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Landsberg: Das Eisvogel-Mural von video.sckre

Landsberg: Das Eisvogel-Mural von video.sckre

Deutschland / Bayern. Das Künstlerduo VIDEO.SCKRE aus München/Linz gestaltete im Juni 2023 eine enorme Hausfassade in der beschaulichen, bayerischen Kleinstadt Landsberg am Lech. Mit viel Farbe bereicherten die beiden Künstler dauerhaft das Stadtbild mit ihrem bunten Kunstwerk spielerischer Eisvögel auf einer 300m² großen Fassade.

Unweit vom Lech, dem Fluss, der die beschauliche Talstadt in zwei Hälften trennt, entsteht seit mehreren Jahren eine neue Form urbanen Wohnens. Das „Urbane Leben am Papierpach“ soll dabei Wohnen, Arbeit und Kultur vereinen und ein zu einem belebtem Raum werden. Im Rahmen eines Kunst am Bau-Wettbewerbs wurde die 20 Meter hohe und 18 Meter breite Giebelwand des „Sternradhauses“ für urbane Kunst ausgeschrieben. Dabei setzten sich VIDEO.SCKRE gegenüber mehr als 60 Bewerbern durch.

Das Eisvogel-Mural von VIDEO.SCKRE in Landsberg am Lech

Verspielt ranken sich Eisvögel um ein rundes Guckloch, welches einen Ausblick auf die Fauna gibt und sich in der unteren Hälfte farblich teilt. Während die untersten Vögel erscheinen, als ob sie in Wasser tauchen würden, begegnen sich eine Gruppe im entgegengesetzten Flug im oberen Teil der Giebelwand. Der Aufbau mit der Kreisform als zentrale Struktur gibt dabei den Blick auf die Tierwelt frei, während die Fauna als Randelemente, das Kunstwerk umrandet und den Bildfluss verstärkt.

Weitaufnahme des Streetart Werkes von VIDEO.SCKRE in Landsberg an einer großen Giebelwand. Es zeigt mehrere Eisvögel umgeben von abstrakter Fauna. Die angrenzenden Gebäude finden sich noch im Bau, Stadtentwicklung am Papierbach Landsberg am Lech
Das Mural von VIDEO.SCKRE in Landsberg am Lech. (Urbanauth / 2023)

Blick auf das Künstlerduo VIDEO.SCKRE

VIDEO.SCKRE, das sind Frederic Sonntag aka „SCKRE“ und Julia Heinisch aka „VIDEO“. Das Künstlerduo verbindet eine fiktive Vorstellung von Fauna und Flora auf großformatigen Wandbildern und Leinwänden. Ihr künstlerischer Ansatz folgt dem Credo: Die Dinge nicht so zu sehen, wie sie sind, sondern wie wir sind. Entscheidend für dieses Spiel ist, dass man es ohne Grund spielt, dass es überhaupt keinen Grund haben darf. In ihrer künstlerischen Suche, die dem Spieltrieb folgt, sehen sie die Natur als Sanatorium. Ihre Formen und ihre ständige Veränderung sind die Grundlage ihrer Arbeit.

VIDEO und SCKRE sind ein Künstlerduo, das eine starke und inspirierende Partnerschaft bildet. Sie machen den öffentlichen Raum zu ihrem Atelier und nutzen ihn als Experimentierfeld. Das Künstlerduo lässt sich von der Natur und von ihren Reisen, Beobachtungen und Erfahrungen inspirieren. Dies beobachtet man auch in ihrer routinierten Zusammenarbeit, denn die 300m² große Hausfassade malten die Beiden in vier Tagen – eine Meisterleistung in Sachen Schnelligkeit und Umsetzung. Urbanauth wollte mehr wissen, und hat dem Duo ein paar Fragen zu ihrer persönlichen Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum gestellt:

Drei Fragen an VIDEO.SCKRE

Wie würdet ihrer eure Beziehung zum städtischen Raum beschreiben?

VIDEO.SCKRE:Unsere Beziehung zum urbanen Raum ist der eines Spielplatzes. Ein ständiges Wechselspiel von Input und Output, ein Sammeln von Eindrücken und Mitgestaltung.

Könnt ihr uns mehr über euren Bezug zur Kunst erzählen?

VIDEO.SCKRE:Kunst ist zweierlei, zum einen ist es ein Prozess (a) und zum anderen ist es ein Produkt (b). 
a: Wie in der Musik entsteht die Kunst eben auch im Moment des Schaffens, der Rest ist Zeugnis dieses Aktes. 
b: Es stellt neue Beziehungen zwischen den materiellen und immateriellen Dingen her und reproduziert nicht. Ein/e Künstler/in ist damit ein Medium, das gewisse Verantwortung trägt, gleichzeitig muss ein Werk auch außerhalb seines Kontextes Bestand haben können und stark genug sein, um ein Eigenleben entwickeln.

Könnt Ihr etwas zum Motiv des Spiels als gestalterischen Ansatz sagen?

VIDEO.SCKRE: Wir lieben den Freestyle als Ansatz zur Gestaltung unsere künstlerischen Arbeiten. Natürlich wissen wir, was wir gegenseitig voneinander erwarten können, von daher ist es nie eine vollkommene Überraschung, was da passiert. Aber man gewährt sich innerhalb des Prozesses Freiheit, die am Ende dem Bild hilft und einen im besten Fall selbst überrascht.

Weitaufnahme des Streetart Werkes von VIDEO.SCKRE in Landsberg an einer großen Giebelwand. Es zeigt mehrere Eisvögel umgeben von abstrakter Fauna. Die angrenzenden Gebäude finden sich noch im Bau, Stadtentwicklung am Papierbach Landsberg am Lech
Das Mural von VIDEO.SCKRE in Landsberg am Lech. (Urbanauth / 2023)
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Über Landsberg am Lech

Landsberg am Lech ist eine malerische Stadt mit ungefähr 36.000 Einwohnern in Bayern, im Süden von Deutschland. Sie liegt am Ufer des Lech-Flusses und ist bekannt für ihre gut erhaltene Altstadt, dem Lechwehr an der Katharinenbrücke und den großen Wildpark, welcher entlang des Flusses bis nach Pitzling verläuft. Die Stadt ist berühmt für ihr historisches Zentrum mit engen Gassen, pastell-farbenen Hausfassaden und charmanten Plätzen. Die Kleinstadt hat eine reiche Geschichte und ist ein beliebtes Ziel für Touristen, die das historische Ambiente genießen, durch die malerischen Straßen schlendern und die schöne Landschaft der Umgebung erkunden möchten.

Wie hat euch euer Aufenthalt in Landsberg gefallen? Gab es Dinge, welche euch besonders in Erinnerung bleiben?

VIDEO.SCKRE:Auf jeden Fall der Lech als dominate Landmarke. Natürlich die Altstadt und die positive Zustimmung der Einwohner.

Stadtsoziologie: Wer war Georg Simmel?

Stadtsoziologie: Wer war Georg Simmel?

Das Forschungsgebiet der Stadtsoziologie wurde mit Georg Simmel (1858-1918) in Berlin zur Jahrhundertwende im 20. Jahrhundert begründet. Seine Schriften und punktierten Beobachtungen übten dabei einen maßgeblichen Einfluss auf die Reflexionen verschiedener Soziologen und Urbanisten des 20. und 21. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika aus.

Georg Simmel: der Begründer der Stadtsoziologie

Georg Simmel gilt als wichtigster Vertreter der Stadtsoziologie und Mitbegründer der Soziologie. 1858 wurde er in eine Berliner Kaufmannsfamilie geboren. Im Laufe seines Lebens war er an verschiedenen Universitäten tätig. Zunächst nur als Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms Universität für Philosophie und Soziologie angestellt, folgte schlussendlich eine unbezahlte Professur an der Berliner Universität (1900), ein Ehrendoktorat an der Universität Freiburg (1911) sowie gegen Ende seines Lebens ein Lehrstuhl an der Kaiser-Wilhelm Universität in Straßburg (1914).

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Wenn man von den Beziehungen zwischen den Raumgestaltungen und sozialen Vorgängen spricht, so pflegt es sich um die Wirkungen zu handeln, die von der Weite oder Enge des Gebietes, der Zerrissenheit oder Arrondierung der Grenzen, dem Flächen- oder Gebirgscharakter des Territoriums auf die Form und das Leben der gesellschaftlichen Gruppe ausgehen. Der Gegenstand der nachfolgenden Untersuchungen ist, umgekehrt, die Einwirkung, die die räumlichen Bestimmtheiten einer Gruppe durch ihre sozialen Gestaltungen und Energien erfahren.

Georg simmel, über räumliche projektionen sozialer formen, 1908

Seine Schriften „Philosophie des Geldes“ (1900), „Die Großstadt und das Geistesleben“ (1903) und „Über räumliche Projektionen sozialer Formen“ (1908) legten den Grundstein für weitreichende Überlegungen zur Beziehung des Menschen zur Stadt und seinem Platz in ebendieser. Ihm zufolge war die Geldwirtschaft, welche sich in großen Metropolen ansiedelte, entscheidend für das rasche Städtewachstum und die früh- bis spätindustrielle Stadtgesellschaft. Aber auch die Bedeutung von Stadtgesellschaft und Stadt als Phänomen gehörten zu seinem Forschungsgebiet. Doch vor allem mit seiner Schrift „Die Großstadt und das Geistesleben“ (1903) schuf er das Fundament für eine soziologische Betrachtungsweise auf Urbanität, welche die erlebte städtische Daseinswelt, den städtischen Raum und die Stadtgesellschaft als Dimension miteinbezog.

Somit wurde er zum Pioneer dieses Forschungsgebiets. 2005 wurde in Berlin zu seinen Ehren das Georg Simmel Zentrum für Metropolenforschung (GSZ) an der Humboldt-Universität gegründet. Er verstarb 1918 in Straßburg.

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Womit befasst sich die Stadtsoziologie?

Die Stadtsoziologie bietet soziologische Betrachtungen auf die Stadt und den Mensch. Als Teilbereich der Soziologie befasst sie sich mit den Handlungen von Akteuren in Form von Individuen, Gruppen, sozialen Schichten und der Stadtgesellschaft. Untersucht werden die Beziehungen zwischen städtischen Formen, Strukturen, Entwicklungen und deren Rahmenbedingungen.

Als ein gesamtheitlicher Ansatz („holistisch„) betrachtet die Stadtsoziologie dabei das Phänomen Stadt aus verschiedenen Perspektiven. Im Vordergrund der Betrachtungen stehen der Mensch (Anthropologie), das Stadtgeschehen, die Gesellschaft, sowie die zusammenhängenden Bereiche Wirtschaft, Politik und Kultur, aber auch die Infrastruktur, Architektur.

Die moderne Stadtforschung und das Zeitalter der urbanen Räume

Neben philosophischen Einflüssen steht die Stadtsoziologie vor allem auch in enger Verbindung zur Raumsoziologie und dem „Zeitalters des Raumes„, wie es der französische Philosoph Michel Foucault in seinem Aufsatz „Andere Räume“ treffend formulierte. Darin definiert er den Raum in seinem Dreisatz aus: der räumlichen Praxis, die Raumrepräsentationen und die Repräsentationsräume.

Der zeitgenössischen Stadtsoziologin Martina Löw zufolge betrifft dies dabei gesellschaftliche Handlungsabläufe der Menschen eines Raumes, die Strukturbildungen durch die gesellschaftliche Strukturierung von Handlungsprozessen und Sinnprojektionen, welche kodiert, ihren Sinn durch die Handlung offenbaren. Gemeinsame Überschneidungen zwischen der Stadt- und Raumtheorie finden sich der Soziologin zufolge in der Identifikation, den räumlichen Anordnungen und den raumbezogenen Unterscheidungen.

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Endlos zieht sich die Stadt. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO)

Die Beziehung des Menschen zur Stadt steht somit in enger Verbindung mit seinem urbanen und geistigen Raum, welcher sich dynamisch aus den Beziehungen der Akteure, der Umgebung und deren Gegenstände ergibt. Die Stadt wird somit zu einem sozialen Interaktionsraum, den es zu erfassen gilt. Georg Simmel’s Überlegungen legten dabei ein wichtiges Fundament zur Auseinandersetzung mit Städten als Gesellschaftsräume und weit darüber hinaus.

Die Großstadterfahrung von Simmel als Fundament der Stadtsoziologie

Zu dieser Zeit stellte er bereits fest, dass das Leben in der Großstadt und die einhergehende Großstadterfahrung aus einem Zwischenspiel aus äußeren und inneren Eindrücken besteht. Die „Steigerung des Nervenlebens“ spiegelt sich dabei nach Simmel in zwei für Großstädter typischen Merkmalen. Zum einen überkommt dem Bürger die „Blasiertheit“, eine Abstumpfung gegenüber den äußeren Sinnes- und Wahrnehmungsreizen der städtischen Umgebung. Diese entsteht durch eine sensorische Reizüberflutung, welche aus dem sich aussetzen von Reizen im öffentlichen Raum besteht.

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Die Großstadt mit ihrem physischen Erscheinungsbild und leuchtenden Lichtern sorgt für eine Reizüberflutung der Sinne. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO)

Stadtsoziologie: Simmels Anonymität von Städten und der Verlust von Identität

Zum anderen besitzt die Großstadt gesellschaftlich betrachtet eine charakteristische Anonymität. Diese steht in Verbindung zu Simmels Begriff der „Reserviertheit“, welche er als eine Sozialisierungsform versteht. Durch die Verdünnung klar einheitlicher Sozialnormen wird eine Unabhängigkeit geschaffen, welche den Großstadtbewohnern eine individuelle Freiheit ermöglicht.

Grüßt man in der Kleinstadt beim Spaziergehen noch entgegenkommende Passanten, so läuft man in der Großsstadt – von Reizen überflutet – mit gesenktem Blick durch die Straßen. Doch erhält man Blicke bezüglich der Kleidungswahl, so gehen sie in den tausenden anderen zuvor gekreuzten Blicken unter.

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Georg Simmel lebte lange Zeit seines Lebens in Berlin. (Foto: Urbanauth / VGO / Berlin)

Simmels Aktualität in der Soziologie und Stadtforschung

Im Kontext der heutigen globalen Städte übersetzt sich dies im Kosmopolitismus. Dieser spiegelt sich dabei im andauernden kosmopolitischen Geltungsdrang der Großstädter wider. Simmel stellt dies dabei in einen diametralen Gegensatz zum Harmoniestreben und Gesellschaftsdruck von Kleinstädten.

Die Industrialisierung und einhergehende Arbeitsteilung führten dabei zu einem Weltschmerz, in welcher der Verlust der Individualität durch die Standardisierung des Alltags in den Fabriken, bei den Stadtbewohnern das Gefühl von Verlorenheit erzeugte. Ein Phänomen, mit welchem sich die deutschen Expressionisten in den Thematiken des Großstadtlebens und der Ich-Dissoziation befassten.

„Die tiefsten Probleme des modernen Lebens quellen aus dem Anspruch des Individuums, die Selbständigkeit und Eigenart seines Daseins gegen die Übermächte der Gesellschaft, des geschichtlich Ererbten, der äußerlichen Kultur und Technik des Lebens zu bewahren. […] in alledem wirkt das gleiche Grundmotiv: der Widerstand des Subjekts, in einem gesellschaftlich-technischem Mechanismus nivelliert und verbraucht zu werden“ –

Georg Simmel, „Die Großstadt und das Geistesleben“, 1903

Ein Denker kommt selten allein! Die Frau an der Seite von Georg Simmel

Philosophin Denkerin Gertrud Simmel Frau von Georg Simmel um 1916 schwarz-weiß Foto, Autorin Stadtsoziologie Künstlerin Feminismus

Hervorzuheben ist dabei auch das Schaffen seiner Ehefrau, Gertrude Simmel (1864-1938). Die gelernte Zeichenlehrerin, die in Paris studierte, widmete sich im späteren Verlauf ihres Lebens der Philosophie. Unter dem Pseudonym „Marie Luise Enckendorff“ veröffentlichte sie ab 1906 ihre Schrift „Vom Sein und vom Haben der Seele“. 1910 folgte „Realität und Gesetzlichkeit im Geschlechtsleben“, welche sich mit der Emanzipation der Frau in der Ehe befasste. Sie forderte, dass Frauen sich selbstbestimmt und ohne Anpassungszwang zu ihrem Ehemann entwickeln dürfen. Im Laufe ihres Lebens wohnte sie dabei in Berlin und anschließend bis zum Tode ihres Mannes Georg Simmel in Straßburg. Danach lebte sie in Gera und Jena im Osten Deutschlands. In Freundschaft mit dem Philosophen Martin Buber veröffentlichte sie auch weiterhin Schriften in seiner Zeitschrift „Kreatur“.


Weitere Literaturquellen:

Georg Simmel, „Die Großstadt und das Geistesleben“, 1903
Georg Simmel, „Die Philosophie des Geldes“, 1900
Georg simmel, „Über räumliche Projektionen sozialer Formen“, 1908
Michel Foucault, „Von anderen Räumen“, 1967
M. Löw / S. Steets / S. Stoetzer, „Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie“, 2008
Georg Simmel Zentrum für Metropolenforschung, Berlin

RIP: diese Streetartist und Graffiti-Künstler sind 2022 verstorben

RIP: diese Streetartist und Graffiti-Künstler sind 2022 verstorben

Rest in Peace. Urbanauth stellt euch in diesem Artikel die Streetartisten und Graffiti-Künstler vor, welche 2022 verstorben sind. Von Streetartkünstlerin Miss Tic zu Graffitikünstler Full1 & Jibeone und Alain Campos (Banlieue Banlieue) – vor allem in Frankreich verstarben im vergangenen Jahr einige Akteure, welche in ihrer jeweiligen Kulturszene eine Leere hinterlassen. Ein Rückblick auf die urbanen Künstler, die von uns gegangen sind.

Urban Art: diese Künstler aus dem Streetart sind 2022 verstorben

Dijon Graffiti Graffititag "The silent heroes" Kaligraphie auf alter saugender Wand in roter Schrift Vandalismus Tagging RIP Tribut Graffitisprayer Streetartist

Im August verstarb der Künstler, der hinter einer der ikonischsten Wandgestaltungen an der East-Side Gallery von Berlin stand. Dmitri Wrubel prägte mit seinem historischen Bruderkuss-Bild zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker das Ende einer Epoche und den Beginn der deutschen Wiedervereinigung. Der, 1960 in Moskau geborene, Künstler verstarb am 14. August 2022 im Alter von 62 Jahren an COVID-19.

In Salisbury, USA, sorgte der Tod eines obdachlosen Künstler für eine Welle der Emotionen. Der Maler Jospeh Heilig, der für seine Zeichnungen und seinem warmherzigen Charakter bekannt war, verstarb im Mai mit 65 Jahren im Krankenhaus. Wenig ist über diesen Menschen bekannt, außer dass er in der Queensbridge-Siedlung auf Long Island City in New York groß wurde und dort eine Kunstschule besuchte, bevor er nach Salisbury zog – dem Geburtsort seiner Mutter. Als Streetartist bereicherte er auf seine Weise das Stadtbild über den Zeitraum von zehn Jahren. Eine Crowdfunding-Initiative wurde für die Kosten seines Begräbnisses ins Leben gerufen.

Montmartre verliert eine Streetart-IKOne: MissTic 1956 – 2022

In Frankreich sorgte vor allem der Tod von Streetartkünstlerin Miss Tic für Trauer. Als Streetart-Ikone prägte sie die Kunstszene in Paris ab den 90er Jahren mit ihren Schablonen – auf der Straße und in den Galerien. Ihre Werke, welche in ihrer Komposition aus der Silhouette von MissTic in einem roten Kleid und kurzen Sätzen bestanden, verbanden dabei Poesie mit Sinnlichkeit. Im Laufe ihrer Karriere arbeitete sie dabei auch mit namhaften Marken (Louis Vuitton, Kenzo, ) zusammen. Ihre Biografie ist Beweis einer hochengagierten Künstlerin, welche neben ihrem Streetart jedes Jahr an Ausstellungen teilnahm und sich weltweit einen Namen machte. In Paris prägte sie dabei vor allem das Künstler-Viertel von Montmartre mit ihren ikonischen Arbeiten.

MissTic Streetartist Künstlerin Montmarte Paris Stencil-Schablonen Kunstform Streetart, Portrait
Streetartist Miss Tic in Paris (Moreaupf / CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons / 2012)

Banlieue Banlieue! Rest in Peace: Alain Campos 1955-2022

Aus derselben Generation wie MissTic und ebenfalls 2022 verstorben, ist der Künstler Alain Campos, der 1955 in Casablanca, Marokko geboren wurde. Besondere Anerkennung erhielt er für sein Wirken in der Gruppe Banlieue-Banlieue, welche ab 1982 für eine ganz eigene Strömung im Streetart sorgte. Das Kollektiv, das zahlreiche Kunstaktionen realisierte, zeichnete sich durch farbenfrohe und ausdrucksstarke Produktionen aus.

Banlieue Banlieue war in den 90er mit bei den Vorreitern der Kunstströmung „Figuration libre“ dabei – eine Kunstform basierend auf dem Figurativen und zugleich frei in seiner Darstellung, stand die Bewegung für eine grenzenlose und kulturübergreifende Szene ein, welche frei von Werthierarchien zwischen Hoch- und Subkultur handelt. Zwischen primitiver Kunst (Art brut), westlichen Einflüssen und Eindrücken aus dem Rest der Welt – die figuration libre von Banlieue-Banlieue in ihren Ausstellungen und Wandgestaltungen machten sie zu Pionieren der beginnenden neuen urbanen Kunst. Die musikalischen Einflüsse durch die Rock-Musik spielte ebenfalls eine Bedeutung für das Kollektiv.

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Kunstwerk von Alain Campos in der Aubergine300, einem alternativen Hausprojekt im Vorort Malakoff von Paris. (Urbanauth / VGO / 2023 / Paris)

Alain Campos, seines Zeichens Autodidakt, suchte früh trotz seiner Aversion zur akademischen Kunstausbildung die Nähe zu Kunststudenten. Urbanauth konnte für den Artikel einen Verwandten kontaktieren. Aus der Freundschaft mit Antonio Gallego, damals Student an der Universität der bildenden Künste in Versailles, entstand das Kollektiv Banlieue-Banlieue, welches sich die nächsten Jahrzehnte, mit seiner eigenen Art sich von den anderen lokalen Akteuren aus dem Streetart und Graffiti abgrenzte. Außerdem erhielt er den hoch angesehen Orden der Künste und der Literatur („Chevalier d’arts et lettres„).

Diese Graffiti-Künstler und Sprüher sind 2022 verstorben

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Hommagen an verstorbene Graffitisprayer gehören zur Szene dazu. So wie in Dijon für den Sprüher Noshy (1995-2017). (Urbanauth / Dijon / 2022)

Graffiti als Subkultur zwischen Anonymität und Illegalität bringt seine Risiken mit: von halsbrecherischen Aktionen, fahrenden Zügen, zu persönlichen Problemen und der Gesundheit – jedes Jahr trifft es dabei Akteure jeden Alters. Im Folgenden stellen wir dir die verstorbenen Graffiti-Künstler und Sprüher vor.

Auf den Gleisen von New York: Full1 & Jibeone

Ein Traum von vielen Graffitisprayern ist es, eine U-Bahn am Geburtsort der zeitgenössischen Graffiti-Subkultur zu bemalen. Dass dies nicht immer gut geht, gehört dabei zum Risiko. Auf besonders tragische Weise verstarben jedoch die Graffiti-Sprüher und Streetartist Full1 & Jibeone in New York, April, 2022. Die nächtliche Exkursion auf den Gleisen der Metro beendete die Reise der beiden französischen Künstler. Die unabhängige Nachrichtenseite TheGothamist interviewte Ceet Fouad, einen befreundeten Streetartkünstler der beiden Verstorbenen. Beide hinterlassen Witwen, davon eine mit drei Kindern.

Trainwriting und Exkursionen auf Zugstrecken können böse enden. So auch keine zwei Wochen später in einer Metro-Station in Manhattan. Ein obdachloses Pärchen, welche sich auf den Gleisen aufhielten, wurden von einem Zug erfasst und starb. Die MTA, verantwortlich für die Metrozüge in New York, erfasst seit 2019 einen Anstieg von 20% bei illegalen Gleisüberschreitungen. In 2021 sorgte dies für 68 Tode.

La Rochelle Graffititag Tag Graffiti "4: Kere & Flair2 RIP" verstorbene Graffitisprüher in Newy York aus Frankreich Honorierung durch Subkultur und Freunde mit Wandfreske
Abschied nehmen: „4: Kere & Flair2 RIP“-Nachruf auf einer Graffiti-Jam. (Urbanauth / La Rochelle / 2022)

Von Nordamerika nach Großbritannien: Pablo Luna & HALO

Ebenfalls aus Nordamerika, doch dafür aus Phoenix: der Graffiti-Künstler Pablo Luna verstarb mit 52 Jahren an einem Herzinfarkt. Seine Werke prägten das Stadtbild und sorgten für ein hohes Ansehen in der lokalen Kulturszene. Im Zeitungsartikel von Azcentral wird er als witziger und fürsorglicher Familienmensch beschrieben. Außerdem gründete er mit zwei weiteren Graffiti-Künstlern die NG-Crew.

Auf der anderen Seite des Atlantiks verstarb der Graffiti-Sprüher Lewis Wayne aka „HALO“ im Mai 2022 mit 25 Jahren. Wie die Seite MyLondon berichtete, wurde ihm in Shoreditch eine Tribut-Wand gemalt. Sein Körper wurde in einem verwesten Zustand aus seiner Wohnung geborgen und sorgte für Schlagzeilen.

Editorial Note: Dieser Artikel übernimmt keine Gewährleistung auf Vollständigkeit. Dir ist ein oder eine Künstler/in bekannt, welche 2022 verstorben ist? Du kannst uns gerne schreiben und weitere Informationen zukommen lassen.

So beeinflusst der Klimawandel den Städtebau

So beeinflusst der Klimawandel den Städtebau

Die Folgen des Klimawandel stellt den modernen Städtebau vor verschiedenen Herausforderungen. Neben den direkten Auswirkungen haben Metropolen außerdem mit selbst-erzeugten Problemen zu kämpfen.

Abseits der gigantischen Infrastruktur-Projekte entstehen heutzutage überall neue urbane Lebensräume. Parallel verläuft die Erweiterung von bestehenden Städten durch tiefgreifende, räumliche Eingriffe im Erscheinungsbild und der Infrastruktur. Geografisch werden dabei zumeist nicht-urbanisierte Räume innerhalb von Jahrzehnten komplett erschlossen und urbanisiert. Im Vordergrund stehen als Herausforderung die Auswirkungen des Klimawandels. Damit einher stellt sich die Frage nach urbaner Resilienz. Aber auch Mobilität, erneuerbare Energien und moderne Konzepte des zeitgenössischen Städtebaus rund um die produktive Stadt und Smart Citys spielen eine wichtige Rolle in der Planung von zukünftigen Städten.

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Moderner Städtebau in Hamburg (Foto: Urbanauth / VGO / Hamburg / 2018)

Konkrete Gefahren vom Klimawandel für den Städtebau

Hauptbedenken des modernen Städtebaus ist der Klimawandel und seine Auswirkungen auf den menschlichen Lebensraum. Ob steigende Meeresspiegel, Flut und Erdbeben oder Dürren und Hitzewellen; die Folgen der globalen Klimaerwärmung werden in die Erwägungen der Stadtplaner miteinbezogen. Neben dem datengesteuertem Ansatz der Smart Citys wird vermehrt Wert auf erneuerbare Energien und nachhaltigen Städtebau gelegt. Urbane Resilienz soll dabei helfen, Städte klimaresistent zu gestalten. Konkrete Herausforderungen für den modernen Städtebau durch den Klimawandel sind:

  • Steigende Meeresspiegel bedrohen weltweit Metropolen vor dem Versinken
  • Erdbeben und Flutgefahren bedrohen die Infrastruktur von Städten
  • Dürren und Hitzewellen haben direkte Folgen auf die Ernährungssicherheit und Gesundheit der Bevölkerung
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Paris ist wegen seiner hohen Asphaltierung anfällig für starke Regenfälle, da das Wasser nicht ordentlich ablaufen kann. (Foto: Urbanauth / VGO / Paris / 2021)

Im Fokus steht der Umweltschutz und ressourcenschonende Umgang mit Materialien und Energie, aber auch die Gesundheit. Hierbei werden ebenfalls Problematiken stark urbanisierter Räume thematisiert. Neben der Steigerung von Lebensqualität und Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit im Sinne einer produktiven Stadt, spielt das Thema der Mobilität eine fortwährende, wichtige Rolle in den neuen Megastädten und Metropolen. Urbane Phänomene sowie weitere Herausforderungen des urbanen Lebensraums und des modernen Städtebaus sind:

  • Die Mobilität steht im Mittelpunkt des modernen Städtebaus. Die Verringerung der Pendelzeiten mit öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln verhilft zu einer Steigerung der Produktivität und Lebensqualität. Außerdem hilft Mobilität territoriale Ungleichheiten zu verringern und einen gleichmäßigen Zugang zu Arbeit, Bildung und Wohnraum zu ermöglichen.
  • Urbane Hitzeinseln bilden sich in Kombination durch übermäßige Nutzung von Stahl und Glas in der Architektur und der Asphaltierung und Bodenversiegelung. Ein spürbarer Effekt tritt nachts ein, wenn die sich die über den Tag angestaute Hitze in Wärme umwandelt und an die Umgebung abgibt.
  • Luftverschmutzung ist ein wiederkehrendes Problem von urbanisierten Räumen. Verantwortlich für eine beträchtliche Zahl an Toten und schädlich für die Gesundheit: die Luftverschmutzung in Städten wird hauptsächlich durch die Industrie und den Automobilverkehr verursacht.
  • Die Hygiene ist eine historische Konstante im Städtebau. Seit den Pandemien aus dem Mittelalter bis in unsere heutige Zeit hat das Thema der Vorbeugung von Krankheiten in Städten eine wichtige Bedeutung.
  • Die Bevölkerungsdichte von Metropolen ist ein Kernelement der Urbanisierung. Durch weitere Verdichtung muss weniger Boden versiegelt werden und ermöglicht zugleich mehr Wohnraum auf weniger Platz zu schaffen.
  • Die Wirtschaft spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in der Planung und Realisierung von Städten. Neben den nötigen Investitionen zum Bau und Erhalt, spielt auch die Bedeutung von Städten als Finanz-Zentren und Wirtschaftsmotoren eine Hauptrolle im modernen Städtebaus.
Stadtentwicklung: 5 utopische Städte von Morgen

Stadtentwicklung: 5 utopische Städte von Morgen

Groß, größer, am Größten? Der moderne Städtebau kennt weltweit eine Renaissance. Abseits der gigantischen Infrastruktur-Projekte entstehen heutzutage überall neue Metropolen. Parallel verläuft die Erweiterung von bestehenden Städten durch tiefgreifende, räumliche Eingriffe im Erscheinungsbild und der Infrastruktur. Im Nahen Osten werden neue Metropolen gebaut, wo zuvor nur Wüste war. Im traurigen Gegenzug sieht sich Indonesien gezwungen, seine Hauptstadt Jakarta wegen des steigenden Meeresspiegels umzuziehen. Von Saudi-Arabien, Ägypten und Nigeria zu Indonesien und Japan – die verschiedenen Akteure verfolgen ihre eigenen urbanen Utopien. Entdecke fünf utopische Städte in der Entstehung – doch Vorsicht, nicht alle sind zum Erfolg verdammt!

Moderner Städtebau: 5 utopische Städte von Morgen

Utopische Städte: die linienförmige Wüstenstadt Neom „The Line“ in Saudi-Arabien

So funktioniert moderner Städtebau im Nahen Osten! Das futuristische Projekt um die linienförmige Wüstenstadt Neom, auch bekannt als „The Line“ setzt neue Maßstäbe. Unter der Initiative von Kronprinzen Mohammed bin Salman und in Kooperation mit Jordanien soll im Nordwesten von Saudi-Arabien in der Tabuk-Provinz diese utopische Stadt entstehen. Neben dem geplanten linienförmigen Aufbau und beachtlichen 170 Kilometern Länge sorgen weitere Innovationen und Ideen für Zukunftsmusik.

Im Vordergrund steht die „Walkability„. So sollen alle wichtigen Einrichtungen, wie Schulen, Kliniken und Grünflächen innerhalb von fünf Minuten fußläufig erreicht werden. Dank neuer Mobilität soll auch die Pendelzeit reduziert werden: Mit einem automatisierten High-Speed Transit-System, welches auf modernsten Technologien beruht, soll keine Fahrt länger als 20 Minuten dauern. Durch den linienförmigen Bau von Hochhäusern entsteht eine dichtbesiedelte Zone, die die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt verringern soll. Erneuerbare Energien werden in die Projektplanung dabei ebenso miteinbezogen, wie technische Fortschritte rund um die Smart-City und künstliche Intelligenz.

Eines der zugleich anspruchsvollsten Städtebauprojekte, als auch teuersten. Mit über 500 Milliarden Dollar schlagen sich die geplanten Kosten bereits zu Buche – mögliche Tendenz steigend. Dank der Unterstützung durch Saudi-Arabien mangelt es nicht an den finanziellen Mitteln. Das Land im Nahen Osten weiß um die Vergänglichkeit seines Rohstoffreichtums. Neom soll neue Impulse setzen und eine Zukunft abseits des Ölmarktes ermöglichen. Das Projekt, welches 2017 enthüllt und dessen erste Bauphase 2019 begann, erlitt durch die Corona-Pandemie erste Verzögerungen im Zeitplan.

Währenddessen kennt die Fantasie und Kreativität der Architekten und Entwickler wenig Grenzen. Im Sinne der Skyline von Dubai wird auch in Neom hoch gebaut. Vorschläge wie der Downtown-Circle einem gigantischen Donut-förmigen Gebäude im Zentrum der Stadt und der Vorschlag einer kilometerlangen Gebäudelinie sorgen mit aufwändigen Renderings für Zukunftsmusik. Von weiteren utopischen Ideen und Ausreißern ganz zu schweigen! Ein Jurassic Park mit Roboter-Dinosauriern, sowie einen künstlichen Mond und leuchtender Sand eingereiht in „Out of the box„- Gebäude-Entwürfen… den Architekten- und Planungsbüros mangelt es nicht an pompösen Einfällen. Welche von den vielversprechenden Vorschlägen und Utopien schlussendlich umgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen.

Dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zugeht, lässt sich aus der Ferne nur vermuten. So berichtete die britische Zeitung The Guardian kürzlich über drei Mitglieder des Huawaitat-Stammes welche zum Tode verurteilte wurden. Der Verdacht, dass dies in Bezug zu ihrem Widerstandes gegen Neom und der Vertreibung von ihren Böden. Doch auch weiteren Mitglieder des Stammes drohen lange Gefängnisstrafen. So kritisierte unter anderem der UN-Menschenrechtsrat die Verurteilungen auf Basis vager Terrorismus-Anschuldigungen.

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So stellten sich Architekten und Stadtplaner in Frankreich die Stadtlandschaft vor – 15. Arrondissement mit seinen Gebäuden aus den 70er Jahren. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

Ägyptens neue Regierungsstadt – die „New Administrative Capital“ soll Kairo ersetzen

Halbmoderner Städtebau mit veralteten Konzepten oder doch die falschen Vorbilder? Auch in Ägypten wird kräftig an gigantischen Urbanisierungs- und Infrastrukturprojekten gebaut. Das Land mit seinem Suezkanal ist für den globalen Schiffs- und Güterverkehr von strategischer Bedeutung. Im Rahmen des chinesischen Infrastrukturprogramms, der One Belt-Initiative und Chinas neuer Seidenstraße, erhält Ägypten dabei bereits massiv Investitionen. Als Teil der „Vision Ägypten 2030„-Agenda wird nun der Bau einer neuen administrativen Hauptstadt vorangetrieben.

Denn vor allem die millionenstarke Metropolregion von Kairo kämpft mit den Problemen einer chaotischen Stadtentwicklung. Dem soll nun mit dem Projekt der „New Administrative Capital“ Abhilfe verschafft werden. Die neue Regierungsstadt unweit Kairos kostet geschätzte 60 Milliarden Euro. Der Journalist Patrick Hoffmann berichtet in seinem Beitrag für den RND ausführlich über das Vorhaben und die aktuelle Umsetzung des Regierungsviertels.

Auch wenn der exakte Name noch fehlt, so existiert 50 Kilometer im Osten von Kairo bereits eine gigantische Baustelle. In Sachen modernem Städtebau wird mit den klassischen Großprojekten geworben. Neben einem riesigen, internationalen Flughafen, werden ebenfalls Gewerbegebiete, Freizeitparks- und Einrichtungen, Krankenhäuser, Schulen, Moscheen und Wohnraum für mehrere Millionen Menschen gebaut. Die neue administrative Hauptstadt soll zum neuen Herzen und Wirtschaftsmotor des Landes werden. Doch wie modern Ägyptens Städtebau-Projekt wirklich ist, bleibt offen.

Plattenbau Architektur Burtalismus ´´´´´´´´´
Moderner Städtebau: Was die grauen Plattenbauten wohl ersetzen wird? (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

In Sachen Mobilität sollen 2000 Kilometer Gleisstrecke gelegt und 60 Stationen gebaut werden. Von Abu Simbel bis Luxor, nach Alexandria über Kairo und der neuen Hauptstadt wird das Schienennetzwerk ausgebaut. Das deutsche Unternehmen Siemens hat den historischen Vertrag 2022 abgeschlossen und ist für den Bau des Transportnetzwerkes verantwortlich.

Gegen den Bau der neuen Regierungshauptstadt regt sich Widerstand – die Planung und der Zweck stehen in der Kritik. So kann das verschuldete Land bereits ohne fremde Investitionen nicht seine Kosten decken. Der Bau eines solchen gigantischen Projektes verschlingt dabei eine unkalkulierbare Anzahl an Ressourcen und riskiert langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft und Umwelt zu haben.

In der Kritik: veraltete, stadtplanerische Konzepte aus den 70er-Jahren, sowie ein diskriminierender, territorialer Ansatz mit einem ungleich ausgebauten Mobilitätsnetz, sowie eine fragwürdige Nutzung der Wasserressourcen. Doch vor allem die veralteten, stadtplanerischen Ansätze mit ihren großen Boulevards und Schnellstraße, sowie die Trennung der Lebensbereiche von Wohnen, Arbeit, Konsum und Freizeit in verschiedenen Vierteln steht dabei im Gegensatz zu den zeitgenössischen, urbanistischen Ansätzen einer produktiven Stadt. Bisher ist nur wenig über den Fortschritt der neuen administrativen Hauptstadt bekannt und es bleibt abzuwarten, ob das Bauvorhaben gelingt.

Ungewisse Umsetzung: Die Eko Atlantic City bei Lagos

Medial wenig beachtet, sowie zurzeit in Stillstand und ebenfalls ein Beispiel von modernem Städtebau auf dem afrikanischen Kontinent: die Eko Atlantic City als Erweiterung von Lagos. Auf ungefähr 25 Quadratkilometern Fläche sollte neuer Wohnraum erschlossen und bis zu 15 Quadratkilometer ins Meer hinein gebaut werden. „Eko“ steht dabei mitnichten für Ökologie, wie es ein anglophoner Leser meinen könnte, aber wohl für den Yoruba-Pedanten von Lagos.

Das Bauvorhaben, welches mit chinesischer finanzieller Unterstützung und Know-How umgesetzt werden sollte, befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt im Stillstand. Abgesehen von Unmengen an aufgeschüttetem Sand und einigen, verhältnismäßig wenigen Gebäuden haben die Folgen der Corona-Pandemie das Bauvorhaben verzögert und stellen eine realistische Fertigstellung infrage.

Der moderne Städtebau in Afrika geriet zuletzt bereits in die Schlagzeilen, als schwere Korruptionsvorwürfe über Kongo in den Congo Hold Up-Leaks aufkamen. Die französischsprachige Nachrichtenseite RFI berichtete ausführlich über die finanziellen Verflechtungen des ehemaligen Präsidenten Jospeh Kabila und deckten auch einige dubiose Immobilienprojekte in Kinshasa auf.

Klimwandelbedingter Umzug in Indonesien: Die neue Hauptstadt Nusantara

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Die wilde Natur der indonesischen Insel Borneo in Ostkalimantan wird wohl dem Bau der neuen Hauptstadt Nusantara weichen müssen. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Natur)

Schlechte Zeiten für den bevölkerungsreichsten Inselstaat. Aus dem unerfreulichen Grund des steigenden Meeresspiegels muss die aktuelle Hauptstadt Indonesiens Jakarta umziehen. Mit über 40 % der städtischen Fläche unter dem Meeresspiegel, winken der Megacity keine schöne Aussichten in der Zukunft. Doch auch die angestauten Probleme der chaotischen Stadtentwicklung von Jakarta – dazu gehören die Zersiedelung der Landschaft, massive Verkehrsstaus, informelle Siedlungen, weit verbreitete Überschwemmungen, das Fehlen von sauberem Wasser und Abfallentsorgung sowie Bodensenkungen – führten zur Umzugsentscheidung.

Der Neuanfang soll dabei helfen, die vorangegangenen Fehler zu vermeiden. Wie sich der Umzug für die zehn Millionen Einwohner der Hauptstadt vollziehen wird, bleibt offen. Ebenso was aus der Metropolregion von Jakarta wird, welche mit seinen 34 Millionen Einwohner, eine der größten urbanen Agglomerationen der Welt ist. Doch der südostasiatische Inselstaat sieht sich unweigerlich mit den Auswirkungen der steigenden Meeresspiegel konfrontiert, weswegen kein Ausweg bleibt als umzuziehen.

Die neue Hauptstadt Nusantara entsteht auf Borneo und soll schon 2024 eingeweiht werden. Der Name nimmt Bezug auf „Wawasan Nusantara„, „die indonesische archipelagische Vision„. Dies entspricht der nationalen Vision Indonesiens in Bezug auf seine Bürger, die Nation und das Gebiet der Republik Indonesien.

Auch wenn das Projekt einer neuen Hauptstadt bereits von Vorgängerregierungen in den Raum gestellt wurde, so nahm es erst ab 2017 Fahrt an. 2019 gewann nach einer internationalen Ausschreibung der Vorschlag „Nagara Rimba Nusa“ („Waldland-Archipelago„) von URBAN+. So soll 80 % der Mobilität durch öffentliche Verkehrsmittel, sowie fußgänger- und fahrradfreundlichen Wegen gedeckt werden.

In der Anfangsphase wird das Bauland erschlossen und die ersten öffentlichen Einrichtungen gebaut. Neben den Lehren aus dem Klimawandel nehmen Erfahrungen aus der Corona-Pandemie ebenfalls einen Platz in der stadtplanerischen Umsetzung von Nusantara ein. Der Nachrichtenseite Blomberg zufolge haben die Arbeiten an dem 34 Milliarden Dollar Bauvorhaben bereits begonnen. Die Finanzierung, welche zu Großteilen aus dem privaten Sektor kommen soll, stellt dabei eine Hürde für das Projekt dar. Aber auch die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Naturreserven von Borneo werfen Fragen über die Nachhaltigkeit auf.

Utopische Städte in Japan: die Smart City von Toyota „Woven City“

Als Letztes auf unserer Liste fünf utopischer Städte darf dieser Vorreiter der Smart-City nicht fehlen: Die Woven City von Toyota ist ein sowohl ambitioniertes als auch hochtechnologisiertes Vorhaben in Japan. Am 23. Februar 2021 wurde offiziell verkündet, dass in der Stadt Susono auf einem ehemaligen Automobilwerk von Toyota ein innovatives Mobilitätszentrum entstehen soll. Im Sinne der japanischen Kultur spielen traditionelle Werte mit moderner Technologie im Gesamtvorhaben eine wichtige Rolle. Mit Mount Fuji im Rücken sowie einer gesicherten Finanzierung – ein vielversprechendes Projekt.

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Moderner Städtebau versus Zukunftsmusik – Was wirklich bleibt, verrät die Zeit. (Symbolfoto: Urbanauth / VGO / 2021 / Paris)

Die Arbeiten, welche letztes Jahr begonnen haben, befinden sich noch in der Erschließung des Baulandes. In der zweiten Phase werden anschließend die Architekten einbezogen. Finanziert werden die privaten Projekte hauptsächlich von der Toyota Motor Corporation, einem der größten Automobilhersteller außerhalb Europas. Um eine sichere und effiziente Mobilität zu ermöglichen, wird die Güterlogistik vom persönlichen und öffentlichen Verkehr getrennt und erhält eigene Fahrbahnen. Während auf der Oberfläche eine Fahrtstrecke für automatisierte Fahrsysteme geplant ist, wird der Güterverkehr unterirdisch verlegt. Das originelle Verständnis von Mobilität hat dabei eine tiefergreifende gesellschaftliche Bedeutung in der Unternehmung. So soll Wasserstoff als Energiequelle im Vordergrund stehen. Mit einer „Smart City Plattform“ soll das Internet der Dinge den städtischen Raum und das Leben der Bürger vernetzen. Weitere Angebote rund um Gesundheit, Bildung und Arbeit ergänzen das holistische Konzept.

Und auch wenn die Fläche und der relativ geringe Wohnraum die Woven City zur Kleinsten der Utopien im modernen Städtebau macht, so ist es vielleicht gerade die Durchsetzbarkeit des Projektes, welches ihm den Reiz und die Glaubwürdigkeit gibt. In Sachen Zukunftsmusik hegt das Konzept der hochmobilen Stadt ebenso starke Ambitionen wie die anderen vorgestellten Bauvorhaben. Im Gegensatz zu Googles eingestelltes Smart City Projektes in Toronto, Kanada, bleibt Toyota mit Woven City zurzeit der vielversprechendste Entwickler einer Smart City.

Der Artikel wurde am 04/05/2023 aktualisiert. Neue Informationen zu Neom wurden dem entsprechenden Abschnitt hinzugefügt.
Quelle: The Guardian / AFP in Genevia „UN rights experts denounce planned Saudis execution of megacity opponents“ / 03/05/2023

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