen und das Gelände wird neu entwickelt. Was aus der Graffiti Hall of Fame von der Rue Ordener wird, bleibt im Ungewissen.

Graffiti Hall of Fame Paris Rue Ordener Subkultur legale Sprühfläche CPS Crew-Graffiti Rue Ordener mit Graffiticharakter in riesigen Buchstaben

Bewährte Schriftzüge sind die Blockbuster der großen Crews, die jeder kennt. ABC, CKT, UV, TPK und VO gehören zu den Stammgästen der Hall of Fame. Ihre Graffiti sieht man auch von Weiten. Die Eigenheit der Blockbuster, groß und von weitem lesbar. Zum Teil halten sie dabei den Abschnitt ihrer Wandfläche seit mehreren Jahren mit demselben Schriftzug.

Die Graffiti Hall of Fame von Paris: Der Norden der Hauptstadt

„Take over“ der Graffiti Hall of Fame von Paris durch das Kollektiv Black Lines

Das Kollektiv Blacklines übernahm die Graffiti Hall of Fame von Paris mit ihren politischen Botschaften, während der Gilets-Jaunes Bewegung. Wir hatten dazu einen ausführlichen Artikel geschrieben. Die Zusammenkunft aus Graffiti und Streetart fand im Mai 2019 statt.

Zu Beginn des Jahres hatte Black Lines bereits eine erste lange Wand mit verschiedenen Künstlern gestaltet. Damals war das Leitthema „hiver jaune“, welches gelber Winter bedeutet. Jedoch reagierte die Verwaltung des 19. Bezirks schnell und ließ die Wand grau überstreichen. Eines der Bilder, welches damals Polemik schürte, war die Freske des Boxers Christophe Dettinger, das von dem Künstler Skalp realisiert wurde. Dettinger hatte auf einer Brücke in Paris die Polizei mit Fausthieben zurückgedrängt. Doch keine Sorge: für Polemiken und Denkanregungen sorgte auch die Jam an der Rue Ordener. Im Folgenden alle Aufnahmen der Black-Lines Jam (Mai 2019):

„Beef“ an der Graffiti Hall of Fame von Paris

Graffiti Hall of Fame Paris Rue Ordener Subkultur legale Sprühfläche
„Kein Piece ohne Beef?“: DION (UV-Crew) im Streit mit LARS (CKT-Crew). (Foto: Urbanauth / Paris / 2021)

Zu Graffiti gehört auch der interne Streit in der Subkultur. Und vor allem an der Graffiti Hall of Fame von Paris wird mit Argus-Auge auf seines einen Platzes geachtet. Nichtsdestotrotz kommt es Streitigkeiten, welche wie im Bild zu sehen, sich in einem „gecrossten“ Bild ausdrückt.

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